Die Gäste waren vom 23. bis 29. April im Kloster Jakobsberg in Ockenheim untergebracht und schilderten jeden Vormittag Schülerinnen und Schülern ihre Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Die zwischen 83 und 97 Jahre alten Zeitzeug*innen waren in ihrer Kindheit und Jugend in dem Internierungs- und Arbeitslager Lebrechtsdorf-Potulitz, im Ghetto Sambor, im Ghetto Litzmannstadt, in den Konzentrationslagern Auschwitz, Groß-Rosen und Flossenbürg sowie dem „Jugendverwahrlager Litzmannstadt“ inhaftiert. Außerdem war Dorota Nowakowska zu Gast, die Tochter des Auschwitz-Überlebenden Jacek Zieliniewicz. Sie erzählt die Geschichte ihres Vaters und setzt damit sein Engagement als Zeitzeuge fort.
An den Gesprächen nahmen insgesamt rund 800 Schülerinnen und Schüler der Maria Ward Schule Mainz, des Elisabeth-Langgässer-Gymnasiums Alzey, der Rochus-Realschule Bingen, der IGS Ingelheim, des Sebastian-Münster-Gymnasiums Ingelheim, des Gymnasiums am Römerkastell Alzey, der Hildegardisschule Bingen, der Berufsbildende Schule Ingelheim, des Gymnasiums am Römerkastell Bad Kreuznach und der IGS Nieder-Olm teil.
Zum ersten Mal zu Gast im Bistum Mainz war Dr. Leon Weintraub. Er wurde 1926 in Łódź in Polen geboren. Nachdem er zunächst mehrere Jahre mit seiner Familie im Ghetto Litzmannstadt eingesperrt war, wurde er in die Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, Groß-Rosen, Flossenbürg und Natzweiler-Struthof verschleppt. Nach dem Krieg studierte er in Göttingen Medizin, ging dann zurück nach Polen, wo er als Oberarzt in der Gynäkologie tätig war. Als 1968 aufgrund des zunehmenden Antisemitismus seine Berufsausübung eingeschränkt wurde, wanderte er mit seiner Familie nach Schweden aus.
Bei einer öffentlichen Abendveranstaltung im Weiterbildungszentrum Ingelheim am Dienstag, 26.4., erzählte Dr. Weintraub vor rund 70 Besucher*innen im Gespräch mit Autor Reiner Engelmann von seinem Schicksal.
Henriette Kretz, Holocaust-Überlebende aus Antwerpen, war während der Woche nicht nur am Vormittag, sondern auch an zwei Nachmittagen an Schulen und am Mittwoch, 27.4., an der Uni Mainz als Zeitzeugin im Einsatz. Bei dem vom Polonicum Mainz organisierten Gespräch im Hörsaal N3 sprach sie vor 120 Besucher*innen.
Anlässlich der 22 Jahre, die die Zeitzeugenbesuche im Bistum Mainz nun schon durchgeführt werden, und des 50jährigen Jubiläums des Maximilian-Kolbe-Werks lud die Geschäftsstelle Weltkirche, Gerechtigkeit und Frieden am Donnerstag, 27. April zu einer Feierstunde mit Gästen aus beteiligten Schulen, ehemals mitarbeitenden Zivildienstleistenden, ehrenamtlichen Teamer*innen und Übersetzer*innen, Kooperationspartner*innen und natürlich den angereisten Zeitzeug*innen ein. Einen Bericht zu dieser Veranstaltung mit Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz gibt es hier (Link).
Begleitet wurde die Begegnungswoche von der Ausstellung "Den Zeitzeugen ein Gesicht geben" der Kunstpädagogin Bernadette Boos. Der innovative Ansatz, Jugendlichen biografische Zugänge in der historisch-politischen Bildung über Graffiti zu vermitteln, bietet eine Form der Auseinandersetzung, die unabhängig ist von der unmittelbaren Begegnung mit Zeitzeug*innen, die ja in Zukunft nicht mehr möglich sein wird. Damit weist die Arbeit von Frau Boos Wege auf, wie Bausteine der zukünftigen Erinnerungsarbeit aussehen können. Die Ausstellung im Saal St. Bonifatius des Kloster Jakobsberg fand bei den Schüler*innen reges Interesse.
Die Begegnungswoche stieß auch bei den Medien auf großes Interesse. So filmte an einem Vormittag die SWR Abendnachrichten, am nächsten Tag die SWR Landesschau ein Zeitzeugengespräch und berichteten darüber. Auch das SWR Radio war vertreten, ebenso die Katholische Nachrichtenagentur.
Die Woche war geprägt von schönen Begegnungen und einem tollen Wiedersehen vieler Menschen, die mit den Zeitzeugenbesuchen eng verbunden sind. Es ist diese Gemeinschaft - genauso wie die große Resonanz bei den Schüler*innen - die die Überlebenden immer wieder motiviert, ins Bistum Mainz zu kommen und zu erzählen.