In diesem Jahr fällt das Fest „Kreuzerhöhung“ auf einen Sonntag und verdrängt liturgisch den 24. Sonntag Im Jahreskreis (C).Der Ursprung dieses Festes liegt in der feierlichen Weihe der Jerusalemer Grabeskirche am 13. September 335. Am Tag nach der Kirchweihe, am 14. September, wurden dem Volk Reste des wahren Kreuzes Christi, das der Überlieferung nach Kaiserin Helene einige Jahre vorher entdeckt hat, gezeigt („erhöht“).
Das Fest Kreuzerhöhung, das wir heute feiern, richtet unseren Blick auf das Kreuz Christi und seine Bedeutung für unseren Glauben und unser Leben.
Das Kreuz war ursprünglich ein Instrument zur Hinrichtung von Verbrecher. Kein Wunder also, dass die Religion des Kreuzes von Anfang an Ärgernis erregt hat und auf Widerstand gestoßen ist.
Das Kreuz Christi war für die Menschen, denen die Apostel die Botschaft Christi verkündet haben, eine Provokation. Paulus hat seine Erfahrungen in die Worte gefasst: „Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ (1Kor 1, 22-24).
Das Kreuz Christi passt nicht zu den Vorstellungen, die Menschen sich über Gott und Religion machen. Wenn es einen Beweis gibt, dass das Christentum nicht von Menschen erfunden wurde, dann mit Sicherheit dieser: Eine Kreuzesreligion erfinden die Menschen nicht.
Dass das Kreuz zum Segen werden kann, diese Wahrheit haben die Apostel auch nur sehr, sehr schwer begriffen. Und es dauerte lange, bis sie kapiert haben, was Jesus mit dem Kreuztragen gemeint hat.
Christus hat das Kreuz nicht gesucht; als er ihm aber begegnete, ist er ihm auch nicht ausgewichen. Im Leiden, das unausweichlich geworden war, hat er den Willen des Vaters erkannt und so nahm er das vor ihm liegende Kreuz tapfer auf seine Schulter und trug es geduldig bis hinauf auf Golgota.
Es gibt manches Leid in unserem Leben, das man vermeiden kann. Wir sollen und müssen auch alles tun, was in unseren Kräften liegt, um Not und Leid zu bekämpfen oder wenigstens zu lindern. Aber immer bleibt in unserem Leben ein Leiden zurück, das unvermeidlich ist, denn man nicht ausweichen kann. Auch die Fortschritte der Wissenschaft und Technik können Leiden und Tod nicht aus der Welt schaffen. Dieses unvermeidliche Leiden- das ist das Kreuz, dass wir nach Jesu Worten auf uns nehmen und tragen sollen.
Wir wissen nicht, warum das Leiden keinem von uns erspart bleibt. Wir dürfen aber darauf hoffen, dass Gott uns kein größeres Kreuz auferlegt, als wir tragen können.
Wir wissen nicht, warum wir leiden müssen, aber wir erfahren immer wieder, dass im Leiden auch eine Chance zur persönlichen Reifung liegt. Ein geistlicher Schriftsteller hat diese Wahrheit einmal so ausgedrückt: „Das Beste und Tiefste, was in einem Menschen schlummert, das wacht nicht auf in seinen guten Tagen, sondern in seinen sogenannten bösen Tagen, in Tagen des Drucks und der Not, in Tagen der Heimsuchung und der Prüfung. Da werden die Augen klarer, die Herzen weicher, die Hände tätiger.
In jedem Leid, das Gott uns sendet, liegt die Aufforderung: ‚Werde größer, werde freier, werde stärker, werde selbstloser, werde milder, werde reiner, wachse, Mensch, wachse!“ Große Kunstwerke haben nicht selten ihren Ursprung in leidvollen Erfahrungen ihrer Autoren. Es sind Künstler, die in der Auseinandersetzung mit ihrem Leiden unsterbliche Kunstwerke geschaffen haben.
Im Buch Judit steht der geheimnisvolle Satz: „Gott züchtigt seine Freunde, um sie zur Einsicht zu führen.“ (Jdt 8, 27). Vielleicht will Gott uns durch so manches Leid, dem wir begegnen, auch zu neuen Einsichten führen, die uns im Leben weiterbringen.
In unserem Leiden dürfen wir auf Jesus schauen, auf sein Kreuz und daraus Kraft schöpfen für unseren eigenen Lebensweg. Jesus geht durch Leiden und Tod. Doch am Ende steht nicht das Nichts, das schwarze Loch, die endgültige Sinnlosigkeit, sondern am Ende stehen das Leben und seine Vollendung im Reich Gottes. Das ist die österliche Perspektive, die uns geschenkt wird; die Perspektive, mit der wir auf das Kreuz Christi schauen sollen. Krankheit und Schmerz, Gewalt und Ungerechtigkeit, Enttäuschung und Angst, Not und Tod werden nicht das letzte Wort behalten, sondern die grenzenlose Liebe Gottes, die will, dass wir leben, ewig leben.
A m e n