Schmuckband Kreuzgang

Aschermittwoch

mit Predigt von Propst Tobias Schäfer

Aschermittwoch (c) Dom St. Peter / Martina Bauer
Aschermittwoch
Datum:
Do. 7. März 2019
Von:
Martina Bauer
Aschermittwoch (c) Dom St. Peter / Martina Bauer
Aschermittwoch

ASCHERMITTWOCH am 6. März 2019
Mit dem Aschermittwoch und dem Zeichen des Aschenkreuzes beginnt die 40 tägige Österliche Bußzeit:

„Bedenke, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehrst:

Kehr um und glaube an das Evangelium!“


Sehen Sie hier einige Bilder vom Aschermittwochsgottesdienst, in dem das eindrucksvolle „Miserere“ von Gregorio Allegri, eine Vertonung des 51. Psalms, einst für die Trauermetten der Päpstlichen Kapelle geschrieben, zuhören war.
19:30 Uhr im Dom St. Peter: Bußgottesdienst mit Austeilung des Aschenkreuzes und dem „Miserere“ von Gregorio Allegri mitgestaltet vom collegium vocale und Solisten; Ltg.: Dan Zerfaß 


Predigt von Propst Tobias Schäfer

ASCHERMITTWOCH 2019- Miserere

Umkehr beginnt, wo Gott Vergebung schenkt

1. Ich war vor zwei Wochen in Jerusalem. Dort, direkt unterhalb des Tempelberges gibt es ein großes archäologisches Feld. Dort hat man seit den 1990er Jahren große Teile der alten Stadt Davids ausgegraben. Man sieht ganze Straßenzüge mit dem antiken, 3000 Jahre alten Straßenpflaster, die Mauern von Häusern und Palästen. Man konnte das Regierungsviertel identifizieren und auch ein Haus, von dem man mit guten Gründen annimmt, dass es der Königspalast war. Für mich war das unglaublich bewegend, dort zwischen den Ruinen zu gehen, mir vorzustellen, dass das genau die Straßen sind, über die die alten Propheten wie Samuel oder später Jesaja gegangen sind. Im Alten Testament wird etwa fast mit der Exaktheit eines Navis beschrieben, an welcher Straßenecke der Prophet Jesaja dem König Ahas gegenüber trat, der sich, statt auf seinen Gott zu vertrauen, auf eine waghalsige Bündnispolitik setzte. Und dem Jesaja die Drohung entgegenschleudert: Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht! Und dann die Verheißung: Siehe, die Jungfrau wird ein Kind empfangen… Genau an dieser Stelle stand ich, gut 2.500 Jahre später. Das ist bewegend.
2. Oder eben der Königspalast: auf der Höhe des Hügels gebaut. Von seinen Zinnen hat David der badenden Batseba zugeschaut und sich verliebt. Mit dem dramatischen Ende dieser Geschichte beginnen wir jedes Jahr, wie ein Prolog, den Aschermittwochsgottesdienst. Die Geschichte ist schnell erzählt und klingt zuerst wie eine kitschige Liebesromanze a la Rosamunde PilcherDavid sieht eines Abends im Sonnenuntergang vom Flachdach seines Palastes aus die badende Batseba, eine blutjunge, bildschöne Frau. Ihr Mann kämpft gerade als Soldat auf dem Schlachtfeld für David. Der große König David, der strahlende Held, der auch auf unserem Wurzel-Jesse-Relief so wunderbar mit seiner Harfe dargestellt ist, entbrennt in Leidenschaft. Er nutzt seine Macht aus, schläft mit der Schönen. Das Techtelmechtel bleibt nicht folgenlos, Batseba wird schwanger. Erst versucht man es mit List zu vertuschen, holt eilig den Mann heim aus dem Krieg, damit er mit seiner Frau schläft und keiner merkt am Ende, von wem das Kind ist. Er aber weigert sich, der Plan misslingt. Schließlich wird David zum Mörder: er schickt Urija wieder auf das Schlachtfeld und befiehlt, ihn in vorderster Schlachtreihe zu stellen, so dass er am Ende fallen muss. David, der große König Israels, der, den Gott sich mit größter Sorgfalt für diese Aufgabe ausgewählt hat, wird erst zum Ehebrecher, dann zum Mörder.
3. Keine Frage: hier geht es nicht um Kinkerlitzchen. Hier geht es nicht um ein paar kleine lässliche Sünden. Hier geht es um sexuellen Missbrauch, Vertuschung und Mord - Kapitalverbrechen. Umso erstaunlicher ist, was dann passiert: Gott, der so unglaublich enttäuscht sein muss von seinem König, seinem Statthalter auf Erden, schickt den Propheten Natan, um ihn zur Rede zu stellen. Der Dialog aber, der sich dann entspinnt, macht einen fast sprachlos: Darauf sagte David zu Natan: Ich habe gegen den Herrn gesündigt! Natan antwortete: Der Herr hat dir deine Sünde vergeben!“ Das war’s? So einfach ist das? Ein sexueller Missbrauchaus dem ein Kind hervorgeht, ein Ehebruch, der perfide Versuch, diesen Ehebruch zu vertuschen; und als alles nichts hilft noch ein brutaler und grausamer Mord. Und das alles wird locker-flockig mit einer kurzen Bemerkung weggewischt: „Ich habe gegen den Herrn gesündigt! – Der Herr hat dir vergeben!“ Ist das alles? Geht es so einfach? Dann kann ich mir ja im Grunde erlauben, was ich nur will, wenn Gott mir so schnell, unkompliziert und einfach selbst die schlimmsten Sünden, ja sogar einen Mord verzeiht. Wie brandaktuell das alles mitten in der Debatte um Missbrauch durch Priester und systematische Vertuschung innerhalb der Kirche ist, liegt auf der Hand. Und auch wie schlimm, wenn am Ende die Botschaft wäre: Wir haben mal gesagt, dass es uns leid tut, und alles ist wieder gut. 
4. Das wirkt wie eine Karikatur. Und doch ist genau das in der biblischen Lesung die entscheidende Pointe: Es gibt keine Schuld, die so groß ist, dass sie uns von der Liebe Gottes trennen könnte. Es gibt keine Schuld, die Gott nicht vergeben würde. Wenn wir aufrichtig bereuen. Wenn wir bereit sind, umzukehren. Die Größe und Dramatik der Schuld und des Versagens soll die umso größere Barmherzigkeit Gottes sichtbar machen. In der Tat geht es genau darum: Gott schenkt uns seine Vergebung ohne langes Diskutieren, ohne Bedingungen, langes Hin und Her. Und zwar ganz gleich, wie groß unsere Schuld ist, ganz gleich, ob es die kleinen lässlichen Sünden des Alltags sind oder Dinge, die uns schwer belasten. In der Beichte, im Bußsakrament ist das alles ganz unkompliziert. Hier wird nicht lange herumdiskutiert, hier muss nicht erst irgendeine Wiedergutmachung geleistet werden; es gibt keine Vorbedingungen. Es ist im Grunde so unkompliziert wie bei David: „Ich habe gesündigt!“ – „Der Herr hat dir deine Schuld vergeben!“ 
5. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille: Gott vergibt dem Sünder, der aufrichtig bereut und umkehrt. Die andere Seite der Medaille aber darf auch nicht verschwiegen werden: auch wenn Gott dem David seine schwere Schuld vergibt, hat diese Tat dramatische Konsequenzen: von jetzt an trifft ein Unheil nach dem anderen das HausDavids. Das Kind aus dem Ehebruch stirbt; ein anderer Sohn Davids vergewaltigt seine leibliche Schwester; Abschalom , ein weiterer Sohn David führt eine Revolte gegen den Vater an und kommt ums Leben – auch eine Szene die eindrucksvoll am Südportal des Domes dargestellt ist: Abschalom als nackter Reiter. Das ganze Drama endet eine Generation später, als das Reich Davids nach dem Tod Salomons zerbricht. Nein, so einfach ist es nicht: „Ich habe gesündigt!“ „Gott hat dir vergeben!“ Jede Schuld hat Konsequenzen, bringt Unheil in die Welt, das nicht mehr so einfach einzuholen ist. Jede einzelne Sünde hat Konsequenzen für das große Ganze. Nichts ist danach wieder wie vorher. Auch nicht nach der Vergebung Gottes. Diese Erfahrung macht David und das ist genau die Erfahrung, die wir momentan ja auch als Kirche machen. Entschuldigungen und Aufarbeitung allein kann den Glaubwürdigkeitsverlust von Kirche nicht einfach aufhalten oder gar rückgängig machen. Die Vergebung, die Gott schenkt ist das eine, die Folgen der Sünde aus der Welt zu schaffen und wirklich zu heilen, eine ganze andere Sache.
6. Insofern ist es irreführend, wenn man glaubt, David habe es sich hier leicht gemacht oder umgekehrt: Gott habe es ihm leicht gemacht. Die Worte des großen Bußpsalms, des „Miserere“, die das Alte Testament David an dieser Stelle in den Mund legt, zeigen, wie tief David selbst über sich erschüttert ist: Ich erkenne meine bösen Taten, immer steht mir meine Sünde vor Augen. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht.“ Und wie sehr er weiß, dass die bedingungslose Vergebung Gottes aus seiner grenzenlose Liebe das eine ist, wie sehr aber jetzt erst die schwere Aufgabe beginnt, Verantwortung für die eigenen Taten zu übernehmen, wirklich umzukehren, eine neues, anderes Leben zu beginnen, und so die Folgen der Schuld wieder zu heilen. Der ergreifende Bußpsalm steht genau an diesem entscheidenden Wendepunkt: dem Geschenk der Vergebung Gottes und dem damit erst beginnenden Weg einer wirklichen inneren Umkehr, ein neues andere Leben einzuüben. Der Weg der Umkehr beginnt genau da, wo Gott seine bedinbgungsloseVergung schenkt. Und es ist ein langer und mühsamer Weg. Es geht darum, aus der Vergebung, die Gott schenkt, ein neuer Mensch zu werden. Sich wirklich zu ändern ist ein unglaublich schwieriger, oft langwieriger Weg, manchmal ein lebenslanger Kampf. Das gilt für den einzelnen Menschen, das gilt erst recht für die Kirche als ganzer Organismus, als Institution. Bei David und dem Volk Israel hat es fast 500 Jahre gedauert, bis der Prophet Jesaja die Verheißung von einem neuen David ausgesprochen hat, und noch einmal 500 Jahre, bis dieser neue König – Christus, der Messias – gekommen ist. Und das war der, der deutlich gemacht hat: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt!“ Das war der, der sich am Kreuz und mit Dornen krönen ließ, der also so ganz anders kam als erwartet, erträumt. Vielleicht ist das genau der Punkt, an dem wir auch als Kirche stehen: das zunächst erst vieles zerbrechen muss, damit dann, mit Gottes Hilfe, etwas ganz neues aufbrechen kann. 
7. Wir sprechen viel davon, dass sich Kirche ändern muss, aber wir meinen damit meist das Herumdoktern an einigen Symptomen: Zölibat abschaffen, Frauen zu Priester weihen, in ein wenig flexibler sein bei Widerheirat von Geschiedenen und vielleicht die Sexualmoral ein wenig modernen aufstellen und demokratischere Strukturen einführen. Dann, meinen wir, wird alles gut. Und im Grunde träumen wir davon, dass dann die Kirche wieder ihre alte Bedeutung und Größe bekommt. Nein, nach David und seiner Schuld war es nie mehr so wie vorher. Und auch in der Kirche wird, ja darf es nicht mehr so werden. 
8. In unserem Bistum startet mit der Fastenzeit der Pastorale Weg. Der Bischof lädt uns ein, dass wir gemeinsam überlegen, wie wir Kirche der Zukunft sein können, auch, welche Strukturen und Gestalt es dafür in Zukunft braucht. Und zwar nicht, damit am Ende alles wieder wird wie früher, Kirche zu alter Größe wächst. Sondern damit Kirche wieder glaubwürdig die Botschaft vom König verkünden kann, dessen Thron das Kreuz ist, dessen Macht sich in der ohnmächtigen Liebe, dessen Stärke sich im Mitleiden mit den Schwachen zeigt. 
9. Wir beginnen am Aschermittwoch die Österliche Bußzeit mit einer Demutsgeste: Wir lassen uns Asche aufs Haupt streuen, uns mit der Asche im Zeichen des Kreuzes zeichnen. „Bedenke das du Staub bis und zum Staub zurückkehrst – Kehr um und glaube an das Evangelium!“ Wer von einstiger Größe träumt, für den ist dieses Zeichen nur ein nostalgischer Brauch. In Wirklichkeit aber geht es bei diesem Zeichen darum, sich klein zu machen, umzukehren, nicht gestalten zu wollen, sondern sich führen zu lassen. Sich führen zu lassen von Gott und seinem Evangelium. Amen. 

 

Lesung / Prolog

Aus dem 2. Buch Samuel

 

In jenen Tagen schickte der Herr den Natan zu David; dieser ging zu David und sagte zu ihm: So spricht der Herr, der Gott Israels: Ich habe dich zum König von Israel gesalbt und ich habe dich aus der Hand Sauls gerettet.

Ich habe dir das Haus deines Herrn und die Frauen deines Herrn in den Schoß gegeben und ich habe dir das Haus Israel und Juda gegeben, und wenn das zu wenig ist, gebe ich dir noch manches andere dazu.

Aber warum hast du das Wort des Herrn verachtet und etwas getan, was ihm missfällt? Du hast den Hetiter Urija mit dem Schwert erschlagen und hast dir seine Frau zur Frau genommen; durch das Schwert der Ammoniter hast du ihn umgebracht.

Darum soll jetzt das Schwert auf ewig nicht mehr von deinem Haus weichen; denn du hast mich verachtet und dir die Frau des Hetiters genommen, damit sie deine Frau werde.

So spricht der Herr: Ich werde dafür sorgen, dass sich aus deinem eigenen Haus das Unheil gegen dich erhebt, und ich werde dir vor deinen Augen deine Frauen wegnehmen und sie einem andern geben; er wird am hellen Tag bei deinen Frauen liegen. Ja, du hast es heimlich getan, ich aber werde es vor ganz Israel und am hellen Tag tun.

Darauf sagte David zu Natan: Ich habe gegen den Herrn gesündigt. Natan antwortete David: Der Herr hat dir deine Sünde vergeben; du wirst nicht sterben.

 



Aschermittwoch (c) Dom St. Peter / Martina Bauer
Aschermittwoch (c) Dom St. Peter / Martina Bauer
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