Sehen Sie hier die Fotos unseres besonders beeindruckenden Gottesdienstes zur Altarweihe am 25. November 2018 im Dom St. Peter zu Worms.
Predigt von Bischof Peter Kohlgraf beim Pontifikalamt zur Altarweihe im Dom St. Peter zu Worms
Christkönigssonntag, 25. November 2018, 14.00 Uhr
Es gilt das gesprochene Wort
Eines Tages erging der Ruf an Abram (Gen 12, 1-4) „Geh fort aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde (…). Da ging Abram, wie der HERR ihm gesagt hatte" Immer wieder spricht Gott mit Abraham auf diesem Weg, und nach einer solchen Erfahrung baut Abram dem Herrn an jeweiligen Stelle einen Altar. Wiederholt wird davon berichtet (vgl. z.B. Gen 12, 7f.;13, 18). Abram, später Abraham, „Vater vieler Völker“ genannt (Gen 17,5), nennen wir unseren Vater im Glauben. In seinem Leben, wie es die Bibel erzählt, können wir Grundmuster des Glaubens erkennen. Da ist zunächst der Aufbruch, das Motiv des Weges. Das Vertrauen in den Gott, der ihn ruft, lässt ihn in eine ungewisse Zukunft aufbrechen, mit dem Wort der Verheißung im Herzen, das dieser Gott ihm geschenkt hat, ein Vertrauen gegen jede menschliche Logik und Berechnung. Gott ist treu, das aber wird Abraham nur über viele Umwege und Krisen hindurch erfahren. Viele Menschen spüren hier eine Nähe zu diesem Urvater. Sie spüren, dass Gott ein Wege-Gott ist, einer, der mitgeht, auf dessen Wort wir bauen; sonst würden wir einer Illusion folgen. Sie erfahren aber auch, dass der Glaube sich entwickelt über Lebenserfahrungen und Krisen hindurch. Es kann sein, dass Gott immer wieder zum inneren Aufbruch, zur inneren Bewegung ruft, wenn wir es uns gerade gemütlich gemacht haben, wenn wir meinen, unser Glaube sei nun stark und fest. In diesem Glauben gibt es Wegstrecken der Gewissheit, aber auch Krisen und Dunkel. Abraham ermutigt, dem Wort Gottes zu trauen, denn Gott ist treu, er steht zu seinem Wort. Auch die Kirche wird auf einen Weg gerufen. Was uns heute so normal erscheint, unsere Einrichtungen, Kirchen, Gebäude, Institutionen, sind zu einem großen Teil Ausdruck einer kirchlichen Praxis weniger Jahrzehnte zuvor. In den vielen Jahrhunderten vorher gab es vieles nicht, was uns heute unverzichtbar erscheint. Formen des Glaubens und des kirchlichen Lebens verändern sich, und wie Abram auch sehen wir noch nicht, wohin es gehen kann. Was wir haben, ist die Zusage des treuen Gottes, bei uns zu bleiben. Wenn Abraham an bestimmten Orten einen Altar baut, dann soll er wohl so etwas sein wie eine bleibende Erinnerung an die Treue Gottes, der Ort, an dem der glaubende Mensch die Nähe Gottes erfahren hat, die ihn tröstet, ermutigt, motiviert, aber auch erschüttert, weiter zu gehen. Ein Glaube, der keine Wege geht, wird starr und leblos, reine Routine und am Ende belanglos. Ein Weg, auf dem es keinen Altar gibt, der Ort der Berührung von Himmel und Erde ist, bleibt vielleicht orientierungslos und es gibt keine Kraftquelle auf dem Weg. Es gibt im Buch Genesis auch eine Stelle, an der Abram zu einem Altar zurückkehrt, den er früher auf dem Weg gebaut hat (Gen 13,4). Am Altar ist der Ort der Vergewisserung, dass Gott dabei bleibt. Auch der Patriarch Jakob handelt entsprechend. Als er vor seinem Bruder Esau auf der Flucht ist, legt er sich eines Abends zum Schlafen hin, in der Nacht träumt er von einer Treppe, auf der Engel auf und niedersteigen. Auf seinem Weg gibt es einen Ort, an dem Gott die Erde berührt. Er salbt den Stein, auf dem er ruhte, und weiht diesen Ort in besonderer Weise (Gen 28, 10-32). Später werden Könige und Priester gesalbt werden als Ausdruck einer besonderen Würde und Berufung. Von diesem Ort nimmt Jakob das Versprechen Gottes mit, er werde immer bei ihm sein. Im Tempel von Jerusalem gibt es den Altar, auf dem die Glaubenden ihre Opfer darbringen, und der Ort der Feier der Treue Gottes wird, der sein Volk immer begleitet hat und begleiten wird (1 Kön8). Gott braucht kein Haus, aber die Menschen brauchen einen Ort, an dem sie auf den Wegen des Lebens und des Glaubens neue Gewissheit finden.
In den ersten frühchristlichen Jahrzehnten gibt es keine eigenen Altäre. Die Christen betonen den Charakter des Glaubens als Weg, und sie greifen die alte Glaubenserfahrung Israels auf, dass Gott nicht in Häusern aus Stein wohnt, sondern im lebendigen Menschen, in der glaubenden und feiernden Gemeinde. Wo Menschen beten, glauben, Liturgie feiern, wird Gottes Treue erfahrbar. Als Jesus am Kreuz stirbt, zerreißt der Vorhang im Tempel und gibt den Blick auf das Allerheiligste frei, der sonst allein dem Priester vorenthalten war (Mk 15,38). Christus selbst ist der Altar, der Priester und die Opfergabe. In unüberbietbarer Weise wird in seinem Leben, seinem Sterben und seiner Auferstehung die Treue Gottes deutlich, an die bereits Abraham glauben durfte. Auch die Kirche Jesu Christi bleibt auf dem Weg, aber auch sie braucht sichtbare Orte, an denen sich die Glaubenserfahrung in der Gemeinde verdichten kann. So ist der Altar, den wir heute weihen, kein einfacher Tisch, an dem wir Mal halten: „Wie ehrfurchtgebietend ist doch dieser Ort! Er ist nichts anderes als das Haus Gottes und das Tor des Himmels.“ (Gen 28,17). An diesem Altar, den wir heute weihen, wird immer wieder die Liebeshingabe Jesu gefeiert, gegenwärtig gesetzt. Von diesem Altar aus erhalten wir die Gabe der Eucharistie, Sakrament seiner bleibenden Gegenwart, Nahrung auf dem Weg, Stärkung und Ermutigung. Hier entsteht Gemeinschaft in dem einen Brot und dem einen Kelch, in denen sich Christus uns selbst schenkt. Hier öffnet sich der Vorhang im Tempel und gibt den Blick frei auf das Allerheiligste, auf Christus selbst. Fünf Stellen auf diesem Altar erinnern an die Wunden Christi. An diesen Stellen wird in der Liturgie der Weihe das Licht entzündet. Der Altar wird gesalbt mit dem Chrisam, und dadurch wird er zu einem Zeichen der Gegenwart Christi inmitten seiner Kirche und dieser Gemeinde. Wie unsere Väter im Glauben ihren Weg weitergingen, so werden wir von diesem Altar aus gesendet, Zeuginnen und Zeugen Jesu Christi zu sein, seine Tempel, sein Heiligtum mitten in dieser Welt. Hier fragt uns Christus wie damals seine Jünger, ob wir bereit sind, den Kelch zu trinken, den er trinken musste (Mk10, 38). Hier am Altar geschieht nichts Harmloses, sondern hier ereignet sich Wandlung: Wandlung von Brot und Wein, Wandlung des Menschen, der hineingehen soll in die Sendung Christi. Aus der Feier am Altar wird wieder der Weg hervorgehen, auf den wir gehen müssen.
In diesem neuen Altar finden sich Schichten verschiedener Epochen der Geschichte von Worms. Sie erinnern uns an viele Menschen vor uns. Auf ihren Schultern stehen wir, in ihren Spuren gehen wir. Geschichte war immer Bewegung, gerade auch hier in dieser Stadt, die bewegte Zeiten erlebt hat. Seit tausend Jahren steht hier der Dom, aber auch vorher haben Menschen hier geglaubt und gebetet. Es hat viel Bewegung gegeben, aber immer war Gott treu. Er ist die Wege mitgegangen. Daran erinnert uns der Altar, den wir weihen. Er soll uns auf dem Weg aber auch Sammelpunkt sein, an dem wir Orientierung, Mut, Kraft und Gemeinschaft erfahren. Hier möge uns Gottes Berührung treffen, seine Nahrung geschenkt werden. Wir kennen unsere Zukunft nicht, aber wir wissen, dass er mitgeht. Hier nimmt er uns in seinen Dienst, in die Sendung und Hingabe Christi hinein. Der gesalbte Altar möge uns an unsere Salbung im Heiligen Geist erinnern, die uns in Taufe und Firmung geschenkt wurde. So bleibt der Altar auch immer ein Hinweis auf den lebendigen Stein, Christus. Wenn wir nur den Altar aus Stein hätten, wäre unser Glaube starr, unbeweglich, oft hart. Wenn wir ihn nicht hätten auf unserem Weg, würden wir Orientierung und schnell den Mut verlieren. Ich wünsche allen, die hier Gottesdienst feiern, den Mut zum Aufbruch, aber dass sie immer wieder hierher finden, um Gottes Gegenwart zu erfahren, den Ort, an dem sich Himmel und Erde berühren.