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Interview:Klimafasten: Verzicht mit Sinn – für eine lebenswerte Zukunft

Viele Radfahrer radeln über die ganze Straßer verteilt durch die abendliche Stadt mit Ansicht von hinten
Datum:
8. Apr. 2025
Von:
Alexander Stein | Marcus Grünewald

Fasten bedeutet für viele Menschen, bewusst auf etwas zu verzichten – sei es Schokolade, Social Media oder das Auto. Doch was, wenn dieser Verzicht nicht nur der eigenen Besinnung dient, sondern auch dem Schutz unseres Planeten? Genau darum geht es bei der Aktion Klimafasten, die jedes Jahr in der Fastenzeit dazu einlädt, nachhaltiger zu leben.

Unter dem Motto „Gemeinsam aufbrechen in die Zukunft“ ermutigt die Initiative, Klimaschutz nicht nur als individuelle Verantwortung zu sehen, sondern als gemeinschaftliche Aufgabe. Denn wenn viele kleine Schritte zusammenkommen, kann Großes entstehen. Warum das Klimafasten besonders in der heutigen Zeit wichtig ist, welche konkreten Ideen es für ein klimafreundliches Leben gibt und wie der Glaube uns dabei begleiten kann – darüber sprechen wir mit Marcus Grünewald, dem Verantwortlichen für die Aktion im Bistum Mainz.

Herr Grünewald, können Sie uns kurz erläutern, worum es beim Klimafasten geht und warum die Aktion gerade in der Fastenzeit eine besondere Bedeutung hat?

Für viele Menschen bleibt die Fastenzeit eine Zeit des persönlichen Verzichts, der Besinnung auf sich selbst und der Hinwendung zu Gott. Seit einigen Jahren verstärkt sich der Trend, dem persönlichen Fasten einen Mehrwert zu geben. Beim Klimafasten, korrekter einem Fasten für das Klima, geht es also darum, das Fasten so zu gestalten, dass durch den Verzicht das Klima geschützt wird. Wenn ich beispielsweise auf das Auto verzichte, verringere ich meine C02- und Feinstaubemissionen.

Das Motto „Gemeinsam aufbrechen in die Zukunft“ betont den Gemeinschaftsaspekt. Warum ist es so wichtig, Klimaschutz nicht nur individuell, sondern auch gemeinsam anzugehen?

Weil Gemeinschaft den Einzelnen stärkt, motiviert und trägt. Wir erleben das sehr eindringlich bei der Aktion „Mit dem Rad zur Arbeit“: Wenn ich im September meine sehr überschaubaren geradelten Kilometer betrachte, ist das eher frustrierend. Wenn ich dann aber sehe, dass wir als Bistumsgemeinschaft mehr als 30.000 km geradelt sind, dann kann sich das sehen lassen. Die Aktion Klimafasten 2025 lädt ein, den Blick über das enge Umfeld hinaus zu richten. Sehen, dass nicht nur ich, sondern auch mein Nachbar das Klima schützt (und dabei vielleicht ganz andere, aber nicht weniger wichtige Akzente setzt). Andere mitnehmen oder sich von anderen begeistern lassen; sich vernetzen mit der Kommune, dem Sportverein …

Klimawandel, soziale Gerechtigkeit, politische Krisen – viele Menschen fühlen sich angesichts dieser Herausforderungen machtlos. Wie kann Klimafasten helfen, trotzdem handlungsfähig zu bleiben?

Die „Lokale Agenda 21“ in den 90er-Jahren war geprägt vom Slogan „Global denken – lokal handeln“. Nein, wir werden im Bistum Mainz, in Deutschland nicht das Weltklima retten (können). Aber wir können unseren Beitrag dazu leisten, der Natur, den Pflanzen, Tieren und Menschen in unserem unmittelbaren Umfeld zu einem „Leben in Fülle“ zu verhelfen. Wir können unseren Beitrag leisten, unser Umfeld den veränderten Klimabedingungen anzupassen. Wir können so andere motivieren, auch (mehr) zu handeln und leisten so letztlich unseren Beitrag zum Weltklima.

Welche konkreten Anregungen gibt es für die Fastenzeit? Wie kann jeder Einzelne durch Verzicht und bewusstes Handeln einen Beitrag leisten?

Ich verweise in diesem Zusammenhang gerne auf unsere Tippgeber (www.um-welt-bedacht.de), die eine Fülle von Anregungen etwa in den Themenfeldern „Ernährung“, „Mobilität“, „Energie“, „Kleidung“, „Biodiversität“ bereithalten. Da findet jeder ganz sicher noch die eine oder andere Herausforderung.

Wie können Kirchengemeinden, aber auch Einzelpersonen, sich noch stärker in den Klimaschutz einbringen – über die Fastenzeit hinaus?

Ich würde mir wünschen, dass wir all unser Handeln, sei es als Gemeinde oder Einzelne, immer neu hinter der „Folie“ Klima- und Umweltschutz betrachten. Dass wir uns immer wieder fragen (lassen), wo unser tradiertes Verhalten der Umwelt schadet und wie wir uns nachhaltig verbessern. Wenn wir ein Fest oder eine Freizeit planen, wenn wir Büromaterial, technische Geräte oder Kleidung bestellen.

Manche sehen Klimaschutz vor allem als politische Aufgabe. Welche Rolle spielt der Glaube, wenn es darum geht, sich für eine nachhaltige Zukunft einzusetzen?

Für uns Christen sind Natur und Klima nicht einfach „nur“ schützenswerte Umwelt, ohne die wir nicht existieren können (was ja auch schon Grund genug wäre, diese zu schützen). Wir erkennen in allem, was ist, in allem, was lebt, die gute Schöpfung Gottes. Und wir haben den göttlichen Auftrag, diese zu schützen und zu bewahren. Klima- und Umweltschutz sind für uns kein „nice to have“, sondern ein „must do“. Nachhaltiges Handeln ist darum kein zusätzliches Tun, wenn alles andere erledigt ist, sondern verpflichtender Auftrag. Nachhaltiges Handeln ist nicht die Kirsche auf der Torte, sondern der (Sauer-)Teig.

Was wünschen Sie sich für die diesjährige Aktion? Gibt es eine Botschaft, die Ihnen besonders am Herzen liegt?

Unser Auftrag, als Menschen die Erde zu bebauen und zu bewahren, ist kein verklärendes Zurückschauen auf eine vergangene heile Welt. Sondern vielmehr ein aktives Ausrichten auf die neue Schöpfung. Wir sind gefragt, trotz des Leidens aktiv zu werden. Ganz im Sinne Luthers „wenn die Welt morgen unterginge, heute noch ein Apfelbäumchen zu pflanzen“, ist es unser Auftrag, in dieser Welt zur Linderung und Besserung beizutragen. Wir dürfen anpacken und uns einbringen, Hoffnung leben und als Kinder Gottes Vorbild sein.