Ohne Vorbehalt und ohne Sorge

Datum:
Mo. 9. Aug. 2021
Von:
Eva Reuter/ hr1 Zuspruch, 9.8.2021

„Ohne Vorbehalt und ohne Sorge lege ich meinen Tag in deine Hand“ – so beginnt ein Gebet der Heiligen Edith Stein oder „Theresia Benedicta vom Kreuz“, wie sie nach dem Eintritt in den Orden hieß. Dieses Gebet fällt mir ein, wenn ich heute an ihrem Todestag an diese inspirierende Frau denke.

Edith Stein wurde 1891 als Tochter einer jüdischen Familie in Breslau geboren. Sie studierte Philosophie in verschiedenen deutschen Städten. Im Ersten Weltkrieg war sie Krankenschwester beim Roten Kreuz. Mit 30 Jahren hat sie die Biografie der Heiligen Theresia von Avila gelesen – einer bedeutenden Ordensfrau und Mystikerin des 16. Jahrhunderts. Das war ein Wendepunkt in ihrem Leben: Edith Stein hat sich dem katholischen Glauben zugewandt und wurde 1922 in Bad Bergzabern getauft.

Sie hat in einer sehr unruhigen Zeit gelebt, die sie wach beobachtet hat. Sie war eine Suchende, und sie fand Gott neu im katholischen Glauben. In einem ihrer vielen Briefe schreibt sie: „Es hat mir immer sehr fern gelegen, zu denken, dass Gottes Barmherzigkeit sich an die Grenzen der sichtbaren Kirche binde. Gott ist die Wahrheit. Wer die Wahrheit sucht, der sucht Gott, ob es ihm klar ist oder nicht.“ (ESGA 3, Brief 542).

"Sie war eine Frau"
Ich bewundere Edith Stein, weil sie sich trotz allem nicht von ihrem Weg abbringen ließ. Sie war hochgebildet, promoviert, und ihre Zulassung zur Habilitation als Professorin scheiterte viermal an einem einzigen Faktum: Sie war eine Frau. Das hat sie aber nicht davon abgehalten, weiter zu forschen und wissenschaftliche Texte zu publizieren.

Sie hat ihr öffentliches Wirken auch nicht eingestellt, als sie nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 als geborene Jüdin und bekennende Katholikin gleich doppelt ins Visier der NS-Ideologen geriet.

Es wird berichtet: Sie hat viel gebetet, schon bevor sie 1933 in den Orden der Karmeltinnen eingetreten ist. Sie hat Gott alle ihre Sorgen anvertraut - um ihr persönliches Leben, das Schicksal des jüdischen Volkes, die Zukunft Deutschlands, den Frieden in Europa und vieles andere. Im Gebet hat sie ganz offenbar Frieden, Klarheit und eine innere Gewissheit über ihren Weg gefunden. 1942 wurde sie nach Ausschwitz deportiert und am 9. August ermordet.

In ihrem Gebet spricht sie voll Vertrauen zu Gott:

„Frag mich nicht nach meinen Sehnsuchtswegen, 

Bin aus Deinem Mosaik ein Stein.

Wirst mich an die rechte Stelle legen,

Deinen Händen bette ich mich ein.“

Die Brückenbauerin
Wir leben heute in einer Zeit, in der es viele Verunsicherungen gibt. Mich inspiriert Edith Stein, weil ich auch auf der Suche bin. Ich suche nach Antworten auf die Herausforderungen in der Gesellschaft. Die Spaltung überwinden, das Klima retten, Frieden und Demokratie und Toleranz stark machen – so viele große Herausforderungen. Edith Stein ist die Herausforderungen ihrer Zeit mit Gelassenheit und Gottvertrauen angegangen. Deshalb ist diese Frau ein gutes Vorbild, auch als Brückenbauerin zwischen den Religionen. Hartnäckig und voll Gottvertrauen – so möchte ich leben – mindestens heute.

Beitrag auch zum Nachhören auf hr1