Schmuckband Kreuzgang

Fronleichnam

Fronleichnam (c) Martina Bauer
Fronleichnam
Datum:
Do. 3. Juni 2021
Von:
Martina Bauer

03.06.2021

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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FRONLEICHNAM, LJ B (2021)                                                            zu: Mk 14, 12-16.22-26

(Dom, 10:00 Uhr)                                                                                                                         

 

Leib Christi werden

 

  1. Es gibt eine ganze Reihe gruselig-schauriger Verfilmungen der Werwolf-Geschichte. Wer Horror- und Gruselfilme mag, der hat so etwas sicher schon gesehen. Es ist Nacht, der Vollmond beleuchtet mit seinem kalten Licht die Szenerie, und der arme, vom Werwolf gebissene Mensch, beginnt, sich in das Untier zu verwandeln: Die Hände verkrüppeln zu Klauen; es beginnt ihm ganz allmählich ein Fell zu wachsen; aus den Zähnen werden bedrohliche Hauer, die Ohren werden lang und spitz, und am Ende hat sich der ganze Mensch in einen mörderischen Werwolf verwandelt, der Angst und Schrecken verbreitend durch die Nacht zieht.
  2. Ich möchte Sie heute einmal einladen, sich vorzustellen, wie das wäre, wenn wir uns so verwandeln würden, jeder einzelne, und zwar nicht in ein schreckliches Monster, das mordend durch die Lande zieht, sondern im Gegenteil, in ein Wesen, das für alles Gute steht: in Jesus Christus. Stellen wir uns einmal einen Moment lang vor, das ginge so einfach, dass wir uns buchstäblich in Jesus Christus verwandeln, also zu einem anderen, neuen Menschen würden. Wenn wir uns in Jesus Christus verwandeln, dann müssten uns keine Klauen wachsen und keine reißenden Fangzähne. Aber was wäre anders? Was müsste sich ändern? Sie spüren, hier geht es nicht um irgendwelche Äußerlichkeiten, sondern um unser Inneres, unser Wesen. Wo verhalten wir uns gerade nicht wie Jesus? Was würde anders sein, wenn wir uns buchstäblich in ihn verwandeln würden? Vielleicht würde der eine, dem leicht der Geduldsfaden reißt, einfach geduldiger, langmütiger werden. Vielleicht würde jemand, der sich gerne über die andern aufregt, die alles falsch machen, etwas mehr Verständnis aufbringen für die Fehler und Schwächen der anderen. Vielleicht würde jemand, der leicht aggressiv wird, ein bisschen milder sein. Vielleicht aber auch würde jemand, der furchtbar harmoniebedürftig ist und am liebsten jeden Konflikt unter den Teppich kehrt, auch ein wenig mutiger im Aushalten oder gar Angehen von Konflikten werden – ein bisschen eben wie dieser Jesus, der die Händler aus dem Tempel treibt. Vor allem aber würden wir alle vermutlich sehr viel sensibler und feinfühliger für die Nöte und Sorgen der andern werden – denn das ist das, was mich an der Person Jesu mit am meisten fasziniert: seine tiefe Empfindsamkeit, mit der er einfach spürt, was die Menschen bedrückt, und zugleich auf eine ungemein sensible Art ihnen begegnet, ohne sie je bloßzustellen. Und, wenn wir uns in Jesus verwandeln, dann würde – so stelle ich mir das vor - in uns auch diese oft so bohrende Angst wegfallen, dass wir selbst zu kurz kommen könnten im Leben, wenn wir zuerst die Bedürfnisse der andern sehen und wahrnehmen; der Neid auf andere, die Eifersucht, die ja so oft aus einem mangelnden Selbstwertgefühl kommt. Wir wüssten uns von Gott geliebt und angenommen, so wie wir sind, und hätten von daher einen Halt und eine Freiheit, uns für andere selbstlos einzusetzen, ohne diese Angst, die Frage, was habe ich denn letztlich davon? Wer denkt denn an mich?
  3. Nun sind wir einfach nicht Jesus. Und genauso wenig, wie es den Werwolf gibt, genauso wenig können wir uns so ohne weiteres in Jesus verwandeln. Und doch wird uns gerade an Fronleichnam sehr deutlich gesagt, dass es im Grunde beim Christsein genau darum geht: in Jesus Christus verwandelt zu werden und so zu neuen, anderen Menschen zu werden.
  4. Nur: Wie soll denn das gehen? Zum Werwolf wird nur, wer vom Werwolf gebissen wurde, wer also gleichsam angesteckt wurde von diesem Keim des Bösen. In Christus verwandelt wird – das genau ist der Kern des Fronleichnamsfestes, wer Jesus Christus empfängt, wer ihn isst, kommuniziert, ihn in sich aufnimmt, wer seinen Leib und sein Blut im heiligen Sakrament empfängt. Denn das Brot, das wir brechen, ist Teilhabe am Leib Christi, sagt der Apostel Paulus. Und Jesus selbst sagt es fast noch deutlicher: „Wer mein Fleisch ist und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm: Nehmt und esst: Das ist mein Leib!“. Es geht bei der heiligen Eucharistie in der Tat um nichts anderes als darum, dass wir verwandelt werden, uns verwandeln lassen in Christus. „Empfangt, was ihr seid, damit ihr werdet, was ihr empfangt: Leib Christi!“, so sagt es der heilige Augustinus.
  5. Nun funktioniert das nicht so selbstverständlich und fast unweigerlich automatisch wie in den Werwolfgeschichten: ein Biss und schon ist es passiert. Jeder, der sich aufrichtig um ein wirklich christliches Leben bemüht, weiß, wie schwer das ist, wie unsagbar schwer es ist, sich wirklich zu verändern, gegen die eigenen Macken und Schwächen und Eigenarten anzugehen. Und die Eucharistie, der Leib und das Blut Christi, sind eben auch kein Zaubertrank, der uns, wenn wir ihn einmal empfangen haben, mit einem Schlag auf magische Weise verwandelt und zu anderen Menschen macht. So leicht funktioniert es leider nicht. Wir müssen es schon wollen. Wir müssen uns wirklich und ehrlich verwandeln und ändern wollen, sonst funktioniert es nicht.
  6. Andererseits: Wer den Leib und das Blut Christi empfängt, vielleicht immer wieder empfängt, und innerlich gar nicht bereit ist, sich zu ändern; wer wieder und wieder zur Kommunion geht und sich dabei sagt: „Ich bin halt wie ich bin, sollen die andern doch sehen, wie sie mit mir klar kommen!“, der hat nicht verstanden, was er da empfängt. Kommunion hat mit Wandlung zu tun: so wie das Brot und der Wein verwandelt werden in Leib und Blut Christi, so soll der Mensch, der diese heiligen Gaben empfängt, verwandelt werden in den neuen Menschen nach dem Bilde Jesu. Wer zur Kommunion geht, aber eigentlich gar nicht bereit ist, sich auf diese Wandlung einzulassen, der geht unwürdig zur Kommunion! Denn Eucharistie bedeutet: Verwandlung. Es bedeutet: sich buchstäblich anstecken zu lassen vom Keim der Liebe, der in diesem Sakrament eingeschlossen ist: der Liebe, die sich hingibt für die anderen, für das Heil der Welt. Wer dieses Zeichen tiefster Hingabe aus Liebe zu den Menschen empfängt, und nicht bereit ist, diese Liebe, die wir in diesem Zeichen empfangen haben, an sich heranzulassen, so sehr, dass sie uns verändert; wer gar nicht bereit ist, die Liebe, die er empfängt, auch zu leben, weiterzugeben an die Menschen, denen er begegnet, der empfängt dieses Sakrament unwürdig! Die Eucharistie ist nichts weniger als das Sakrament zur Verwandlung der ganzen Welt.
  7. Denn der Empfang der Eucharistie, die heilige Kommunion ist ja nichts, was sich nur zwischen mir und meinem Herrgott abspielt. Das sagt ja schon der Name: „Kommunion“: das bedeutet: Gemeinschaft! Hier, im Empfangen der heiligen Eucharistie, geschieht auf eine tiefe Weise Gemeinschaft: wir werden verbunden mit Jesus Christus, dessen Leib wir empfangen. Und wir werden zusammengebunden zu einer großen Gemeinschaft, wir sind alle gemeinsam der eine Leib des Herrn! „Fronleichnam“ heißt dieses Fest, also Leib des Herrn! Und damit ist immer zugleich die heilige Eucharistie gemeint, die wir empfangen, aber eben auch die große Gemeinschaft, die durch die heilige Eucharistie gebildet wird, zu der wir alle miteinander verbunden sind: denn wir sind gemeinsam der eine Leib des Herrn. „Ein Brot ist es, darum sind wir viele ein Leib. Denn wir alle haben teil an dem einen Brot!“ Durch dieses Sakrament werden wir gemeinsam buchstäblich verwandelt in Jesus Christus, in seinen Leib!
  8. Da ist aber noch ein Aspekt, der mit der Wandlung zu tun hat. Die heilige Eucharistie ist auch ein Sakrament, das uns geschenkt ist, um die Welt zu verwandeln. Um nichts Geringeres geht es. Diese Verwandlung beginnt bei uns, jedem einzelnen: indem wir uns durch dieses Sakrament zu einer Gemeinschaft zusammen fügen lassen, zu einer Gemeinschaft, in deren Mitte etwas vom Geist Jesu spürbar wird, einer Gemeinschaft, in der die Menschen spüren, dass ihnen hier Jesus Christus selbst begegnet. In dem Augenblick, in dem wir bereit sind, uns auf diese Wandlung einzulassen, wird das nicht länger eine Utopie a la Hollywood sein, was ich eingangs gesagt habe: die Vorstellung, dass wir uns in Jesus Christus verwandeln. Und wie sehr würde das unsere Gemeinde verändern, wie sehr würde es unsere Stadt hier verändern, wenn wir uns alle so verwandeln lassen in eine große Gemeinschaft, in Jesu Leib. Und wie würde sich so schließlich durch uns auch das Antlitz der ganzen Welt von Grund auf ändern und verwandeln! Amen.