- Sonntag LJ B zu: 1 Kön 19, 4-8
(VAM + Dom 10&11:30) & Joh 6, 41-51
Brot, das uns stärkt
- „Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr weiter! Ich bin am Ende!“ Wahrscheinlich war jeder von uns irgendwann in seinem Leben schon einmal an diesem Punkt – oder aber wir kennen Menschen, denen es so erging. So fühlen sich vielleicht auch die Menschen im Ahrtal, die alles verloren haben. Es ist für mich ein wenig tröstlich, dass selbst große Propheten wie Elija vor solchen Situationen nicht verschont bleiben.
- Warum mutet Gott mir das alles zu? Warum ausgerechnet mir? Wieviel muss ich denn noch tragen? Das sind ganz menschliche Fragen, wenn es einmal dick kommt im Leben. Wenn Schicksalsschläge auf uns eindreschen, wenn wir plötzlich mit schwerer Krankheit konfrontiert sind oder Angehörige gepflegt werden müssen. Oder wenn wir mit dem Tod konfrontiert werden, wenn uns liebe Menschen mit einem Schlag genommen werden. Ähnlich fragen auch Menschen nach jetzt schon 1 ½ Jahren Corona: wie kann Gott das zulassen, warum mutet er uns, der ganzen Welt so etwas zu?
- Ganz ähnlich ging es dem Propheten Elija. Gott hat ihm in der Tat viel zugemutet. Als der Einzige, der treu zu seinem Gott Jahwe stand, musste er seinen Gott mutterseelenallein gegen eine Horde von 400 falschen Baalspropheten verteidigen. Und er hat, mit unendlichem Gottvertrauen und einem machtvollen Zeichen am Ende gesiegt. Jetzt hofft er, dass die schlimmen Zeiten zu Ende sind. Endlich wieder frei durchatmen. Aber nein: jetzt sinnt die Königin auf Rache und will ihn töten lassen. Er muss abermals fliehen. Verständlich, dass er nun die Nase voll hat, dass er einfach nicht mehr will. Er hat sich sein ganzes Leben lang für Gott abgerackert, hat sich nicht geschont, und das ist jetzt der Dank: Gott lässt ihn hängen, er muss fliehen und um sein Leben fürchten.
- Das ist der Hintergrund der Situation, die uns in der ersten Lesung geschildert wurde. Elija will einfach nicht mehr. Es reicht! Er ist buchstäblich lebensmüde. Besser sterben, als so ein Leben!
- Interessant ist jetzt, wie Gott hier eingreift. Zuerst: er lässt seinen Propheten nicht einfach im Stich. Er lässt ihn nicht einfach unter dem Ginsterstrauch verenden, sondern er handelt. Er greift ein. Er schickt seinen Engel, und der bringt: Brot und Wasser. Nicht mehr! Nur einfach etwas Brot und Wasser. Und dazu die Worte: „Steh auf, iss und trink, sonst ist der Weg zu weit für dich!“ Man meint fast, Gott habe den Ernst der Lage nicht begriffen. Der Prophet ist wirklich am Ende, er kann nicht mehr. Aber anstatt in das Selbstmitleid des Propheten einzustimmen schickt Gott Brot und Wasser.
- Gerade diese Art und Weise, wie Gott hier eingreift: so schlicht, so selbstverständlich, so unspektakulär – gerade das macht die Bibel für mich so realistisch und lebensnah. Gott macht nicht einfach alles heil und schafft nicht mit einem Zauberwort alle Probleme aus der Welt. So etwas passiert nur im Märchen. Aber Gott sorgt sich, dass wir das Schlichte, das Lebensnotwendige haben. In diesem Fall: Brot und Wasser: eben das, was notwendig ist, damit der Prophet in der Wüste nicht verhungert und verdurstet. Und was er braucht, um sich neu auf den Weg machen zu können. So wie bei den Menschen im Ahrtal: erstmal Schlamm schippen. Aufräumen. Und hier und da ein gutes Wort. Natürlich ist damit noch längst nicht alles gut. Aber das ist es, was es jetzt erst einmal braucht. Oder wie die Situation der katholischen Kirche: auch da herrscht ja manchmal Mutlosigkeit. Kommen wir aus dieser Situation je wieder raus? Skandale, Glaubwürdigkeitsverlust, Kirchenaustritte auf Rekordniveau, keine Priester und pastoralen Berufe? Alles geht den Bach runter. Wie sol es weitergehen?
- Stellt sich natürlich die Frage: Wo ist der Engel, der Brot und Wasser bringt, wenn wir nicht mehr weiterkönnen, wenn wir verzweifelt sind, am Ende aller Kraft? Eine Antwort gibt Jesus selbst in dem Evangelium, das wir heute gehört haben, in der großen Brotrede aus dem Johannesevangelium: „Ich bin das Brot, das vom Himmel gekommen ist!“ sagt Jesus. Er selbst will uns im Zeichen des Brotes, im heiligen Sakrament, Stärkung sein für unseren Weg. Er ist die Kraftquelle, die uns neu aufrichtet, wenn wir nicht mehr weiter können.
- Aber Vorsicht: Man darf die Bibel hier nicht missverstehen. Es ist ja kein Zufall, dass Jesus das schlichte Brot wählt, um uns nahe zu sein. Es wird uns eben kein Zaubertrank versprochen á la Miraculix, der uns mit einem Schlag übermenschliche Kräfte verleiht und alle Probleme meistern lässt. „Ich bin das Brot!“ bedeutet: Ich bin das, was ihr zum Leben, zum Weiterleben jetzt braucht: nicht mehr und nicht weniger. Er will uns die Kraft schenken, die wir brauchen, um weiterzugehen. Er räumt uns aber nicht einfach mit einem Schlag alle Probleme aus dem Weg. Er traut uns zu, dass wir das selbst schaffen. Auch in der Kirche: natürlich sollen, müssen wir beten, dass Gott uns den Weg zeigt. Aber er wird nicht mit einem Schlag wieder volle Kirchen schaffen und blühende Glaubenslandschaften. Aufstehen und uns auf den Weg machen – das müssen wir schon selbst tun.
- Die Bibel macht uns da nichts vor: der Weg kann und wird vielleicht auch weiterhin schwer und hart sein. Am Beispiel des Propheten Elija: 40 Tage und 40 Nächte muss der Prophet nun durch die Wüste wandern. Das ist ein harter und bitterer Weg. Am Ende aber wird er auf dem Gottesberg Horeb Gott neu begegnen, und eine neue Berufung, einen neuen Auftrag erhalten. Und genau das ist auch unsere Hoffnung: dass uns Gott stärkt, damit wir neu aufbrechen können, uns wieder neu auf den Weg machen, auch wenn der Weg lang und beschwerlich ist. Auch wenn es viel Geduld braucht und manche Enttäuschung auf dem Weg liegen mag. Gott schenkt uns die Kraft, auch solche Durststrecken, solche Wüstenwege zu bestehen. Ja mehr noch: er ist selbst unsere Kraft auf dem Weg. Die Hoffnung ist, dass wir am Ende gestärkt aus einer solchen Krise herauskommen. Gestärkt durch seine Gegenwart: weil er mit uns geht, weil er selbst das Brot ist, das uns leben lässt. Amen.