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Liebe Schwestern und Brüder,
Im Rahmen unserer kleinen Predigtreihe zu den Antwortpsalmen in der Fastenzeit haben wir eben einige Verse aus Psalm 51 gehört. Die Antwortgesänge knüpfen immer an die erste Lesung -heute aus dem Buch Jeremia- an. Es ist dort zuerst Gott, der den Menschen an die Hand nimmt und ihn aus Ägypten heraus führt. Jetzt will er die Weisung in das Herz der Menschen schreiben (Jer 31,33)
Psalm 51 ist ein eher längerer Psalm, er wird den 7 Bußpsalmen zugeordnet und ist wohl auch einer der eher bekannteren Psalmen. Große Komponisten haben berühmte Vertonungen darüber hervorgebracht. Viele werden das bedeutende „miserere“ von Allegris kennen, dass wir schon oft hier im Dom zum Beginn der österlichen Bußzeit am Aschermittwoch gehört haben und das immer sehr ergreifend ist. Auch in der Orgelliteratur finden sich viele Kompositionen. So hören wir heute noch eine Choralbearbeitung aus der Feder von Johann Sebastian Bach.
Im Stundengebet hat Psalm 51 einen ganz festen Platz, nämlich als erster Psalm an jedem Freitagmorgen zur Laudes. Normalerweise begleiten im Stundengebet den Betern die 150 Psalmen über vier Wochen und nur wenige, ganz besonders ausgewählte davon wiederholen sich. Mich regt das zur Meditation an und so möchte ich aus der Vielzahl der Eindrücke ihnen einige Gedanken mitgeben, die mich hierbei berühren.
Da wird am Anfang gleich von Schuld und Sünde gesprochen. Bis auf den heutigen Sprachgebrauch sind uns diese Begriffe präsent, allerdings nicht immer so, wie es im biblischen Kontext gemeint ist. Wir sprechen vom Verkehrssünder, von Sünden beim Essen und Trinken und meistens kommt da ein Lächeln gleich mit dazu. Wir sind ja alle „kleine Sünderlein“. Damit wird Sünde und Schuld verallgemeinert und verharmlost.
Sünde ist allerdings dann doch deutlich mehr. Sünde ist eine freie, existenziell und radikale Entscheidung gegen den in der Ordnung der Natur geoffenbarten Willen Gottes. Der Sünder versagt sich gegen den Willen des Schöpfers; zu den Grundstrukturen seiner Schöpfung und seines Bundes.[1]
So war es eigentlich nicht gedacht: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut„[2]. So steht es ganz am Anfang der Bibel schon im Buch Genesis. Was von Gott kommt, ist von Anfang an und prinzipiell gut! Die Erde, Gottes Schöpfung: sie ist gut! Und da zählt der Mensch mit dazu! Auch er ist von Anfang an gut!
Aber auch genau da dauert es nicht lange, bis zu den ersten Berichten über den sündigen Menschen. Nach Gen 1 kommen sogar recht zügig: Kain erschlägt seinen Bruder Abel (Gen 4). Die erste Sünde eines Menschen gegenüber einem anderen Menschen - und auch gegenüber Gott, wie beim Sündenfall (Gen 3, Sündenfall).
Selbst die großen Lichtfiguren im Alten Testament -von Abraham über Isaak und Jakob[3] bis hin zu Mose, Aaron und Mirjam[4].- sie blieben vom Bösen nicht verschont. Die Bibel ist bereits bei den ersten Büchern voll von Berichten über Menschen, die sündigen. Die Erzähler, die Propheten, die Weisheitslehrer und die Psalmendichter schreiben es später erst recht:
Sie wussten um das Böse und um den Hang des Menschen zum Bösen.
Und natürlich auch König David. Die sieben Bußpsalmen werden alle dem König David zugeschrieben. Nach der Sünde mit Batseba und dem bestellen Mord an deren Mann Urija wird er zur großen Identifikationsfigur für die Sünde – und später dann zur Hoffnungsfigur von Gottes Barmherzigkeit.
Der Mensch hat den Hang zum Bösen. Der, der die Menschenwürde und die Menschenrechte verletzt, verletzt das Gottesrecht. Die Sünde ist die Zerstörung des Lebens – eines gott-gewollten Lebens. Gott ist der Liebhaber des Lebens: deshalb schleudern die Erzähler den Sündern den Zorn Gottes entgegen: Die Sünde ist der Widerspruch zur Liebe Gottes.
Mehr als bemerkenswert ist für mich, dass Psalm 51 zwar ein Bußpsalm ist, er aber keinen ausgearbeiteten Gewissenspiegel im Detail vorgibt. Er ist kein geschriebenes Gesetz, wie die zehn Gebote in alter Zeit. Oder wie aus weltlicher und heutiger Sicht unsere Gesetze und Vorschriften.
Der Psalm spricht vielmehr des Menschen Herz und dessen Geist an. Herz und Geist sind nach alttestamentlichen Denken die beiden Grundkräfte, aus und mit denen der Mensch lebt. Herz und Geist waren das Zentrum der Lebenskraft und des Willens.
Der Psalmist bittet Gott um ein neues Herz, ein reines Herz, - um eine Neuschaffung des Herzens. Das Herz ist der Sitz der Vernunft; es ist das „Organ“, mit dem der Mensch die Welt- und Lebensordnung erfasst. Heute wissen wir natürlich, dass das Gehirn diese biologische Funktion hat. (Und dennoch tun sich viele mit der Organspende so schwer, weil ja das Herz ja noch schlägt.)
Der noch junge Salomo bittet Gott um die Erfüllung eines Wunsches: „Verleihe deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht“[5]. „Man sieht nur mit dem Herzen gut“ heißt es bei Saint-Exupéry im kleinen Prinzen. Das Herz bleibt selbst in unserer heutigen Zeit, der emotionale Mittelpunkt des Menschen.
Kleider machen Leute! Aber der Mensch, der in den neuen Kleidern steckt, er bleibt doch der Alte. Zerreißt also eure Herzen, nicht eure Kleider[6].
Ein fester Geist; ein heiliger Geist; der Geist der Großmut: Gleich dreimal wird um den Geist gebeten. Wer „Geist“ hat, hat auch Anteil an Gottes Geist. Der Menschen wird dadurch befähigt, an Gottes Stelle zu reden, zu handeln und so ihm nachzufolgen.
Gott will sich den Sündern zuwenden. Gott kann das machen. Er ist das Gute. Er verändert Herz und Geist.
Die Opfer, die er wohl will, beziehen sich auf nicht auf irgendwelche Gaben. Der hartherzige, hochmütige und selbstgefällige Sünder: Er wird vor Gott „zerbrechen“. Gott möchte einen an Herz und Geist erneuerten Menschen.
Darum kann König David nach seiner großen Sünde auch ein großer König sein. Er erkennt sein böses tun. Er beschönigt und verdrängt die Sünde nicht. Er bereut – und Gott verzeiht und stiftet so Hoffnung für jeden anderen Menschen, der den Weg der Sünde verlässt und zu Gott zurückkehrt.
Er geht quasi wieder „auf Start“ zurück. An David können wir lernen, dass der, der ganz oben steht auch ganz tief fallen kann. Und der, der gefallen ist, kann wieder aufgerichtet werden.
Das waschen, die Reinigung, das saubermachen ist dabei ein wunderbares Bild. Im alten[7] wie auch im neuen Testament finden wir Reinigung von Aussätzigen. Die Krankheit wird dabei immer als eine Sünde gesehen.
Die Taufe ist ebenso ein wunderbares Bild für das reinigende Bad. Die Tauferneuerung hat in der Osternacht daher auch ihren guten Platz. Wir reinigen uns vor Gott durch das Bekenntnis unsres Glaubens von Schuld und Sünde.
Wir biegen nun quasi auf die Zielgerade zu Ostern ein. Noch haben wir eine ganz „normale“ Woche vor uns, in der ich sie einladen möchte, sich dem barmherzigen Gott mit ihrem Leben und seinen Weisen auszusetzen.
Wenn wir Menschen es über die Jahrhunderte schon nicht schaffen und immer wieder die gleichen Fehler machen, dann ist doch eines klar: Nur mit Gott kann das gehen.
Psalm 51 eignet sich bestens zur eigenen Meditation und zur Reflektion des Lebens:
Wo finde ich Situationen, in denen das Gute unendlich weiter weg zu sein scheint, als das Böse?
Wo mache ich heute Erfahrungen von Vergebung?
Was hält mich fest und gefangen und hindert mich daran, los zu lassen?
Welche Rolle spielt Gott in meinem Leben?
[1] Vgl. K. Rahner, Theologisches Wörterbuch
[2] Gen 1,31
[3] „Linsengericht“, vgl. Gen 25, Verkauf des Erstgeburtsrechts
[4] Num 12 Aaron und Mirjam, die sich gegen Mose Führung auflehnen
[5] 1Kön 3,9
[6] Joel 2,13
[7] Vgl. Lev 14