Schmuckband Kreuzgang

3. Sonntag in der Osterzeit

3. Sonntag in der Osterzeit (c) Martina Bauer
3. Sonntag in der Osterzeit
Datum:
Sa. 17. Apr. 2021
Von:
Martina Bauer

Das Leben siegt! Ihr seid Zeugen dafür!

Österliche Hoffnung angesichts des Gedenkens an die Opfer der Pandemie

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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  1. Ostersonntag, LJ B (2021) zu: Lk 24, 35-48

(VAM und Dom 10:00 Uhr)                                                                                                         

 

Das Leben siegt! Ihr seid Zeugen dafür!

Österliche Hoffnung angesichts des Gedenkens an die Opfer der Pandemie

 

  1. Wie schwer von Begriff sind die Jünger denn eigentlich? Eben noch war Jesus, der Auferstandene, mit den Emmausjüngern den ganzen Weg von Jerusalem nach Emmaus gegangen, sie waren „wie mit Blindheit geschlagen“, erkannten ihn erst, als er mit ihnen das Brot brach. Sie eilen sofort zurück nach Jerusalem, um den andern Jüngern zu erzählen, um Zeugnis zu geben von der Auferstehung. Und auch die andern Jünger sind ganz außer sich: auch dem Petrus war der Auferstandene zwischenzeitlich erschienen. Aber als Jesus im gleichen Augenblick vor ihnen steht, wie reagieren sie da? Sie glauben, einen Geist zu sehen, eine Halluzination, ein Hirngespinst. Sie können es nicht glauben. Und zwar ganz offensichtlich sogar die nicht, die ihm gerade erst begegnet waren: Petrus, die Emmausjünger. Wie schwer von Begriff sind die Jünger denn? Was muss Jesus denn noch tun, damit sie glauben: er lässt sich anfassen, isst vor ihren Augen gebratenen Fisch, zeigt ihnen seine Wunden. Was muss er denn noch anstellen, damit sie ihn erkennen, und glauben können, dass er es ist, dass er wirklich von den Toten auferstanden ist? Oder ist es nur Begriffsstutzigkeit?
  2. Wie schwer fällt es uns Menschen manchmal, das zu akzeptieren, was doch so offensichtlich ist, wenn es unser Weltbild, unsere eigene Wahrheit, in Frage stellt; ja manchmal auch nur unseren Gewohnheiten, Vorlieben, unserer Bequemlichkeit zu wider läuft. Wir basteln uns dann ganz schnell unsere eigene Wahrheit, die wir mit Zähnen und Klauen und mit aller Leidenschaft verteidigen.
  3. Heute ist der nationale Gedenktag für die Opfer der Corona-Pandemie, zu dem der Bundespräsident die ganze Nation aufgerufen hat. Corona ist auch so ein Thema, an dem sich die Geister scheiden. Seit Monaten wird über die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen gestritten. Während die Infektionszahlen explodieren, die Intensivstationen überfüllt sind, übrigens ganz offensichtlich auch immer mehr mit jüngeren Menschen, behaupten andere, dass es Corona gar nicht gibt, oder es nichts anderes sei als eine harmlose Grippe. Statistiken werden in Frage gestellt, die Zahl der Opfer wird bestritten, mit dem zynischen Argument, die meisten wären vielleicht auch ohne Corona gestorben. Andere behaupten, es gäbe viel mehr Opfer durch die Maßnahmen gegen die Pandemie als durch die Pandemie selbst, z.B. einsame Menschen die sich das Leben nähmen, oder Menschen, die wegen Corona nicht in den Krankenhäuser behandelt werden. An diesem Sonntag hatte sich für hier eine Gruppe angemeldet, um eine „überkonfessionelle christliche Gedenkveranstaltung zu 500 Jahre Reichstag“ hier auf dem Domplatz zu veranstalten. „Hier stehe ich! 500 Jahre Widerstand!“ Beim näheren Hinsehen zeigte sich, dass das alles Querdenker, Corona-Leugner, Maskenverweigerer sind. Und als ich ihnen geschrieben habe, dass ich es für zynisch halte, ausgerechnet am nationalen Gedenktag für die Coronaopfer hier demonstrieren zu wollen, und für schäbig, dafür Luther und das Reichstagsgedenken zu instrumentalisieren, haben sie mir einen bitterbösen Brief geschrieben, dass ich persönlich schuld wäre an tausenden von Selbstmordopfern in Nepal, die sich dort wegen der ausbleibenden Touristen das Leben nehmen würden. So bastelt sich jeder seine Wahrheit.
  4. Fakt ist: In Worms-Stadt sind bis heute 85 Menschen an und mit dem Corona-Virus verstorben. Im Landkreis Alzey-Worms noch einmal 112 Menschen. Auf Gesamtdeutschland werden wir wahrscheinlich noch an diesem Wochenende die 80.000 überschreiten. 80.000 Tote durch Corona, ein ganze Stadt in der Größe von Worms! Die meisten von ihnen sind sehr einsam verstorben, manchmal über Wochen im künstlichen Koma, beatmet; oft durften die Angehörigen nicht mehr zu ihnen, durften auch die Toten nicht mehr sehen, berühren, um würdig Abschied zu nehmen. Natürlich sind in dieser Zeit auch viele andere Menschen gestorben, und auch deren Tod ist für die Angehörigen schlimm. Man kann und darf nicht die Corona-Toten gegen andere Verstorbene, das Leid der Angehörigen der einen gegen das der anderen ausspielen. Und doch glaube ich, dass es für jeden klar denkenden Menschen eigentlich offensichtlich ist, dass die Umstände, unter denen Menschen mit dem Virus sterben, die Umstände, unter denen die Angehörigen hier Abschied nehmen müssen, ungleich tragischer sind. Deshalb haben wir schon seit etlichen Wochen hier im Dom immer eine Kerze zum Gedenken an die Corona-Opfer brennen, deshalb liegt hier für jeden Corona-Toten ein Kreuz. Einfach, um den Angehörigen, die nicht wirklich Abschied nehmen konnten, einen Ort zu geben, an dem sie trauern können, an dem sie spüren dürfen, dass Raum, Verständnis, Mitgefühl ist für ihre Trauer. Deshalb glaube ich auch, dass ein solches nationales Gedenken wie heute wichtig ist. Natürlich macht es dabei keinen Unterschied, ob jemand unmittelbar an dem Corona-Virus, oder vielleicht mittelbar – ich denke dabei zum Beispiel auch an demente Menschen in den Altenheimen. Hier haben mir Pfleger erzählt, wie im ersten Lockdown, als von jetzt auf gleich kein Besuch der Angehörigen mehr möglich war, viele an Einsamkeit verstorben sind, einfach weil sie nicht verstanden haben, warum niemand mehr kommt, einfach, weil sie jeden Lebensmut verloren haben. Auch die gehören zu den Corona-Opfern, und auch die schließen wir selbstverständlich in unser Gedenken heute ein.
  5. Ich muss aber ehrlich sagen: kein Verständnis habe ich für die notorischen Corona-Leugner, für Menschen, denen die eigene Freiheit, das Bedürfnis nach Urlaub, Reisen, Party machen so wichtig ist, dass sie keine Rücksicht mehr nehmen wollen auf Menschen, die besonders gefährdet sind. Denn auch das können wir aus dem heutigen Evangelium lernen: Wahrheit beginnt mit der Wahrnehmung der Wunden. Ostern, Auferstehung gibt es nicht ohne das Kreuz. Jesus zeigt den Jüngern seine Hände, seine Füße, seine Wundmale. Die Hoffnung auf das neue Leben, das uns an Ostern aufleuchtet, beginnt damit, dass ich die Tatsache des Kreuzes akzeptiere und anerkenne. Ohne Karfreitag kein Ostern. Ich muss das Leid, die Wunden wahrnehmen, sehen, annehmen, um Ostern, Auferstehung, neue Hoffnung zu erfahren. Wer Kreuz und Leid überspringen will, wer dem ausweichen möchte, oder wer es leugnet, die Augen verschließt, der wird dem Auferstandenen, dem Leben in Fülle nicht begegnen. Christus öffnet den Jüngern die Augen: „Musste nicht der Christus leiden – um am dritten Tag von den Toten aufzuerstehen!?
  6. Christen sind Menschen, die dem Kreuz nicht ausweichen. Die Leid nicht verdrängen. Auch Corona nicht. Wenn wir heute in unseren österlichen Gottesdienst die Corona-Opfer in das Zentrum rücken, dann weil wir in den Leidenden, den Trauernden, den schwer Erkrankten, den Corona-Toten den Gekreuzigten erkennen, Als Christen sind wir aber zugleich immer österliche Menschen: Menschen, die dem Auferstandenen begegnet sind, die wissen, dass am Ende das Leben siegt. Und die deshalb auch die Kraft und Geduld finden, die Einschränkungen zu ertragen und mitzutragen, zum Schutz der Schwächsten, weil wir wissen, dass Gott das Leid bereits besiegt hat und eine Hoffnung schenkt, die stärker ist als der Tod.
  7. Als Christen sind wir wie die Jünger Menschen, denen der Auferstandene begegnet ist. Deshalb können wir anderen, die angesichts der Dauer der Pandemie, angesichts der immer neuen Wellen, angesichts der massiven Einschränkungen der eigenen Freiheit ungeduldig werden, die es nicht mehr aushalten, die verzweifeln Mut machen und Hoffnung schenken. Denn, egal, wie lange es noch dauert, egal, was uns noch abverlangt wird an Einschränkungen: am Ende wird das Leben siegen! Wir – Sie und ich, als Menschen, die dem Auferstandenen begegnet sind, sind Zeugen dafür!