Henriette Kretz wurde am 26. Oktober 1934 in einer jüdischen Familie in der damals polnischen Stadt Stanisławów (heute Iwano-Frankiwsk in der Ukraine) geboren. 1941 musste die Familie ins Ghetto umsiedeln. Mehrmals entkamen sie der Deportation. Nachdem sie über ein halbes Jahr von einer polnisch-ukrainischen Familie versteckt worden waren, entdeckte sie die Gestapo. Die Eltern wurde erschossen, Henriette konnte fliehen und überlebte in einem von Nonnen geführten Waisenhaus.
Seit 1935 lebte die Familie in der Nähe von Opatów im südöstlichen Polen, wo Henriettes Vater als Arzt tätig war. Ihre Mutter war Anwältin von Beruf, widmete sich aber ganz der Erziehung der Tochter. Bis zu diesem Zeitpunkt war Henriettes Welt in einer liebevollen Familie in Ordnung und ihre Kindheit unbeschwert.
Nach dem deutschen Überfall auf Polen im Herbst 1939 floh die jüdische Familie vor den heranrückenden Deutschen mit der kleinen Henriette nach Lwiw (Lemberg) in der heutigen Ukraine. Später kam die Familie ins benachbarte Sambor. Ihr Vater wurde Direktor eines Sanatoriums für Tuberkulosekranke. Doch 1941 holten der Krieg und die Deutschen die Familie auch dort ein. Aus ihrer Wohnung wurden sie bald vertrieben und mussten in den jüdischen Stadtbezirk umsiedeln, wo kurze Zeit darauf ein Ghetto eingerichtet wurde. Sie waren ständig Hunger, Krankheiten und verschieden Gefahren ausgesetzt. Mehrmals gelang es Henriettes Vater, seine Familie vor dem Schlimmsten zu bewahren und mit Hilfe von ukrainischen Bekannten oder durch Bestechung die Familie vor der Erschießung zu retten und aus dem Gefängnis zu befreien.
Immer wieder mussten sie sich verstecken. Henriettes Eltern wurden vor ihren Augen erschossen. Sie selbst konnte sich in einem Nonnenkloster verstecken und überlebte die Zeit des NS-Terrors.
Nach dem Krieg kam Henriette Kretz auf Umwegen nach Antwerpen. Sie studierte Kunstgeschichte, wurde Lehrerin für Französisch und Kunst, verbrachte 13 Jahre in Israel (1956 - 1969) und lebt seit 1969 wieder in Belgien. Henriette Kretz war verheiratet, hat zwei Söhne und drei Enkel. Sie interessiert sich für Politik, Literatur, Pädagogik, Malerei und Musik. Henriette Kretz ist Mitglied des polnischen Vereins „Kinder des Holocaust“, dem Juden angehören, die als Kinder den NS-Terror meist in Verstecken überlebt haben.
Henriette Kretz kommt seit 2009 als Zeitzeugin ins Bistum Mainz.
Historischer Hintergrund: Zeitzeugin Henriette Kretz
Video: Zeitzeugin Henriette Kretz: "Ich habe keinen Hass. Henriette Kretz"
Das Video wurde in Zusammenarbeit von vollbild.de und der Videoarbeit Bistum Mainz erstellt.
Video: Warum ich erzähle.. Dokumentation über die Zeitzeugin Henriette Kretz
Der Student Christian Hardt aus Koblenz hat im Sommersemester 2012 im Rahmen seiner Magisterarbeit an der Universität Mainz in einer filmischen Dokumentation das Schicksal von Henriette Kretz verarbeitet.
Bibliografischer Hinweis:
Henriette Kretz: "Willst Du meine Mutter sein? Eine Kindheit im Schatten der Schoah." Erschienen im Hille-Verlag Chemnitz, 2013. ISBN 978-3939025382.