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Interview mit dem Leiter der Initiative Arbeit:„Den Menschen sehen – mit allem, was er mitbringt“

In der Reihe „Die Frohe Botschaft“ stellen wir Menschen und Initiativen vor, die anderen durch ihr Engagement neue Perspektiven eröffnen. Ein Beispiel dafür ist die Initiative Arbeit in Offenbach, die Menschen auf ihrem Weg in Beschäftigung begleitet – und dabei weit mehr ermöglicht als den Zugang zum Arbeitsmarkt. Geschäftsführer Norbert Clausen berichtet von Motivation, Würde und der Kraft, die in Menschen steckt, wenn sie die Chance erhalten, ihr Leben neu zu gestalten.
Amsel und Nistkasten (48)
Datum:
28. Sept. 2025
Von:
Alexander Stein
Norbert Clausen

Was motiviert Sie persönlich in Ihrer täglichen Arbeit mit Menschen, die auf dem zweiten Arbeitsmarkt Unterstützung suchen?

Norbert Clausen: Mich beeindrucken besonders die Rückmeldungen ehemaliger Teilnehmerinnen: Sie berichten nicht nur davon, dass sie nach einem Kurs den beruflichen Wiedereinstieg geschafft haben, sondern dass sie sich auch persönlich weiterentwickelt fühlen. Glückliche und dankbare Menschen, die ihren Weg wieder gerne gehen – das motiviert mich jeden Tag aufs Neue.

Was ist die „frohe Botschaft“, die hinter der Idee der Initiative Arbeit steckt?

Norbert Clausen: Wir sehen den Menschen – mit all seinen Stärken, aber auch mit den Hindernissen, die er im Leben erfahren hat. Und wir schaffen Räume, in denen er seinen eigenen Weg finden und gehen kann. Vorbild ist dabei Jesus, der sich den Menschen in ihrer konkreten Lebenssituation zugewandt hat.

Wie erleben Sie die Wirkung Ihrer Maßnahmen – von Holzwerkstatt über Bewerbungstraining bis hin zu sozialpädagogischer Begleitung?

Norbert Clausen: Die Teilnehmenden gewinnen Selbstvertrauen zurück. Frauen nach einer Elternzeit finden wieder Anschluss an den Arbeitsmarkt. Andere Menschen entwickeln durch unsere Angebote wieder eine verlässliche Tagesstruktur, die sie fit macht für einen Neustart im Berufsleben.

Das Gelbe Haus in Offenbach setzt einen besonderen Schwerpunkt bei jungen Frauen, oft Alleinerziehenden. Was bewirkt die Arbeit dort?

Norbert Clausen: Alleinerziehende Mütter haben es auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer, vor allem weil Betreuungsplätze fehlen. Wir versuchen gemeinsam mit ihnen, Wege zu finden, wie Haushalt, Kinder und Beruf so vereinbar sind, dass auch Raum für das eigene Leben bleibt. Ziel ist, das bedrückende Dreieck „Haushalt – Kinder – Beruf“ zu einem lebbaren Viereck zu erweitern – mit einem Platz für „Ich“.

In Griesheim laufen Projekte wie der StromsparCheck oder „Computer für alle“. Was macht sie besonders wertvoll?

Norbert Clausen: Diese Projekte wirken über die Teilnehmenden hinaus. Der StromsparCheck hilft einkommensschwachen Haushalten beim Energiesparen und vermittelt sogar Zuschüsse für neue Kühlgeräte oder Balkonkraftwerke. „Computer für alle“ bietet günstige gebrauchte Geräte, damit jeder am digitalen Leben teilhaben kann. Ideal wäre es, das Angebot durch Einsteigerkurse zu ergänzen.

Wenn Jugendliche oder Langzeitarbeitslose erstmals zu Ihnen kommen: Was brauchen sie am meisten?

Norbert Clausen: Am wichtigsten ist, zuzuhören und die Menschen ernst zu nehmen. Viele brauchen zudem eine neue Perspektive, die sie aus ihrem gewohnten Kreislauf herausführt. Besonders beeindruckend finde ich die Energie junger Frauen, die trotz enormer Belastung alles daransetzen, ihr Leben eigenständig zu meistern.

Welche Bedeutung hat das Thema Würde für Ihre Arbeit?

Norbert Clausen: Die Würde ist zentral. Sie wird nicht in Gesetzestexten sichtbar, sondern im täglichen Miteinander – wie wir Menschen begegnen, sie ansehen, sie annehmen. Genau da entscheidet sich, ob wir die Würde anderer achten.

Welche Rolle spielt Kirche in sozialen Arbeitsprojekten wie der Initiative Arbeit?

Norbert Clausen: Unsere Projekte sind konkrete, lebendige Erscheinungsformen von Kirche mitten im Alltag. Dort, wo wir Menschen mit ihren Bedürfnissen wahrnehmen und begleiten, wird Diakonie greifbar. Kirche muss hier präsent sein – nicht nur am Sonntag, sondern mitten im Leben.

Gab es zuletzt eine Begegnung, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Norbert Clausen: Eine Teilnehmerin erzählte, dass sie mit ihren beiden Töchtern in einer Zweizimmerwohnung lebt – Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer in einem Raum. Solche Schilderungen gehen unter die Haut. Gleichzeitig erlebe ich auch strahlende Augen: etwa von einer Frau, die so viel Selbstvertrauen gewann, dass sie heute Personalerin ist, oder von einer anderen, die Sozialpädagogik studiert, um zurückzugeben, was sie erfahren hat.

Was wünschen Sie sich für die kommenden Jahre – von Politik, Kirche und Gesellschaft?

Norbert Clausen: Ich wünsche mir, dass wir als Gesellschaft den Menschen sehen – nicht nur die Leistung. Dass soziale Träger finanziell so ausgestattet sind, dass sie ihre wertvolle Arbeit zuverlässig leisten können. Dass Lebenssicherung selbstverständlich ist. Und dass Politik und Kirche hier Vorbild und gestaltende Kraft sind.

 

Zur Website der Initiative Arbeit

Zum Audiobeitrag "Eine Chance für einen neuen Job: Initiative Arbeit"

Die Interview Reihe

Mehr Interviews und Beiträge aus der Reihe „Die Frohe Botschaft“ finden Sie unter: www.bistummainz.de/glaube/frohe-botschaft
Wenn Sie selbst eine Idee für ein Thema haben, schreiben Sie uns gerne an diefrohebotschaft@bistum-mainz.de