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Tagung anlässlich 20 Jahren Aktion „Autofasten“:Kirche kann etwas bewegen

Mainz. „Leben ohne Auto“ hieß der Titel des Vortrags des Geografen und Verkehrswissenschaftlers Heiner Monheim aus Bonn. Aber so weit wollte keiner der Teilnehmer der Tagung „Zukunftsfähig mobil“ wirklich gehen. Sie fand im Zuge der Aktion „Autofasten seit 20 Jahren“ im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung (ZGV) der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) am Dienstag, 14. März, statt.
20 Jahre Aktion Autofasten 20 Jahre Aktion Autofasten
Datum:
Mi. 22. März 2017
Von:
ath (MBN)

Tagung anlässlich 20 Jahren Aktion „Autofasten“

Mainz. „Leben ohne Auto“ hieß der Titel des Vortrags des Geografen und Verkehrswissenschaftlers Heiner Monheim aus Bonn. Aber so weit wollte keiner der Teilnehmer der Tagung „Zukunftsfähig mobil“ wirklich gehen. Sie fand im Zuge der Aktion „Autofasten seit 20 Jahren“ im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung (ZGV) der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) am Dienstag, 14. März, statt.

Der Diözesanadministrator des Bistum Mainz, Prälat Dietmar Giebelmann, erinnerte daran, dass die ökumenische Aktion „Autofasten“ vor 20 Jahren, als sie erstmal von Aschermittwoch bis Ostern stattfand, allgemein belächelt wurde. „Heute ist das nicht mehr so“, betonte Giebelmann. Er bezog sich auf die Haltung von Papst Franziskus, wonach die Bewahrung der Umwelt zum Kern der christlichen Botschaften gehört: „Ökologie und Gerechtigkeit sind zwei Seiten einer Medaille“, sagte Giebelmann. Ob es in 20 Jahren „Autofasten“ gelungen sei, das Bewusstsein der Menschen zu verändern, sei dahingestellt. „Aber es sind kleine Schritte, die wir als Kirche tun können – die großen Schritte muss sicherlich die Politik gehen.“

Das war auch der Tenor einer Anhörung der Tagungsteilnehmer, die der Moderator Volker Angres, Leiter der Umweltredaktion beim ZDF, vornahm. „Die Verkehrspolitik in Berlin ist das große Problem“, sagte ein Teilnehmer und fuhr fort: „Ich würde mir wünschen, dass die Bundesregierung Autofasten praktiziert.“ Professor Heiner Monheim griff dies in seinem Vortrag auf. „Autofasten“ sei heute längst kein temporäres Thema mehr, das von Aschermittwoch bis Ostern gelte. In Berlin hätten heute 47 Prozent der Haushalte kein Auto mehr. Bundesweit seien es 23 Prozent der Haushalte, die ohne Auto auskommen. Wenn die Bundesregierung tatsächlich einen Monat lang „Autofasten“ praktizieren würde, könnten 90 Milliarden Euro alternativ investiert werden.

„Der Verkehr, wie er heute läuft, ist politisch gewollt“, betonte Monheim. „Der tägliche Stau ist politisch gewollt und der tägliche Smog in Chinas großen Städten auch.“ Laut seinen Berechnungen würden vier Millionen Autos in Deutschland ausreichen, um die nötige Mobilität zu gewährleisten. Tatsächlich seien momentan 40 Millionen Autos unterwegs. Und 160 Millionen leere Autositze würden täglich über Deutschlands Straßen fahren. Und sie bräuchten 40 Millionen Parkplätze. Den Kirchen misst Monheim eine wichtige Rolle bei, um einen Prozess des Umdenkens in Gang zu setzen. „Sie sind ein großer Arbeitgeber und haben riesige Autoflotten.“ Durch betriebliches Mobilitätsmanagement könnte einiges bewegt werden: Jobtickets, Rabatte für Leihfahrräder und ähnliches.

Philipp Schuchall, Leiter des Bereichs Marketingplanung und Marktforschung des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV), setzt auf „multimodale Mobilität“, die Kombination von motorisiertem Individualverkehr mit dem „Umweltverbund“, bestehend aus Öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV), Fahrrad- und Fußverkehr. Der ÖPNV sei schon heute multimodal, werde in diesem Bereich aber weiter zulegen müssen. Nachhaltiger Verkehr werde nur mit ÖPNV möglich sein, betonte er. Dazu gehörten drei Eigenschaften: Ökonomisch, ökologisch und sozial. Schüler- und Seniorentickets seien fester Bestandteil des ÖPNV-Angebots. Und die flexible Kombination der Verkehrsmittel sei bereits für 60 Prozent der Menschen, die in Großstädten leben, Alltag. Der ÖPNV müsse noch mehr als jetzt ein Mobilitätsanbieter werden.

Im zweiten Teil der Tagung kam die regionale Politik zu Wort. So berichtete Katrin Eder, die Mainzer Umwelt- und Verkehrsdezernentin, dass in Mainz beim „modal split“ 2016 nur noch 32 Prozent auf den motorisierten Individualverkehr entfielen - 22 Prozent auf öffentlichen Verkehr, 20 Prozent auf Fahrrad und 26 Prozent gingen zu Fuß. „Nach drei Monaten ,Mainzelbahn‘ hatten wir schon im März eine Million Fahrgäste“, nannte Eder ein Beispiel für die aktuelle Entwicklung – weg vom Auto. An einem durchschnittlichen Werktag benutzten im Januar mehr als 17.000 Fahrgäste eine der Straßenbahnen vom Hauptbahnhof zum Lerchenberg und zurück. „Damit kann die ,Mainzelbahn‘-Strecke bereits im zweiten Monat ihres Betriebs die eigentlich erst für Ende 2018 avisierten Fahrgastzahlen auf der neuen Strecke übertreffen.“

Wie Verkehrspolitik die Nutzungsgewohnheiten der Menschen verändern kann, zeigte Eder am Beispiel der 2011 eingeweihten neuen Mainzer Fußball-Arena auf. „87 Prozent der Heim-Fans kommen mit Bus, Bahn, Rad oder zu Fuß.“ Es gebe keine Flächenversiegelung für Parkplätze wie an anderen deutschen Stadien. So sei ein schnellerer Abfluss nach Spielende gewährleistet. Die Vorteile von höherem Anteil von Umweltverbund (UV) beim „modal split“ sieht Eder in mehrfacher Hinsicht: Klimaschutz, Luftreinhaltung, Lärmschutz sowie frei werdender Verkehrsraum. UV koste nur einen Bruchteil der Ausgaben für Autoverkehr „und auch Autofahrer profitieren von mehr Umweltverbund“. Insgesamt führe dies zu einer Steigerung der Lebensqualität.

Weitere Einblicke in aktuelle Fragen der Mobilität gaben Renate Labonté, die Leiterin der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes Hessen. Sie selbst war verhindert. Ihre Thesen erläuterte Dr. Hubert Meisinger vom ZGV der EKHN. Er hatte die Tagung gemeinsam mit Alois Bauer vom Referat Weltmission/Gerechtigkeit und Frieden beim Bistum Mainz organisiert. Die Positionen der rheinland-pfälzischen Landesregierung vertrat Dr. Thomas Griese, Staatssekretär im Umweltministerium.