Fachkonferenz zur Zukunft der Erinnerungsarbeit

Fachkonferenz 'Erinnerung' (c) Rüdiger Groelz
Datum:
Fr. 13. Okt. 2023
Von:
Stephanie Roth

Unter dem Motto "Zur Erinnerung?" kamen am Samstag, dem 7. Oktober 2023 vierzig Expert*innen der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit in der Akademie Erbacher Hof in Mainz zusammen, um sich über neue Formen und Netzwerke der Zeitzeug*innenarbeit, des kritischen Geschichtsbewusstseins und der Demokratiebildung auszutauschen.

Die Veranstaltung wurde vom pax christi Rhein-Main Regionalverband Limburg-Mainz in Kooperation mit dem Bistum Mainz/Geschäftsstelle Weltkirche/Gerechtigkeit und Frieden, der Akademie Erbacher Hof, dem Maximilian-Kolbe-Werk, dem Haus des Erinnerns - für Demokratie und Akzeptanz Mainz und dem Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN durchgeführt. 

Neben zahlreichen Lehrer*innen aus rheinland-pfälzischen und hessischen Schulen nahmen Aktive von kirchlichen, staatlichen und freien Bildungswerken sowie von Verbänden teil, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in der Erinnerungs- und Gedenkarbeit zum Themenkomplex Nationalsozialismus und bei der Arbeit mit Zeitzeug*innen engagiert haben.

Sie alle bewegt die Frage: Was kommt nach den Zeitzeug*innen?

Die Erinnerung an die NS-Verbrechen und die Weitergabe von Wissen über diese Zeit wird in Zukunft nicht weniger wichtig werden, im Gegenteil. Mit größerem zeitlichen Abstand und dem Verlust der Zeitzeug*innen wird sie noch bedeutender. Entsprechend gilt es neue Ansätze und Formate zu finden, welche die Geschichten und Zeugnisse von Überlebenden der NS-Diktatur und des Holocausts bewahren und forttragen.

Zunächst blickte man auf die bisherigen Erfahrungen zurück: Stephanie Roth stellte die Arbeit des Maximilian-Kolbe-Werks vor, das seit 50 Jahren Hilfe für die Überlebenden der NS-Ghettos und Konzentrationslager bereitstellt. Alois Bauer berichtete von den Anfängen der Zeitzeugenbesuche im Bistum Mainz, die seit nunmehr 22 Jahren stattfinden.

In seinem Impulsvortrag umriss Thomas Altmeyer vom Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945 die Entwicklung der Arbeit mit Zeitzeug*innen sowie die Aufgabe und Wirkung ihres Einsatzes und zeigte auf, wie ihr Vermächtnis in Zukunft gesichert und weitergegeben werden kann.

Anschließend waren die Teilnehmer*innen eingeladen, sich in vier Workshops mit zukunftsweisenden Methoden der Erinnerungsarbeit zu beschäftigen: Henrik Drechsler vom Haus des Erinnerns für Demokratie und Akzeptanz Mainz stellte die Arbeit mit Videointerviews mit Zeitzeug*innen vor. Theresa Michels und Julie Windschutz vom Verein Zweitzeugen e.V. demonstrierten in ihrem Workshop, wie junge Menschen gemeinsam mit Zeitzeug*innen die Weitergabe der Lebenszeugnisse entwickeln. Im Workshop von Christian Zipfel von der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, Potsdam hatten die Teilnehmer*innen die Gelegenheit, eine immersive digitale Begegnung mit Zeitzeug*innen durch Virtual Reality-Anwendungen auszuprobieren und mehr über den Entstehungsprozess und die Einsatzmöglichkeiten digitaler Anwendungen zu erfahren. 

Über ihr Konzept zu Empowerment gegen Rassismus und Rechtsextremismus berichtete Özge Özdemir von der Bildungsinitiative Ferhat Unvar, die an die Opfer des rassistischen Anschlags von Hanau im Jahr 2020 erinnert. Ziel ihrer Arbeit ist es, über unterschiedliche Diskriminierungsformen zu informieren und sensibilisieren. Betroffene, die Rassismus und Diskriminierung jeglicher Art erfahren, sollen gehört und gestärkt werden. Nichtbetroffene sollen sich ihrer Verantwortung, gegen Rassismus und Diskriminierungen anzugehen, bewusst werden und Handlungsmöglichkeiten kennenlernen.

Im zweiten Teil der Konferenz diskutierten die Teilnehmer*innen in einer Zukunftswerkstatt unter Anleitung von Andra Avram, Friedensreferentin bei pax christi Rhein-Main Regionalverband Limburg-Mainz, die Rahmenbedingungen, die für die zukünftige Arbeit mit Zeitzeugnissen erforderlich sind und wie die Erweiterung der Gedenk- und Erinnerungsarbeit im Hinblick auf Bildung für Demokratie gelingen kann. Die Teilnehmer*innen stimmten überein, dass Strategien zur Stärkung der Demokratie den Einsatz ausreichender Ressourcen und Anstrengungen in allen Lebensbereichen - Bildung, Politik und Gesellschaft - erfordern. Es besteht seitens der Beteiligten ein großes Interesse, solche Strategien und zukunftsfähige Formen für diese Arbeit weiter gemeinsam zu entwickeln.