Tippgeber Nr. 6 // Biovdiversität

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IN VIELFALT ZUSAMMEN (ÜBER)LEBEN

„Herr, wie zahlreich sind deine Werke! Mit Weisheit hast du sie alle gemacht, die Erde ist voll von deinen Geschöpfen.“

Dankbar und staunend beschreibt Psalm 104 das so vielfältige Werk des Schöpfers. Einer Studie von 2011 zufolge leben ca. 8,7 Millionen Arten auf der Erde. Die meisten von ihnen - geschätzte 86% der Land- und 91% der Meereslebewesen - sind noch gar nicht entdeckt worden. Doch dieser Reichtum, die Biodiversität: die Vielfalt der Arten und Ökosysteme sowie die genetische Vielfalt innerhalb der Arten, ist weltweit in Gefahr. 2021 erfasst die Weltnaturschutzunion (IUCN) fast 37.500 Tier- und Pflanzenarten als bedroht. Das sind mehr als jemals zuvor. „Prominenteste“ Regionen sind die Regenwälder in Südamerika (Viehzucht, Sojaanbau als Viehfutter) und in Südostasien (Palmölgewinnung). Aber auch in unserer Heimat stehen 35% der Tiere und 50% der Pflanzen auf den sog. „Roten Listen“ der bedrohten Arten. Allein die Biomasse der Insekten ist seit 1989 um bis zu 76% zurückgegangen.

 

Warum ist Biodiversität so schützenswert?

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  • Jede Pflanzen- und Tierart ist in ihrem jeweiligen Ökosystem ein wichtiger und unersetzlicher Baustein.
  • Insekten sind lebensnotwendig als Nahrung für Vögel; Bienen und Hummeln werden unbedingt gebraucht bei der Bestäubung von (Nahrungs-)Pflanzen
  • eine Vielzahl von Pflanzen und Tiere ist nötig, damit sich an den Klimawandel angepasste, robuste Sorten entwickeln können
  • der Reichtum und die Heilkraft der Pflanzen sind seit jeher wichtig, um Medizin herzustellen und Krankheiten des Menschen zu heilen: Biodiversität sorgt quasi für eine große und vielfältige Apotheke
  • Nicht zuletzt zeigt uns die Coronakrise: biologische Vielfalt trägt wesentlich dazu bei, künftige, durch Zoonosen verursachte Pandemien zu verhindern.

Die Gründe für das Artensterben weltweit  und bei uns sind vielfältig:

  • Klimawandel und Umweltverschmutzung
  • Monokulturen ohne Blühstreifen und Hecken
  • Übersteigerter Einsatz von Pestiziden und Düngemittel
  • Flächenversiegelung und Zerschneidung wertvoller Biotope
  • Die Verdrängung heimischer durch sog. invasive Arten (Bärenklau, Asiatischer Staudenknöterich, Chinesische Wollhandkrabbe, Waschbären u.a.)
  • Übersteigerter Ordnungssinn in Gärten

Was WIR tun können!

Wir Christinnen und Christen tragen eine besondere Verantwortung für die Bewahrung der göttlichen Schöpfung: „Jedes Jahr verschwinden Tausende Pflanzen- und Tierarten, die wir nicht mehr kennen können, die unsere Kinder nicht mehr sehen können, verloren für immer. Die weitaus größte Mehrheit stirbt aus Gründen aus, die mit irgendeinem menschlichen Tun zusammenhängen. Unseretwegen können bereits Tausende Arten nicht mehr mit ihrer Existenz Gott verherrlichen, noch uns ihre Botschaft vermitteln. Dazu haben wir kein Recht.“ (Papst Franziskus, Enzyklika „Laudato si“, 33)

Nachfolgend wollen wir Ihnen einige Anregungen geben, wie wir - als Kirchengemeinden, Kirchorte, Gruppen und Verbände, aber auch Einzelne von uns - einen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität leisten können.

Bildung

Bildung heißt: das Staunen wach halten. Wer über die Vielfalt der Schöpfung staunen und sich an ihr freuen kann, ist auch bereit, diese zu schützen. Bildungsangebote zum Thema Biodiversität können in allen Altersgruppen, mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Methoden, in „klassischen“ Formaten oder in „ganzheitlichen“ Ansätzen angeboten werden, z.B. gemeinsam Neues entdecken und Staunen lernen, Erfahrungen sammeln, Wissen teilen, Aktionen und Projekte durchführen.

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Liturgie und Spiritualität

„Höchster, allmächtiger, guter Herr, dein ist das Lob, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen“ (Franz von Assisi, Sonnengesang).

Wer so über die großen und kleinen Wunder der Natur staunen kann und die Vielfalt des Lebens kennen gelernt hat, der wird sich dem Lobpreis des Heiligen Franz von Assisi anschließen. Wer die Gaben der Natur als Geschenk Gottes begreift, hat das innere Bedürfnis, Gott dafür zu danken und zu preisen: in Erntedank- und Schöpfungsgottesdiensten, in Flurprozessionen, in Gebeten, Psalmen, Fürbitten und Liedern.

(Kirchliche)Gebäude

Neben Nahrung sind Nist- und Unterschlupfmöglichkeiten für viele Tiere existenziell. Gerade Kirchtürme und Dachstühle bieten mit ihren Öffnungen, Spalten und Nischen Lebensräume für Fledermäuse, Turmfalken, Schleiereulen und Dohlen, die unter besonderen Schutz gestellt sind. Wo solche Lebensräume vorhanden sind, sollten sie erhalten bleiben und nur in Ausnahmefällen durch künstliche Nisthilfen Ersatz geschaffen werden. In einigen Gemeinden gibt es schon Beispiele für die Zusammenarbeit mit Naturschutzverbänden.

Außenanlagen:

(Pfarr-)Gärten und Friedhöfe

Pflanzen Sie möglichst heimische und standortgerechte (Blüh-)Pflanzen und Kräuter, die zahlreichen Tieren Nistmöglichkeiten und Nahrung bieten. Lassen Sie ganz bewusst „Unordnung“ zu, d.h. Vielfalt. Auf ungedüngten und nur monatlich gemähten Rasenflächen gedeihen Wildblumen. Noch vielfältiger ist die Einsaat von Wildblumensamen. Dort, wo die Wiese für Spiel,Sport und Gemeindetreffen benötigt wird, ist dies auf Randflächen dennoch gut möglich. Lassen Sie wilde Ecken zu, die nicht oder nur selten bearbeitet werden; diese entwickeln sich oft zu wertvollen, kleinen Biotopen.

Unter Laub- und Reisighaufen finden Igel, Insekten und zahlreiche Bodenlebewesen einen sicheren Unterschlupf. Mauern und Steine – gerne auch mit Moosen und Flechten bewachsen – bieten anderen Tierarten eine schützende Heimat.

Wo dies sinnvoll und nötig ist, können Sie diese natürlichen Räume durch künstliche Nisthilfen ergänzen.

Verzichten Sie – wo immer möglich – auf versiegelte Flächen, auf Schotter(gärten) und exotische Pflanzen.

Pestizide, Herbizide und mineralische Dünger sollten tabu sein.

In zahlreichen Gemeinden durften sich – oft unter tätiger Mithilfe von Fachleuten und Naturschutzverbänden – solche naturnahen Gärten entwickeln. Nicht wenige berichten: Die Umsetzung gemeinsamer Naturprojekte hat das Gemeindeleben enorm bereichert.

 

Ernährung/Einkauf von Lebensmitteln

Auch durch unsere Ernährung können wir die Artenvielfalt unterstützen: indem wir Lebensmittel kaufen – etwa auch für Pfarrfeste - bei deren Produktion wenig Monokulturen entstehen (Verzichten Sie bspw. auf Fleisch aus Massentierhaltung; für deren Sojafutter wird oft großflächig Regenwald gerodet.) und auf Artenvielfalt Rücksicht genommen wird (bspw. regionale Biolandwirtschaft).

Vgl. Tippgeber „Essen und Trinken“.

 

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Acker- und Forstflächen

Überall dort, wo das Bistum oder Kirchengemeinden Forst und Ackerflächen besitzen, sollte deren Bewirtschaftung/ Verpachtung nach strengen Kriterien zum nachhaltigen Schutz der Biodiversität und damit der Bewahrung der Schöpfung ausgerichtet sein.