Schmuckband Kreuzgang

Das Wort zum Sonntag

„Alle sollen eins sein“ - Text: Joh 17, 20-26

Pfarrer Karl Zirmer (c) Markus Schenk, Büttelborn
Pfarrer Karl Zirmer
Datum:
Sa. 31. Mai 2025
Von:
Pfarrer Karl Zirmer

Im Evangelium haben wir soeben einen Abschnitt aus einem Gebet gehört, das Jesus an den Vater richtet und in dem er nicht nur für die Jünger seiner Zeit betet, sondern ausdrücklich alle einschließt, die in späteren Zeiten an ihn glauben werden. Wörtlich heißt es im Evangelium: „Ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast“ (Joh 17,20f). 

Heute sind wir es, die in dieses Gebet eingeschlossen sind. Und das Anliegen Jesu ist klar: „damit sie alle eins sind, wie wir eins sind…“

Die zentrale Bitte im Gebet Jesu ist die nach Einheit – einer tiefen, geistlichen Einheit, die weit mehr ist als bloße Harmonie oder Übereinstimmung in Meinungen. Sie geht tiefer. Es ist nicht nur eine Frage der äußeren Harmonie, sondern der inneren Verbundenheit mit Gott und miteinander. Jesus erklärt, dass diese Einheit eine tiefgreifende Wirkung auf die Welt hat: „Damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast“. Die Welt, die von Spaltungen und Konflikten geprägt ist, kann an der Einheit der Christinnen und Christen erkennen, dass in Jesus etwas Anderes, Größeres verborgen liegt. Diese Einheit zeigt, dass der Glaube an Jesus eine Gemeinschaft schafft, die über alle menschendefinierten Unterschiede hinausgeht. 

Bei seiner Amtseinführung am 18.Mai 2025 hat der neue Papst Leo XIV. die Einheit der Kirche als eine wichtige Aufgabe seines Pontifikates bezeichnet. In seiner Predigt sagte der Papst: "Ich würde mir wünschen, dass dies unser erstes großes Verlangen ist: eine geeinte Kirche, als Zeichen der Einheit und der Gemeinschaft, die zum Ferment einer versöhnten Welt wird." Damit greift er ein Thema auf, das die Kardinäle bei ihren Versammlungen vor dem Konklave mehrere Male offen angesprochen haben. Die Spannungen in der Kirche seien eine "offene Wunde", so hieß es da wörtlich. 

Die vom neuen Papst ersehnte Einheit der Kirche ist die Antwort auf diese Diagnose, aber sie ist aus seiner Sicht kein Selbstzweck: Die Kirche muss geeint sein, um Einheit, Gemeinschaft und Geschwisterlichkeit in der Welt zu fördern.

Ich zitiere wörtlich aus der Predigt: "In unserer Zeit erleben wir noch immer zu viel Zwietracht, zu viele Wunden, die durch Hass, Gewalt, Vorurteile, Angst vor dem Anderen und durch ein Wirtschaftsmodell verursacht werden, das die Ressourcen der Erde ausbeutet und die Ärmsten an den Rand drängt. Und wir möchten im Teig dieser Welt ein kleines Stückchen Sauerteig sein, das Einheit, Gemeinschaft und Geschwisterlichkeit fördert. Wir möchten der Welt mit Demut und Freude sagen: Schaut auf Christus! Kommt zu ihm! Nehmt sein Wort an, das erleuchtet und tröstet! Hört auf sein Angebot der Liebe, damit ihr zu seiner einen Familie werdet: In dem einen Christus sind wir eins. Und das ist der Weg, der gemeinsam zu gehen ist, innerhalb der Kirche, aber auch mit den christlichen Schwesterkirchen, mit denen, die andere religiöse Wege gehen, mit denen, die die Unruhe der Suche nach Gott in sich tragen, mit allen Frauen und Männern guten Willens, um eine Welt aufzubauen, in der der Friede herrscht.“ Soweit Papst Leo XIV. in seiner Predigt zu seiner Amtseinführung.

Ich bin sicher, dieser Papst ist ein echter Pontifex, ein Brückenbauer. Als ehemaliger Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe sind ihm die Differenzen, die Spannungen, ja die Feindseligkeiten in der Kirche sehr wohl bekannt. Und auch die jetzt an ihn gerichteten Erwartungen. Er wird versuchen zu versöhnen, Brücken zu bauen, zu integrieren. 

Das, was wir bisher von ihm wissen, macht Hoffnung. Als US-Amerikaner, der viele Jahre in Peru, zunächst als Missionar und danach als Bischof gelebt und gewirkt hat, ist Leo XIV. in zwei verschiedenen Kulturen beheimatet. Außerdem kennt er auch das Zentrum der Weltkirche, also Rom, gut, denn er hat hier wichtige Aufgaben wahrgenommen. Mit einer solchen Lebensgeschichte kann er tatsächlich ein echter Brückenbauer zwischen Völker und Kulturen, aber auch zwischen den verschiedenen Strömungen in der Kirche werden. Spannend wird auch sein, wie er auf seine eigenen Landsleute in den USA wirken wird. Weniger auf Trump, aber auf die katholische Kirche in den Vereinigten Staaten, die auch tief gespalten ist, und indirekt auf die amerikanische Gesellschaft. Größere Einheit in der Kirche wirkt sich immer auch positiv aus auf die Gesellschaft, in der diese Kirche lebt und handelt. 

Der Ruf zur Einheit fordert heraus, über den eigenen Tellerrand hinauszusehen. Sie fordert auf, den „Anderen“ in unserer Mitte in seinem Anderssein zu achten, jenseits von Vorurteilen und Konflikten. Diese Einheit, zu der wir in Christus berufen sind, ist nicht für uns selbst, sondern für die Welt. Wir sind in die Welt gesandt, um ihr das Licht der Einheit und der Liebe zu bringen. Die Welt braucht diese Botschaft, gerade in Zeiten von Zwietracht und Spaltung, von Zerrissenheit und Konflikten. Unsere Aufgabe als Christen ist es, diese Einheit und Liebe sichtbar zu machen – in unserem Handeln, in unseren Beziehungen und in unserem Zeugnis für Christus und seine Botschaft.

A m e n