Am 16. April 1521 war die ganze Stadt in heller Aufregung. Seit Monaten bereits waren der noch blutjunge Kaiser Karl V. und sein Gefolge in der Stadt, seit Januar tagte wieder einmal ein Reichstag in Worms. Aber sowas war man hier ja gewohnt. Was die Stadt an diesem Tag in Aufruhr versetze, war die Ankunft des längst berühmten Dr. Martin Luther. Ein Professor aus Wittenberg, der sich mit dem Papst und der ganzen Kirche angelegt hatte, den der Papst bereits als Ketzer verurteilt und mit dem Bann belegt hatte. Gebannt verfolgte man die Berichte schon über seine spektakuläre Anreise. Unterwegs war er überall von Anhängern gefeiert worden, hatte fulminante Predigten gehalten. In Frankfurt war er bereits, dann in Oppenheim. Von hier sollte er nun, begleitet vom Reichsherold, in Worms ankommen, um hier vor Kaiser und Reichstag Rechenschaft abzulegen.
Am 16. April schließlich kam er in Worms an. Sein Einzug, durch die Martinspforte, vorbei an der Kirche, wo man damals noch das Gefängnis zeigte, in dem sein Namenspatron, der heilige Martin einst vom römischen Kaiser eingekerkert war, glich einem Triumphzug. Der päpstliche Delegat und die Vertreter der katholischen Kirche waren entsetzt. Einen Tag später, am 17. April schließlich, sollte Luther vor dem Reichstag erscheinen. Man hatte vor ihm alle seine Bücher und Schriften aufgetürmt. Er solle bestätigen, dass er das geschrieben habe und dann seine gegen die Kirche und vom Papst verurteilte Lehren widerrufen. Martin Luther war überrascht und enttäuscht. Er war doch nach Worms gekommen, um hier über seine Thesen zu disputieren, seine Lehre zu erklären. Aber dazu wollte man ihm keine Gelegenheit geben. Er erbat Bedenkzeit, die ihm gewährt wurde.
Am Tag darauf geleitet man Luther abermals in den Bischofshof, wo der Kaiser und die Fürsten des Reiches versammelt sind. Er hält eine vorbereitete Rede, die Eindruck hinterlässt, beim Kaiser und bei vielen der Versammelten. Er endet mit den Worten: “Wenn ich nicht mit Zeugnissen der Schrift oder mit offenbaren Vernunftgründen besiegt werde, so bleibe ich von jenen Schriftstellen besiegt, die ich angeführt habe, und mein Gewissen bleibt gefangen in Gottes Wort. Denn ich glaube weder dem Papst noch den Konzilien allein, weil es offenkundig ist, dass sie öfters geirrt haben und sich selbst widersprochen haben. Widerrufen kann und will ich nichts, weil es weder sicher noch heilsam ist, etwas gegen sein Gewissen zu tun. Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen!” Auch wenn die berühmten Worte „Hier stehe ich…“ wohl nicht vor dem Kaiser gesagt wurden, wohl aber rasch in Flugblättern auftauchen, die Luther selbst autorisiert hat, so entsprechen Sie doch dem, was Luther gesagt hat und der Wucht seines Auftritts. Auch der Kaiser nimmt sich Bedenkzeit, bevor er schließlich seine Entscheidung verkündet – denn auch seine Entscheidung ist zweifellos eine echte Gewissensentscheidung für den jungen Regenten. Am Ende einer längeren Rede verkündet der Kaiser am folgenden Tag: “Es ist sicher, dass ein einzelner Bruder irrt, wenn er gegen die Meinung der ganzen Christenheit steht, da sonst die Christenheit tausend Jahre oder mehr geirrt haben müsste. (...) Nachdem wir gestern die Rede Luthers gehört haben, sage ich Euch, dass ich bedaure, so lange gezögert zu haben, gegen ihn vorzugehen. Ich werde ihn nie wieder hören. Er habe sein Geleit! Aber ich werde ihn fortan als notorischen Ketzer betrachten und hoffe, dass ihr als gute Christen gleichfalls das Eure tut.” Am 26. April verlässt Luther die Stadt; in der Nähe von Eisennacht wird er schließlich zum Schein überfallen und auf die Wartburg in Sicherheit gebracht.
Das Jubiläum in Worms
Viel ist geplant, um dieses außergewöhnliche Ereignis in Worms entsprechend zu würdigen: Ausstellungen, die Nibelungenfestspiele, die ausnahmsweise nicht die Nibelungen, sondern Luther lebendig werden lassen, Konzert, Vorträge, Events. Ein umfangreiches Programm ist gedruckt und liegt auch in unseren Kirchen aus. Am 16. April wird es in Worms einen Festakt mit dem Bundespräsidenten geben, am 17. April ist auf dem Marktplatz und an der Fassade der Dreifaltigkeitskirche um 23 Uhr eine Multimedia-Inszenierung geplant: „Der Luther-Moment“. Am 18. April schließlich wird um 9:30 Uhr ein Gottesdienst aus der Magnuskirche live im ZDF übertragen. Was wie und unter welchen Bedingungen darüber hinaus stattfinden kann, hängt von der jeweiligen Entwicklung der Pandemie ab. Aktuelle Informationen finden Sie unter:
Unsere katholischen Beiträge zum Jubiläum
Die Ereignisse in Worms vor 500 Jahren haben die ganze Christenheit und letztlich auch die katholische Kirche verändert. Deshalb gedenken auch wir dieses Jubiläums und bringen uns mit eigenen Programmpunkten ein:
Ausstellung mit Lutherbildern von Harald Birck im Dom St. Peter, Worms
10. April bis 13. Juni
(geöffnet: Mo-Fr 9:00 bis 17:45; Sa 9:00-17:30 Uhr und So 13:00 bis 17:45 Uhr)
Mit dem Auftrag, eine Lutherstatue für ein Hotel in Wittenberg zu gestalten, hat alles angefangen. Harald Birck, in Berlin ansässiger bildender Künstler, arbeitete sich daraufhin über die Jahre regelrecht ab an der vielschichtigen Persönlichkeit des Reformators Martin Luther. Mal vertraut, mal eher fremd, mal melancholisch, mal streitbar: so kommt Luther in seinen Bildern, Zeichnungen, Büsten und Skulpturen uns entgegen. Texte vermitteln gleichzeitig Wissenswertes, Vergnügliches, Alltägliches und Hochpolitisches rund um den Reformator.
Die Ausstellung im Wormser Dom ist ein Beitrag der katholischen Kirche und der Domgemeinde zum Reichstagsjubiläum. Martin Luther, der als vom Papst Gebannter 1521 den Wormser Dom nicht betreten durfte, lädt nun über diese Ausstellung ein zur Begegnung und Auseinandersetzung mit seiner Person und mit seinem Bild über die Jahrhunderte.
Ausstellungseröffnung: Freitag, 9. April, 19:00 Uhr im Dom (digital)
Von unerschrockenen Worten
Sonntag, 25. April, 12:00 Uhr
Der Spaltung vor 500 Jahren wollen wir ein Zeichen unseres Willens zu Versöhnung und Einheit entgegensetzen. So wie Wormser Christen verschiedener Konfessionen bereits vor 50 Jahren im „Wormser Memorandum“ ein Zeichen der Ökumene gesetzt haben, soll in diesem Gottesdienst formell eine ACK Worms und Umgebung („Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen“) gegründet werden. Zahlreiche christliche Gemeinden und Konfessionen haben sich hierzu zusammengefunden.
Reichstag – Reichsstadt – Konfession:
Worms 1521
Freitag, 18. Juni 13:00 Uhr bis Samstag, 19. Juni 2020 15:00 Uhr
im Haus am Dom (Domplatz 3) Worms
Unterschiedliche Referent*innen beleuchten im Rahmen eines wissenschaftlichen Symposiums die Zusammenhänge rund um den Reichstag: Was ist überhaupt ein Reichstag? Wie ist das Verhältnis von Reichstag und Reichsstadt? Der Reichstag von 1521 wird intensiver betrachtet, aber auch die Konfessionalisierung und die Rolle der Jesuiten in Worms, die Entwicklung im 17. und 18. Jahrhundert. Ein weiterer Schwerpunkt bildet auch das „Wormser Memorandum“, mit dem evangelische und katholische Christen gemeinsam schon 1971 zur 450-Jahrfeier des Reichstagsjubiläums den Papst um die Aufhebung des Lutherbannes gebeten haben.
Zur Teilnahme ist eine Anmeldung erbeten unter: kirchengeschichte@bistum-mainz.de
Der Wormser Reichstag 1521, die Causa Lutheri und der Anfang vom Ende der Einheit der Kirche
Freitag, 18. Juni, 19:00 Uhr im Dom St. Peter, Worms
Referent: Prof. Dr. Volker Leppin, Tübingen