Schmuckband Kreuzgang

Erntedankgottesdienst 2018

Erntedankgottesdienst 2018 (c) Dom St. Peter
Erntedankgottesdienst 2018
Datum:
So. 7. Okt. 2018
Von:
Martina Bauer
Erntedankgottesdienst 2018 (c) Dom St. Peter
Erntedankgottesdienst 2018

Lesen Sie hier die Predigt von Propst Tobias Schäfer:

27. Sonntag, LJ B(06./07.10.2018) zu: Gen 2, 18-24 

„Net geschennt ist Lob genug“???

1. Net geschennt is genug gelobt! Sie kennen vielleicht dieses Sprichwort. Mir hat vor vielen Jahren, als ich mich an meiner ersten Pfarrstelle hier in den rheinhessischen Dörfern um Alzey beschwert hatte, dass so wenig Resonanz aus der Gemeinde kommt, jemand gesagt: „Herr Parrer – so sin die Leit hier, mehr dürfe Se nicht erwarten: Net geschennt ist genug gelobt!“ Ich habe oft an dieses Wort gedacht! Ich hoffe, ich trete jetzt niemandem zu nahe, aber es charakterisiert doch den Menschenschlag hier in Rheinhessen schon ganz gut. Allerdings: das Sprichwort gibt es genauso auch auf bayerisch und in norddeutschem Platt – also keine Sorge: die Grundhaltung scheint Regionen übergreifend und urmenschlich zu sein. Wir sind alle oft schneller dabei, wenn es etwas zu meckern und zu kritisieren gibt und sehr viel sparsamer mit Lob. Da nehme ich mich selbst gar nicht aus. 

2. Und dabei ist das ja meistens gar nicht so gemeint. Wir hatten unmittelbar nach dem Rheinland-Pfalz-Tag und der Festwoche zum Jubiläum eine Sitzung unseres Seelsorgerates – alle waren noch ganz erfüllt von einem wirklich durch und durch gelungenen Jubiläum. Und wir haben in der Sitzung gemeinsam reflektiert. Klar: es wurde auch gesagt, wie toll alles war. Und dann kamen die Kritikpunkte: viele Kleinigkeiten, die man noch besser hätte machen können. Alles berechtigte Kritikpunkte, gar keine Frage. Als ich am nächsten Tag schon das Protokoll gelesen habe, bin ich total erschrocken. Ich habe gedacht: Wenn jetzt jemand dieses Protokoll liest, der nicht dabei war, der muss denken: das ganze Jubiläum war ein einziger Flop. Alles daneben. Dabei war jedem, der in der Sitzung war, eigentlich klar: wir haben ein tolles Jubiläum erlebt; wir haben gemeinsam etwas auf die Beine gestellt, worauf wir wirklich stolz sein dürfen und zutiefst dankbar. Nur: das wurde kaum ausgesprochen. Aber wir haben uns dann so in den Kleinigkeiten und in der Kritik verloren, dass am Ende für einen Außenstehenden gar nicht mehr erkennbar war, was wir gerade Tolles erlebt hatten

3. So sind wir Menschen oft: das Gute, das Tolle, das Große, das wir erleben, nehmen wir als selbstverständlich und gegeben hin, aber wir verlieren uns in den negativen Kleinigkeiten. Und am Ende entsteht eine ganz furchtbare, negative Stimmung, eine Art kollektive Miesepetrigkeit, obwohl wir das gar nicht wollen. Und obwohl es uns objektiv betrachtet doch ziemlich gut geht. Und wir das vom Kopf her auch wissen. Es entsteht im Bauch eine negative Stimmung, und wenn wir nicht aufpassen, verändert es auch uns selbst: wir werden auf einmal unzufrieden, depressiv, knotterig; obwohl wir mit dem Kopf wissen und sehen: eigentlich haben wir doch allen Grund dankbar zu sein.

4. Net geschennt“ ist eben am Ende nicht genug. Wir müssen das Gute auch aussprechen, müssen explizit loben, danken, benennen, was gut ist. Nur dann bekommt es Gewicht. In der alttestamentlichen Lesung lässt Gott den Menschen, den er geschaffen hat, alle Lebewesen benennen. Er soll ihnen einen Namen geben. Denn dadurch verändert sich die Wirklichkeit. Dadurch bekommt es eine andere Relevanz für mich. Indem ich den Dingen einen Namen gebe, baue ich eine Beziehung auf. Indem der Mensch die anderen Geschöpfe mit Namen nennt, übernimmt er auch Verantwortung für sie. Das Aussprechen verändert die Realität. Deshalb ist es so wichtig, dass wir eben nicht nur das Negative benennen, sondern zuerst und vor allem das Positive, das Gute, das Schöne. Wir nehmen es dann anders war. Es bekommt ein anderes Gewicht. Und das Negative, das Kritische wird im wahrsten Sinne des Wortes „relativiert“, in die rechte Beziehung gerückt. Es geht ja nicht darum, dass man berechtigte, konstruktive Kritik nicht äußern soll, im Gegenteil. Aber es ist wichtig, dass wir das, wofür wir dankbar sind, das Gute, das Schöne genauso benennen und aussprechen, uns auch gegenseitig sagen.

5. Und genau deshalb feiern wir heute Erntedank! Es ist ja nicht so, als ob wir den Rest des Jahres nicht dankbar wären für die Gaben der Schöpfung. Es ist nicht so, als ob wir Gott gegenüber sonst keinen Grund hätten zur Dankbarkeit für all das Gute, das er uns Tag für Tag schenkt. Natürlich sind wir Gott dankbar. Aber diese Dankbarkeit ist für uns manchmal schon so sehr Routine, dass wir sie gar nicht mehr aussprechen. Und dann passiert es uns manchmal auch Gott gegenüber, dass wir zu ihm nur noch kommen, wenn wir etwas von ihm brauchen, wenn wir etwas wollen, wenn es uns schlecht geht. Oder wenn wir zu knottern haben: Warum ausgerechnet ich? 

6. Deshalb ist es wichtig und gut, dass wir uns am Erntedanksonntag einmal wieder ganz explizit bewusst machen, wie gut es uns geht, weil Gott für uns sorgt. Und es ihm auch sagten: Danke, lieber Gott! Natürlich: Wir kommen im Grunde jeden Sonntag zusammen, um Danksagung zu feiern – Eucharistie. Aber ist uns das überhaupt bewusst? Ist das nicht manchmal so sehr Routine, dass wir den Dank gar nicht mehr wirklich wahrnehmen? 

7. Erntedank ist die Einladung, unseren Dank, unser Lob für alles Gute einmal bewusst und explizit zu sagen. Denn das Aussprechen verändert die Wirklichkeit. Es verändert unsere Beziehung zur Welt, zu Gott. Und es verändert auch uns selbst, unsere innere Haltung: wir sehen viel aufmerksamer und bewusster zuerst all das Gute und wie reich wir beschenkt sind. Wir brauchen deshalb das Schlechte und manchmal auch Leidvolle nicht zu verdrängen. Aber es wird eingeordnet, relativiert. Deshalb tut Dank gut. Ausgesprochenen Dank. Denn „Net geschennt“ ist längst nicht genug!
Erntedankgottesdienst 2018 (c) Dom St. Peter
Erntedankgottesdienst 2018 (c) Dom St. Peter
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