Schmuckband Kreuzgang

Eucharistiefeier zum ökumenischen Kirchentag

Wir müssen einander lieben (c) Martina Bauer
Wir müssen einander lieben
Datum:
Sa. 15. Mai 2021
Von:
Martina Bauer

Wir müssen einander lieben!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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  1. Ostersonntag, LJ B (2021) zu:                                                        1 Joh 4, 11-16

(OEKT - VAM & Dom11:30 Uhr)                                                               & Joh 17, 6a.11b-19

 

Wir müssen einander lieben!

 

  1. Bei uns Katholiken ist die Liturgie streng geregelt. Das sind Zeichen, Symbole, Riten, die sich in 2.000 entwickelt, verfestigt, bewährt haben, die uns vertraut geworden sind. Die manchmal auch in der Gefahr sind, zu erstarren, das Wesentliche aus dem Blick zu verlieren; dann müssen gelegentlich auch einmal Fehlentwicklungen korrigiert werden. Durch die große Liturgiereform, die das II. Vatikanische Konzil vor mehr als 50 Jahren angestoßen hat, hat sich auch unser Verständnis von Gottesdienst verändert, wurden manche Einseitigkeiten und Fehlentwicklungen korrigiert. Während vorher der Priester als der Stellvertreter der Gemeinde und Stellvertreter Christi das Lobopfer stellvertretend für die ganze Gemeinde vor Gott getragen hat – ein wenig wie im Alten Bund der Hohe Priester stand der Priester allein vor Gott vorn am Hochaltar, im Allerheiligsten, in seinem Rücken die Gemeinde, die nur Zuschauer war – haben wir wieder begriffen: dass Gottesdienst das gemeinsame Gotteslob der ganzen Gemeinde ist; dass die Gemeinde sich zusammen mit dem Priester, der in der Eucharistiefeier Christus repräsentiert, gemeinsam um den Altar versammelt, gemeinsam singt, betet, Gott Lob und Preis darbringt. Sichtbarer Ausdruck des neuen Liturgieverständnisses wurde der Altar: es war nicht mehr der prachtvolle Hochaltar, sondern ein Altar, auf dem die Eucharistie, das Abendmahl gefeiert werden konnte. Der Priester steht nun hinter dem Altar, der Gemeinde zugewandt, symbolisch versammelt sich die ganze Gemeinde um den Tisch, an den der Herr uns lädt.
  2. Noch etwas anderes aber hat sich durch die Liturgiereform radikal verändert. Wir haben begriffen, dass Christus nicht exklusiv nur in der Eucharistie, im gewandelten Brot, das zu seinem Leib wird, gegenwärtig ist. Er ist ebenso gegenwärtig in der Gemeinschaft der versammelten Gemeinde, und er ist gegenwärtig in seinem Wort, das uns verkündet wird: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort aus Gottes Mund!“ Das haben wir übrigens nicht zuletzt aus den Gottesdiensten der evangelischen Tradition wieder neu entdecken dürfen. Deshalb wurden jetzt die Gottesdienste, die vorher nur in Latein waren, in der Volkssprache gefeiert, vor allem aber: die Bibellesung hat eine ganz zentrale Stellung in der katholischen Eucharistiefeier erhalten. „Den Tisch des Wortes reicher decken!“ das war geradezu ein Leitmotiv der Liturgiereform, in der sich die katholische Kirche auch eine feste Leseordnung gegeben hat. In jeder sonntäglichen Eucharistie gibt es drei Lesungen: eine aus dem Alten Testament, eine 2. Lesung aus den Apostelbriefen oder der Offenbarung des Johannes, und schließlich die Verkündigung des Evangeliums. Nur in der Osterzeit wird die alttestamentliche Lesung ersetzt durch eine Lesung aus der Apostelgeschichte. Diese Leseordnung verteilt die Schriftlesungen auf drei Jahre, so dass sie sich in einem Dreijahresturnus wiederholen. Ich finde diese feste Leseordnung wichtig: Wir suchen uns also nicht einfach aus, wovon wir, der Prediger, der Vorsteher, oder ein Vorbereitungskreis denkt, der Bibeltext könnte schön zum Thema passen. Sondern die Lesung ist in aller Regel vorgegeben. Wir suchen uns nicht aus, was Gott zu uns sagt. Wir picken uns aus dem Schatz seines Wortes nicht heraus, was wir gern hören wollen. Sondern wir stellen uns dem, was durch Gottes Fügung dran ist – und öffnen uns seinem Wort.
  3. Die Lesungen, die wir gerade gehört haben, sind also nicht für diesen besonderen Gottesdienst und zum Ökumenischen Kirchentag ausgesucht, es sind die Lesungen, die am 7. Ostersonntag im Lesejahr „B“ einfach dran sind. Und wie fast immer, passen Sie wie die Faust aufs Auge. Im Johannesevanglium ist es das Hohepriesterliche Gebet, dieses große Gebet, in dem Jesus vor seinem Leiden und Tod seine Jünger dem Vater anvertraut. Es ist wie ein Vermächtnis: „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast – damit sie eins sind wie wir!“ „Bewahre sie in dem Namen, den du mir gegeben hast!“ Christus, der Gesalbte, der Messias – das ist sein Name. Das ist der Name, den er uns allen in der Taufe gegeben hat: Wir tragen diesen heiligen Namen: Christ! Das ist ja nicht einfach eine Religionsbezeichnung. Wir tragen seinen Namen! Wir dürfen uns „Christ“ nennen. Das ist ein unfassbarer Anspruch. Wir tragen diesen Namen ja nicht, weil wir so toll, so überaus fromm, so unglaublich gottesfürchtig wären; weil wir so Großartiges geleistet hätten, dass man uns diesen Namen wie einen Ehrentitel verliehen hätte. Wir heißen so, weil Jesus Christus will, dass wir seine Frohe Botschaft weitertragen, weitersagen, weiterleben. „Wer euch sieht, der sieht mich!“ sagt er seinen Jüngern. Durch uns, in uns will Christus in dieser Welt gegenwärtig sein. Nicht exklusiv durch die Katholiken, nicht durch die Evangelischen, die Mennoniten, die Syrisch-Orthodoxen oder Freikirchen – sondern durch jeden, der Christ heißt, der in der Taufe Christ geworden ist. Das ist der Name, der uns verliehen wurde, den wir bewahren sollen. Und den wir nur bewahren können, wenn wir eins sind – wenn wir immer wieder die Einheit, die innige Verbindung zu Jesus Christus suchen und durch ihn zum Vater. Und wenn wir als Christen untereinander die Einheit suchen. Nicht eine uniforme Einheit, die nur Gleichmacherei ist, sondernd eine bunte, vielfältige Einheit, die in der Verschiedenheit den Reichtum der Wahrheit Gottes erahnen lässt.
  4. Aber fast noch tiefer trifft mich heute das Wort aus der 2. Lesung: „Geliebte, wenn Gott uns so geliebt hat, müssen wir auch einander lieben!“ Ob wir nun wollen oder nicht, möchte ich fast hinzufügen. Wir müssen einander lieben! Ob wir einander sympathisch sind oder nicht. Weil Gott uns so unglaublich, so unfassbar liebt, deshalb bleibt uns gar nichts anderes übrig, also einander zu lieben. Für den Verfasser des 1. Johannesbriefes ist das gar keine Frage. Wenn Gott uns Menschen so liebt, trotz all unserer Fehler, unserer Sünden, obwohl wir ihn so oft schon enttäuscht haben und wieder enttäuschen werden, uns so oft schon seines Namens unwürdig erwiesen haben – wenn Gott uns trotzdem ohne Vorbehalte liebt, dann müssen wir auch einander lieben.
  5. Und es kommt ja noch brutaler: „Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns!“ Im Umkehrschluss heißt das: wenn wir einander nicht lieben, dann haben wir auch Gott nicht in uns. Wenn wir einander bekämpfen, verteufeln, uns gegenseitig das wahre Christsein absprechen – und das haben wir als Christen gegenseitig über Jahrhunderte getan – und tun es bisweilen auch heute noch – dann bleibt Gott nicht in uns, dann verlieren wir ihn. Gibt es eine größere, eine gewichtigere Motivation für die Ökumene?
  6. Nun geht der Anspruch des 1. Johannesbriefes noch weiter. Denn hier sind ja nicht einfach nur exklusiv die Christen gemeint. Letztlich sind in der Logik des Johannesbriefes alle Menschen gemeint. Wenn Gott uns als Christen so sehr liebt, dann müssen wir auch alle anderen lieben. Wir sind die Boten seiner Liebe in dieser Welt. Durch uns will Christus alle Menschen lieben, will seine Liebe den Menschen unserer Tage erfahrbar, spürbar, begreiflich machen. In der Art und Weise, wie wir als Christen den Menschen begegnen, sie aufrichten, trösten, heilen, ihnen Wertschätzung und Ansehen schenken, richtet Christus heute Menschen auf, heilt sie, tröstet, motiviert sie zum Guten. Wir – seine heilige christliche Kirche, wir, die Christen aller Konfessionen, sind das Werkzeug seiner Liebe, sollen sein liebendes Herz für die Menschen unserer Zeit sein. Uns hat er den Auftrag anvertraut, Boten seiner Liebe zu sein, damit Gottes Liebe, damit Gott in dieser Welt gegenwärtig bleibt!
  7. Das ist ein unfassbarer Anspruch, eine enorme Verantwortung, die wir als Christen in dieser Welt und für die Welt tragen. Und nochmal: wir können das nicht, weil wir so toll, so liebevoll, so unglaublich gut wären. Wir können das nicht einfach aus uns, sondern nur, weil Gott uns liebt. Weil er seine Liebe immer neu, jeden Tag neu in unsere Herzen eingießt. An Pfingsten hat er seinen Heiligen Geist über seine Jünger, seine Kirche ausgegossen, und er beschenkt uns mit diesem Geist immer neu. Die Liebe ist der Geist, der in unsere Herzen eingegossen ist. Geschenk, Gabe, und zugleich Aufgabe, Auftrag.
  8. Es ist am Ende so unfassbar einfach, so unglaublich simpel, wie es der Verfasser des Johannesbriefes auf den Punkt bringt: „Gott ist die Liebe. Und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm.