Impuls: Ruhe vor dem Sturm

Boot (c) jamie-morrison-rTEZKWgnEjM-unsplash
Boot
Datum:
Di. 24. März 2020
Von:
Pfarrer Jürgen Janik, Katholische Klinikseelsorge Universitätsmedizin Mainz

Schutzmasken werden geliefert und weggeschlossen. „Hektik hilft auch nicht weiter“, heißt es auf der Intensivstation. Die Pflegekräfte, die Ärzt*innen bereiten sich auf die zu erwartenden Patient*innen in den nächsten Tagen vor. Gespannte Ruhe auch auf den Gängen und nachdrückliche Hinweise zur Sicherstellung der nötigen Hygiene. Es herrscht Ruhe vor dem Sturm.

 

Was kommt da auf uns zu und wie können wir als Seelsorger*innen Unterstützung und Begleitung anbieten? Wir wollen nicht im Weg stehen, nicht zusätzlich gefährden, aber doch niemanden allein lassen, der unsere Hilfe braucht.

Ich denke an das biblische Bild vom Sturm auf dem See und von dem Boot mit den ängstlichen Jüngern und dem schlafenden Jesus (Mk 4, 35 – 41).

Jetzt sitzen wir alle im selben Boot. Manche scheinen es nicht begreifen zu wollen. Immer noch heißt es, dass die Grippewellen jedes Jahr doch viel mehr Opfer fordern würden. Auch das ist schlimm. Doch das kann jetzt keine Rechtfertigung sein für Verharmlosung und unvorsichtiges Verhalten! Wir sitzen alle im selben Boot der Verunsicherung, die wir persönlich erleben und die unsere Umgebung erfasst hat. Wir sitzen alle im selben Boot, in das die Infektionswellen hineinschlagen werden. Wir spüren das heftige Rudern der Verantwortlichen, was am besten zu tun ist und das täglich neue Bemühen, auf dem bestmöglichen Überlebenskurs zu bleiben. Uns bleibt mitzuhelfen, kontinuierlich das Wasser der Angst, egoistischen Hortens und unbelehrbarer Besserwisserei aus dem schwankenden Boot zu schöpfen, damit es nicht kentert.

Mitten im Sturm schläft Jesus. Wie oft höre ich diese Klage am Kranken- und am Sterbebett: „Warum spüre ich IHN jetzt nicht? Warum ist er so fern?“ Der Glaube, der ein Leben lang getragen hat, wird auf die Probe gestellt. Gott wird vermisst.

Dieses Vermissen Gottes teile ich immer wieder. Doch zugleich bin ich überzeugt: Gott ist da, wenn auch oft im „Modus der Abwesenheit“ (Hans-Joachim Höhn). Das glaube ich und das möchte ich durch mein Dasein als Seelsorger, als Christ, spürbar werden lassen. Ja, ich glaube an die Nähe und Güte Gottes trotz allem, was diesen Glauben ins Schwanken bringen kann. Ich wage zu sagen: ich glaube stellvertretend für alle, die suchen, fragen, zweifeln.

Die ängstlichen Jünger wecken Jesus auf. Das möchte ich nicht tun. Vielmehr möchte ich mir die Haltung Jesu schrittweise zu eigen machen, der im Hin- und Hergeworfen-Sein dennoch in Gott ruhen kann – im Auge des Sturms.

Aus diesem Vertrauen heraus das Unsere zu tun, im Heute zu leben und das Ziel nicht aus dem Blick zu verlieren, dass es ein Leben nach dem Virus geben wird, dazu möchte ich ermutigen.