Jacek Zieliniewicz wurde am 10. Mai 1926 in Janowiec Wielkopolski geboren. Mit 17 Jahren wurde er 1943 verhaftet und in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo er mit viel Glück ein ganzes Jahr überlebte. Dann wurde er mit einer Gruppe Häftlinge in das KZ Dautmergen bei Rottweil verschleppt, wo die Lebensbedingungen noch wesentlich schlimmer waren als in Auschwitz. Zuletzt wog er nur noch 38 kg. Auf dem Todesmarsch wurde er am 23. April 1945 durch französische Truppenverbände befreit.
Sein Vater Franciszek war Schuster von Beruf, seine Mutter Maria war Schneiderin. Der Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen veränderte das Leben der Familie schlagartig. Jacek, der vor dem Krieg ein Gymnasium in Poznań besuchte, wurde Anfang Dezember 1939 zusammen mit seinen Eltern von den deutschen Besatzern nach Końskie in das Generalgouvernement umgesiedelt.
Am 20. August 1943 wurde der 17-jährige Jacek verhaftet. Drei Tage später befand er sich als politischer Häftling mit der Nummer 138142 in Auschwitz-Birkenau. Der Lagerführer Schwarzhuber empfing die Häftlinge mit folgenden Worten: „In meinem Lager gibt es nur lebende oder sterbende Häftlinge, keine Kranken!“ Und so war es. Es gab keine Kranken, wer krank wurde, wurde getötet.
1943, nach den deutschen Niederlagen bei Stalingrad und Kursk, wurden vermehrt wehrfähige Männer in Deutschland zum Militär eingezogen. Deshalb brauchte man auch mehr Häftlinge zur Arbeit. Es gab eine neue Strategie in den KZs. Die Häftlinge wurden nicht sofort getötet, sondern sie sollten erst arbeiten und dann sterben. „Vernichtung durch Arbeit“ war das Motto. Daher bekamen die Häftlinge die Erlaubnis, sich von zu Hause Päckchen schicken zu lassen. „Es war nicht viel, aber jedes Päckchen hat uns das Leben gerettet.“ Zieleniewicz arbeitete als Hilfsarbeiter in einem Elektriker- und Maurerkommando. Von den ursprünglich 500 Häftlingen in diesem Kommando blieb er als Einziger übrig. „Ich habe Glück gehabt...“ Das sog. Quarantänelager, in das die Häftlinge zunächst kamen, war das schlimmste überhaupt. Dennoch sagten die alten Häftlinge: „jetzt im Dezember 43 ist es schon viel besser, fast wie in einem Sanatorium“. Aber, so Zieleniewicz, kann das sein: 15.000 Ermordete in einem Lager, das schon als Sanatorium galt? Später half er mit, im Frauenlager Waschräume zu bauen, „die bis heute nicht fertig sind...“.
Am 20. August 1944 wurde er ins KZ Dautmergen bei Rottweil (Zollernalbkreis) – ein Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof – gebracht. „Wir waren der erste polnische Transport: 1.000 alte Häftlinge aus Auschwitz-Birkenau. Nach einer Woche kam ein zweiter Transport mit Häftlingen vom Warschauer Aufstand. Es waren 12jährige Kinder bis 60jährige Männer. Sie starben sehr schnell. Als wir hinkamen, war da nur eine Wiese. Wir bauten das Lager erst auf. Und nach kurzer Zeit war die Wiese nur noch Schlamm. Die Häftlinge lebten in Zelten. Es gab kein Wasser und nur ein Brot für acht Häftlinge. In Birkenau hatten immerhin vier Mann ein Brot zum Verteilen und die Schwerarbeiterzulage, ein halbes Brot an Dienstag und Donnerstag. Ende September waren schon über 200 Häftlinge tot, davon nur ein Alter aus Birkenau, der Rest aus dem Warschauer Aufstand. Die Kommandos im Wald waren begehrt, denn dort gab es weniger Wind als im Freien.“ Zieleniewicz hatte ein zweites Paar Schuhe kaputt gelaufen und kam zum Lagerarzt Dr. Engelhardt, einem Bekannten seiner Eltern, der auch Häftling war, und bat ihn um Schuhe. Dr. Engelhardt erkannte ihn nicht mehr, denn Zieleniewicz wog nur noch 38 kg (vorher 70 kg). Engelhardt sagte zu ihm: „Wenn du überleben willst, dann komm zu mir.“ So kam es.
Am 18. April 1945 wurden die Häftlinge in Gruppen auf die Todesmärsche getrieben. Am 23. April 1945 kam die ersehnte Befreiung durch französische Truppenverbände.
Der nun 19-jährige Jacek kehrte nach Polen zu seiner Familie in Janowiec Wielkopolski zurück. Er studierte in Posen Lebensmitteltechnologie, wurde Ingenieur und arbeitete 50 Jahre lang in der Fleischwirtschaft. Jacek Zieliniewicz lebte mit seiner Ehefrau in Bydgoszcz.
Das Ehepaar Zieliniewicz hatte zwei Töchter, drei Enkel und drei Urenkel. Zur Ruhe hatte sich Jacek Zieliniewicz trotzdem nicht gesetzt, denn es war ihm wichtig, als einer der letzten Zeitzeugen über die leidvolle Vergangenheit und den NS-Terror Zeugnis abzulegen. Er war sehr oft in Deutschland und Polen unterwegs, wo er sich vor allem mit jungen Menschen traf und ihnen über seine Haftzeit in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern berichtete. Er war auch Vorsitzender der Organisation „Towarzystwo Opieki nad Oświęcimiem“ (Vereinigung zur Betreuung der ehemaligen Auschwitz-Häftlinge) in Bydgoszcz.
Jacek Zieliniewicz kam von 2001 bis 2017 als Zeitzeuge ins Bistum Mainz. Er verstarb am 21. Mai 2018.
Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde am 26. Mai 2018 der polnische KZ-Überlebende Jacek Zieliniewicz (92) in seinem Wohnort Bydgoszcz (Bromberg) zu Grabe getragen. An der Trauerfeier nahmen auch mehrere Deutsche als Vertretung jener Organisationen teil, bei denen der Verstorbene viele Jahre als Zeitzeuge aufgetreten war. Aus dem Bistum Mainz nahm Alois Bauer als Mitglied des pax christi-Vorstandes teil.
Jacek Zieliniewicz wurde am 10. Mai 1926 geboren. Der deutsche Überfall auf Polen veränderte das Leben seiner Familie schlagartig. Ende 1939 wurde sie von den deutschen Besatzern in das Generalgouvernement umgesiedelt. Im August 1943 wurde der 17-jährige verhaftet und nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Als Häftling Nr. 138142 arbeitete der junge Gymnasiast in einem Elektriker- und Maurerkommando. Nach einem Jahr wurde er ins KZ Dautmergen bei Rottweil deportiert. Unter katastrophalen Lebens- und Arbeitsbedingungen sollten die Häftlinge dort Ölschiefer produzieren. Jacek wog bald nur noch 38 kg. Mitte April 1945 wurden die Häftlinge in Gruppen auf die Todesmärsche getrieben und schließlich durch französische Truppen befreit. Jacek kehrte nach Polen zu seiner Familie zurück, studierte Lebensmitteltechnologie und wurde Ingenieur. Mit seiner 2016 verstorbenen Ehefrau, die ebenfalls als Zwangsarbeiterin nach Deutschland deportiert worden war, gründete er in Bydgoszcz eine Familie.
Erst 50 Jahre später war er fähig, über seine KZ-Zeit zu sprechen - 1995 bei einem Besuch der Gedenkstätte Eckerwald bei Rottweil, die er nun immer wieder besuchte. Seit 2001 nahm er 21 Mal an Zeitzeugen-Wochen im Bistum Mainz teil, die vom pax christi Diözesanverband initiiert wurden. Ihm halfen diese Begegnungen, den „Glauben an die Menschen wieder zu gewinnen“, so hat er es der Initiative Eckerwald in seinem letzten Brief geschrieben. Seine Lebensaufgabe wurde, der heutigen Jugend zu vermitteln, sich für die Zukunft verantwortlich zu fühlen. „Kinder muss man lieben, nicht töten“, so einer seiner markanten Sätze – er, der über Monate in Birkenau auf dem Weg zu seinem Kommando den jüdischen Kindern begegnete, die in die Gaskammern gingen.
Und gerne betonte er, dass es im Deutschen drei Worte mit „F“ gebe, die wesentlich für unser Zusammenleben seien: Freiheit, Friede, Freundschaft. Dafür müsse immer wieder gekämpft werden, gegen alle nationalistischen und populistischen Tendenzen.
Trotz seines hohen Alters hatte sich Zieliniewicz nicht zur Ruhe gesetzt, denn es war ihm wichtig, als einer der letzten Zeitzeugen über die leidvolle Vergangenheit und den NS-Terror Zeugnis abzulegen. Er war nun einer der letzten Überlebenden, der noch detaillierte Erinnerungen an das Grauen in Auschwitz-Birkenau hatte. Deshalb stand er oft für Führungen zur Verfügung, so auch etliche Male für Gruppen des kfd-Diözesanverbandes Mainz oder der Maria Ward Schule Mainz.
Im März 2017 besuchte uns Jacek Zieliniewicz zum letzten Mal. Er nahm an einer Zeitzeugen-Woche im Odenwald teil. Bald danach fesselte ihn eine schwere Erkrankung an die Wohnung. Selbst dort empfing er noch jede Woche polnische Schulklassen zu Gesprächen. An Pfingstmontag ist er verstorben. An seinem Geburtstag kurz zuvor konnte ich noch einmal mit ihm telefonieren. Er sagte, er fühle sich schwach, aber er denke gerne an seine Besuche und grüße alle, die ihn kennen.
Mit Jacek Zieliniewicz ist ein großartiger Mensch von uns gegangen, der das gelebt hat, wofür er unentwegt eintrat. Wir trauern um ihn und sind sehr dankbar, dass wir ihm begegnen durften. Ein weiterer markanter Satz bleibt mir im Ohr: „Ich habe keinen Hass mehr – das ist mein Sieg.“
Alois Bauer