Interview mit Sina Müller-Cunradi, Geschäftsführerin bei Grünewald * Baum Bestattungen aus Mainz.
Guten Tag, stellen Sie sich doch einmal kurz vor, damit unsere Leserinnen und Leser wissen, wer Sie sind.
A: Guten Tag, mein Name ist Sina Müller-Cunradi. Ich bin Geschäftsführerin bei Grünewald * Baum Bestattungen aus Mainz, 40 Jahre alt und lebe mit meinen beiden Söhnen in Rheinhessen.
Sie sind Bestatterin. Wie kamen Sie zu dem Entschluss, dass das der richtige Beruf für Sie ist?
A: Diese Geschichte ist wohl etwas außergewöhnlich: Ich bin Betriebswirtin und habe viele Jahre in der Wirtschaft gearbeitet. 2014 verstarb sehr überraschend mein Mann Tobias und ich habe mich, geprägt durch meine eigenen Erfahrungen, einige Jahre später als Trauerbegleiterin ausbilden lassen, um ehrenamtlich Menschen in Trauer zu begleiten. Tod und Trauer sind seither privat ein absolutes Herzensthema.
Vor zweieinhalb Jahren hat ein Anruf dann mein Leben verändert: die Frage, ob ich Bestatterin werden und so meinen beruflichen und privaten Weg zusammenzuführen möchte, konnte ich nach einer Hospitation aus vollem Herzen mit ja beantworten. Seither habe ich das Glück, meine Berufung gefunden zu haben.
Abschied ist für Angehörige immer schwer. Was gibt den Bekannten und Verwandten Kraft in dieser schwierigen Zeit?
A: Die Tage zwischen Tod und Bestattung sind wertvoll, weil sich in ihnen das ganze Leben verdichtet. Der Umgang mit Abschied und Trauer in dieser Zeit ist sehr persönlich und individuell. Daher stellt sich immer die Frage, was jeder Einzelne und die Zugehörigen als Gemeinschaft brauchen. Nach unserer Erfahrung ist es im ersten Schritt wichtig, sich gut vom Verstorbenen zu verabschieden - das kann bei einer gemeinsamen Versorgung der Verstorbenen, am offenen oder geschlossenen Sarg und auch bei der Trauerfeier geschehen. Hier gehen wir sehr individuell auf die Wünsche der Angehörigen ein.
Für die Begleitung im privaten Umfeld ist es schön, wenn die Angehörigen echtes Mitgefühl und Hilfsbereitschaft erleben. Eine Umarmung, Zuhören, eine warme Mahlzeit oder zupackende Hände sind oft willkommen – am besten lässt es sich herausfinden, indem man Betroffene nach Ihren Wünschen und Bedürfnissen fragt.
Wenn Sie einmal an die letzten Jahre denken, was hat sich bei Beerdigungen geändert? Gibt es Riten, die sich stark geändert haben?
A: Wir haben in Deutschland noch starke Rituale rund um eine Beerdigung: wir tragen schicke, schwarze Kleidung, kondolieren am Grab, anschließend sitzen wir beim Leichenschmaus zusammen und erzählen vom Verstorbenen. Durch den Rückgang der kirchlichen Begleitungen brechen jedoch auch Riten weg.
Rituale und erlernte Abläufe geben vielen Menschen Halt – oder engen sie ein. Daher sollte jede Familie für sich – am besten bereits vor dem Tod, mitten im Leben - überlegen, welche Rituale für sie passend sind. Möglichkeiten bieten sich hier z.B. bei der Bemalung von Särgen und Urnen, mit Kerzen- oder Fotoritualen bei der Trauerfeier oder mit der individuellen Gestaltung.
Viele gehen ja bei einer Beerdigung von einer Erdbestattung aus. Können Sie uns eine grobe Einschätzung geben, welche Arten der Bestattung wie oft durchgeführt werden und welche Überlegungen zur Bestattungsart eine entscheidende Rolle spielen?
A: Die Zahl der Erdbeisetzungen ist in den vergangenen Jahren rückläufig. In unserer Begleitung machen diese derzeit noch ca 20-25% der Beisetzungen aus. Die meisten Menschen entscheiden sich mittlerweile für eine Feuerbestattung mit Einäscherung im Krematorium und anschließender Urnenbeisetzung.
Während Särge ausschließlich auf dem Friedhof beerdigt werden können, besteht bei einer Urnenbeisetzung die Wahl zwischen Friedhöfen, eigens dafür vorgesehenen Wäldern, der See oder anderen individuellen Möglichkeiten. Hier ergibt sich folglich eine örtliche Flexibilität.
Die Angehörigen achten in diesem Zusammenhang auch immer wieder darauf, dass die Gräber für eine Urne kleiner sind und weniger Pflege bedürfen.
Auch zeitlich gibt es Unterschiede: Eine Beerdigung muss in Rheinland-Pfalz innerhalb von 10 Tagen durchgeführt werden. Bei der Einäscherung gilt die gleiche Frist, die Terminierung der Beisetzung ist dann aber flexibler möglich.
Auch hier gilt: die Entscheidung für eine Erd- oder eine Feuerbestattung muss zum Verstorbenen und den Angehörigen passen.
Vielen Dank für diesen kurzen Einblick in Ihre Arbeit. Wenn Sie möchten, können Sie gerne noch eine kleine Anekdote teilen, die Ihnen in Ihrer bisherigen Laufbahn besonders in Erinnerung geblieben ist.
A: Wir versuchen mit unserer Arbeit, den Tod zurück in unser Leben zu holen, damit die Angehörigen sich bewusst verabschieden können. Daher fallen mir bei dieser Frage immer wieder Augenblicke von intensiven Momenten mit dem Verstorbenen ein:
ein letztes Mal die Mutter oder den Vater oder das einzige Mal das neugeborene Sternenkind waschen und anziehen und dabei die Liebe spüren; getragen von der Leichtigkeit der Kinder den Sarg liebevoll bemalen; die Urne selbst zur Grabstelle im Wald tragen, so wie es der Vater früher mit der Tochter beim sonntäglichen Waldspaziergang gemacht hat.
Aber es sind nicht nur diese bewegenden Momente, sondern auch lustige Anekdoten über die Verstorbenen, das Ausgehen von Kerzen in komischen Momenten und lustige Notizen im zurückgelassenen Geldbeutel für die Kinder, die jeden Tag zu etwas besonderem machen.