„Ich habe dieses Haus erwählt und geheiligt, damit mein Name hier sei auf ewig“ Jüdische Symbole im Stuck der Mainzer St. Ignaz - Kirche

Gedanken zum 9. November von Franz-Rudolf Weinert

Mainz St Ignaz (c) Bistum Mainz | AnSchermuly
Mainz St Ignaz
Datum:
Di. 9. Nov. 2021
Von:
Professor Dr. Franz-Rudolf Weinert

Ein Tag voller Gedenk - Ereignisse ist der 9. November. Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer, endete die Spaltung Deutschlands. Am 9. November 1938 begann die Verfolgung jüdischer Mitbürger in unserem Land. In der sogenannten „Reichskristallnacht“ wurden fast alle ihre Gotteshäuser zerstört. Am 9. November 324 weihte Papst Silvester die Lateranbasilika, die Bischofskirche des Papstes in Rom. Sie trägt bis heute den Titel: „Mutter und Haupt aller Kirchen des Erdkreises.“ Auch die im Herzen der Mainzer Altstadt gelegene Ignaz-Kirche hält eine Erinnerung wach: an den Jerusalemer Tempel. 

Monstranz (c) A Bertram
Monstranz

Im hinteren Teil des Gotteshauses stehend, nimmt man zunächst die zahlreichen Stuckornamente in den Fensterleibungen wahr. Es sind Darstellungen von Gegenständen für den Gottesdienst der Kirche: Weihrauchfass, Klingelbeutel, die Mitra des Bischofs, Blasiuskerzen und Vieles mehr. 

Kann man diese Ornamentik in einer katholischen Kirche erwarten, ist man überrascht, dort auch eine Fülle kultischer und heilsgeschichtlicher Gegenstände des ehemaligen Jerusalemer Tempels zu entdecken. 

Die kultischen Symbole

Der Räucheraltar (c) F Haberberger
Der Räucheraltar

In der Vierung der Kirche stehend, erblickt man im linken Querhaus (links beginnend) den Räucheraltar, der einst unmittelbar vor dem Eingang des Jerusalemer Tempels stand. Zu Tagesbeginn und beim Sinken der Sonne brachte man dort das Brandopfer dar und verband die rituelle Handlung mit dem Segen für den Tag und um den Schutz in der Nacht. 

Das Meer (c) F Haberberger
Das Meer

Das "Meer" oder „Eherne Becken“ ließ König Salomo im Tempelvorhof als Reinigungsbecken aufstellen. Es war rund, aus Bronze gegossen, fünf Ellen hoch und hatte einen Durchmesser von zehn Ellen (= 5 m). Die mächtige Schale ruhte auf zwölf ehernen Rinderfiguren, von denen je drei in eine Himmelsrichtung blickten. Das Meer diente für die Waschungen; was zum Brandopfer gehörte, sollte man darin abspülen.

Die Wasserkrüge (c) F Haberberger
Die Wasserkrüge

Auch steinerne Wasserkrüge standen zur rituellen Reinigung bereit; im Johannesevangelium werden sie bei der Hochzeit zu Kana erwähnt: „Es standen dort sechs steinerne Wasserkrüge, wie es den Reinigungsvorschriften der Juden entsprach, jeder fasste ungefähr 100 Liter.“ (Joh 2,6).

Brustschild und Kopfbedeckung des Hohenpriesters (c) A Bertram
Brustschild und Kopfbedeckung des Hohenpriesters

Zum jüdischen Tempelkult gehörten die Tempelpriester. Der Hohepriester trug auf dem „Efod“, der kostbaren Oberbekleidung, das Brustschild, das mit zwölf Perlen besetzt war und an die zwölf Stämme Israels erinnerte. Auch der Stirnreif („Ziz“) und die Kopfbedeckung („Miter“), über dem Brustschild dargestellt, erinnern an die Tempelpriester, die stellvertretend für das Volk Opfer darbrachten und als Mittler zwischen Gott und Mensch eintraten. Dass sie die Heiligkeit des Volkes Israel zu erkennen geben sollten, wurde symbolisch an dem goldenen Stirnreif deutlich, auf dem die Worte standen "Kaddesch Jahwe" - "DEM HERRN GEHEILIGT", bzw. „Heilig dem Herrn“. 

Die heilsgeschichtlichen Symbole

Menora mit Schaubrottisch (c) A Bertram
Menora mit Schaubrottisch

Im rechten, südlichen Querhaus (links beginnend) erkennt man die Zeichen, die an die Heilsgeschichte des Volkes Israel erinnern. Der siebenarmige Leuchter, die Menora, ist das älteste Symbol des Judentums. Das Licht des goldenen Leuchters gehörte bereits zur Ausstattung im Zelt der Offenbarung, in der Stiftshütte und später auch im Tempel Salomos und Esras. Im Tempel musste das Licht des Leuchters ununterbrochen mit Öl gespeist werden, damit es Tag und Nacht für Gott brannte; der Leuchter verwies so auf Israels ständigen Opferdienst.

 

Der Leuchter stand auf dem Schaubrottisch. Die zwölf Schaubrote waren Brote, die zu den ebenfalls im Tempel dargebrachten Opfern gehörten und als Gabe für Gott gedacht waren. Es, waren ungesäuerte, mit Weihrauch bestreute Brote, die mit dem Anbruch eines jeden Sabbats im Tempel auf einem mit Goldblech überzogenen Tisch gelegt wurden, der im Heiligtum gegenüber der Gesetzeslade stand. 

Die Gesetzestafeln, der Kupferstab mit Schlange (c) A Bertram
Die Gesetzestafeln, der Kupferstab mit Schlange

Die Gesetzestafeln stehen für die 10 Gebote, den Dekalog, den Bund Gottes mit seinem Volk. Selbst ein ursprüngliches Götzenbild wie der Kupferstab mit der Ehernen Schlange konnte zu einem Zeichen werden, dass Gott den Israeliten einst Rettung und Heil geschenkt hatte. Auf dem Wüstenzug wurden viele Israeliten zur Strafe für ihre Auflehnung gegen Gott und Mose von Giftschlangen gebissen. Diejenigen blieben trotz Schlangenbiss am Leben, welche zu der von Mose auf Jahwes Geheiß hin angefertigten, auf einer Signalstange erhöhten Kupferschlange blickten (Num 21,4-9).

Gemeinsames Erbe 

Die Bundeslade (c) A Bertram
Die Bundeslade

An der südlichen Wand des Altarraumes ist die Bundeslade zu sehen, das Zeichen der Nähe Gottes. In ihr befand sich der immergrüne Stab Aarons, die Gesetzestafeln und das Mannagefäß. Man erkennt die eckige Kastenform der Lade, dahinter zwei Tragestangen. Über der Bundeslade zwei geflügelte Cherubim, deutlich ist das perlenartige Manna zu erkennen.

Die Stuckornamentik entstand in der Zeit der Aufklärung, die offenbar sehr genau um das Judentum, den „älteren Bruder“ wusste. Natürlich sind die Zeichen auch im Stil der Typologie zugeordnet, die Betrachtungsweise, die Altes und Neues Testament als Entsprechung in Beziehung setzt. Die Signalstange beispielsweise hat eine Entsprechung im Kreuz, wie es schon das Johannesevangelium tut. Die Bundeslade wird in christlicher Deutung zum Sinnbild (Typos) für die Gegenwart Christi in der Eucharistie; deshalb ist über der Bundeslade auch die Monstranz mit der Hostie zu sehen. 

Dreiecksgiebel mit Tetragramm

Steht man wieder vor der Fassade der Kirche, so entdeckt man in einem Dreieck das hebräische Tetragramm „JHWH“, die vier Konsonanten des Gottesnamens „HERR“. Dieser Gottesname, so bestätigte mir ein evangelischer Pfarrer, war während der NS - Zeit zugemauert! Nichts sollte damals an das Jüdische erinnern. Nach dem Krieg wieder freigelegt und nach der Renovierung der Kirche im Jahr 2019 erstrahlt der Gottesname heute wieder in hellem Gold. 

 

Im Buch der Chronik heißt es, -und diese Stelle hören Christen auch in ihrem Gottesdienst am 9. November: „So spricht Gott, der Herr: Ich habe dieses Haus erwählt und geheiligt, damit mein Name hier sei auf ewig“ (2 Chr 7,16 = Vers zum Halleluja). 

Portal Mainz St Ignaz (c) Bistum Mainz | AnSch
Letztes Abendmahl (c) F Haberberger
Letztes Abendmahl

Unter dem Dreiecksgiebel ist eine Darstellung des Letzten Abendmahls zu sehen, sowie das Monogramm IHS, die drei ersten Großbuchstaben des griechischen Namens Jesus. Die Botschaft lautet: Hier ist das Haus Gottes unter den Menschen, ein heiliger Ort, der Tempel Gottes, die Kirche, in dem Christen heute vor allem das christliche Paschamahl, die heilige Eucharistie feiern und durch die Begegnung mit dem Sohn Gottes selbst zum „Tempel des Heiligen Geistes“ werden.