Schreien will ich zu dir, Gott, mit verwundeter Seele,
doch meine Worte gefrieren mir auf der Zunge.
Es ist kalt in mir, wie gestorben sind alle Gefühle,
starr blicken meine Augen auf meine zerbrochene Welt.
Der Bach, den ich von Kind an liebte,
sein plätscherndes Rauschen war wie Musik,
zum todbringenden Ungeheuer wurde er,
seine gefräßigen Fluten verschlangen ohne Erbarmen.
Alles wurde mir genommen. Alles!
Weggespült das, was ich mein Leben nannte.
Mir blieb nur das Hemd nasskalt am Körper,
ohne Schuhe kauerte ich auf dem Dach.
Stundenlang schrie ich um Hilfe,
um mich herum die reißenden Wasser.
Wo warst du Gott, Ewiger,
hast du uns endgültig verlassen?
Baust du längst an einer neuen Erde,
irgendwo fern in deinen unendlichen Weiten?
Mit tödlichem Tempo füllten schlammige Wasser die Häuser,
grausig ertranken Menschen in ihren eigenen Zimmern.
Ist dir das alles völlig egal, Unbegreiflicher?
Du bist doch allmächtig, dein Fingerschnippen hätte genügt.
Die Eifernden, die dich zu kennen glauben, sagen,
eine Lektion hättest Du uns erteilen wollen, eine deutliche,
eine Portion Sintflut als Strafe für unsere Vergehen,
für unsere Verbrechen an der Natur, an deiner Schöpfung.
Ihre geschwätzigen Mäuler mögen für immer verschlossen sein,
nie wieder sollen sie deinen Namen missbrauchen,
für ihre törichten Besserwissereien, ihr bissiges Urteil
mit erhobenem Zeigefinger, bigott kaschiert.
Niemals will ich das glauben, niemals,
du bist kein grausamer Götze des Elends,
du sendest kein Leid, kein gnadenloses Unheil
und hast kein Gefallen an unseren Schmerzen.
Doch Du machst es mir schwer,
das wirklich zu glauben.
Ich weiß, wir sind nicht schuldlos an manchem Elend,
zu leichtfertig missbrauchen wir oft unsere Freiheit.
Doch warum siehst du dann zu, fährst nicht dazwischen,
bewahrst uns nicht vor uns selbst?
Dein Schweigen quält meine Seele,
ich halte es fast nicht mehr aus.
Wie sich Schlamm und Schutt meterhoch türmen,
in den zerstörten Strassen und Gassen
und deren Schönheit sich nicht mehr erkennen lässt,
so sehr vermisst meine Seele dein Licht.
Meine gewohnten Gebete verstummen,
meine Hände zu falten, gelingt mir nicht.
So werfe ich meine Tränen in den Himmel
meine Wut schleudere ich dir vor die Füße.
Hörst du mein Klagen, mein verzweifeltes Stammeln,
ist das auch ein Beten in deinen Augen?
Dann bin ich so fromm wie nie,
mein Herz quillt über von solchen Gebeten.
Doch lass mich nicht versinken in meinen dunklen Gedanken,
erinnere mich an deine Nähe in früheren Zeiten.
Ich will dankbar sein für die Hilfe, die mir zuteilwird,
für die tröstende Schulter, an die ich mich anlehne.
Ich schaue auf und sehe helfende Hände,
die jetzt da sind, ohne Applaus, einfach so.
Die vielen, die jetzt kommen und bleiben,
die Schmerzen lindern, Wunden heilen,
die des Leibes, wie die der Seele,
mit langem Atem und sehr viel Geduld.
Auch wenn du mir rätselhaft bist, Gott,
noch unbegreiflicher jetzt, unendlich fern,
so will ich dennoch glauben an dich,
widerständig, trotzig, egal, was dagegenspricht.
Sollen die Spötter mich zynisch belächeln,
ich will hoffen auf deine Nähe an meiner Seite.
Würdest du doch nur endlich dein Schweigen beenden,
doch ich halte es aus und halte Dich aus, oh Gott.
Halte du mich aus!
Und halte mich, Ewiger! Halte mich!
Titelseite der Kirchenzeitung "Glaube und Leben" mit dem Psalm zum Download