Fronleichnam – 2018
P. Ralf Sagner OP | Dominikanerkloster St. Paulus | Paulusplatz 5 | 67547 Worms
Im Dom zu Worms | Es gilt das gesprochene Wort
ERSTE LESUNG | Ex 24, 3-8 |
In jenen Tagen
3kam Mose und übermittelte dem Volk alle Worte und Rechtsvorschriften des Herrn. Das ganze Volk antwortete einstimmig und sagte: Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir tun.
4Mose schrieb alle Worte des Herrn auf. Am nächsten Morgen stand er zeitig auf und errichtete am Fuß des Berges einen Altar und zwölf Steinmale für die zwölf Stämme Israels.
5Er schickte die jungen Männer Israels aus. Sie brachten Brandopfer dar und schlachteten junge Stiere als Heilsopfer für den Herrn.
6Mose nahm die Hälfte des Blutes und goss es in eine Schüssel, mit der anderen Hälfte besprengte er den Altar.
7Darauf nahm er die Urkunde des Bundes und verlas sie vor dem Volk. Sie antworteten: Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir tun; wir wollen gehorchen.
8Da nahm Mose das Blut, besprengte damit das Volk und sagte: Das ist das Blut des Bundes, den der Herr aufgrund all dieser Worte mit euch geschlossen hat.
ZWEITE LESUNG | Hebr 9, 11-15 |
11Christus ist gekommen als Hoherpriester der künftigen Güter; und durch das erhabenere und vollkommenere Zelt, das nicht von Menschenhand gemacht, das heißt nicht von dieser Welt ist,
12ist er ein für alle Mal in das Heiligtum hineingegangen, nicht mit dem Blut von Böcken und jungen Stieren, sondern mit seinem eigenen Blut, und so hat er eine ewige Erlösung bewirkt.
13Denn wenn schon das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer Kuh die Unreinen, die damit besprengt werden, so heiligt, dass sie leiblich rein werden,
14wieviel mehr wird das Blut Christi, der sich selbst kraft ewigen Geistes Gott als makelloses Opfer dargebracht hat, unser Gewissen von toten Werken reinigen, damit wir dem lebendigen Gott dienen.
15Und darum ist er der Mittler eines neuen Bundes; sein Tod hat die Erlösung von den im ersten Bund begangenen Übertretungen bewirkt, damit die Berufenen das verheißene ewige Erbe erhalten.
EVANGELIUM | Mk 14, 12-16.22-26 |
12Am ersten Tag des Festes der Ungesäuerten Brote, an dem man das Paschalamm schlachtete, sagten die Jünger zu Jesus: Wo sollen wir das Paschamahl für dich vorbereiten?
13Da schickte er zwei seiner Jünger voraus und sagte zu ihnen: Geht in die Stadt; dort wird euch ein Mann begegnen, der einen Wasserkrug trägt. Folgt ihm,
14bis er in ein Haus hineingeht; dann sagt zu dem Herrn des Hauses: Der Meister lässt dich fragen: Wo ist der Raum, in dem ich mit meinen Jüngern das Paschalamm essen kann?
15Und der Hausherr wird euch einen großen Raum im Obergeschoss zeigen, der schon für das Festmahl hergerichtet und mit Polstern ausgestattet ist. Dort bereitet alles für uns vor!
16Die Jünger machten sich auf den Weg und kamen in die Stadt. Sie fanden alles so, wie er es ihnen gesagt hatte, und bereiteten das Paschamahl vor.
17Als es Abend wurde, kam Jesus mit den Zwölf.
18Während sie nun bei Tisch waren und aßen, sagte er: Amen, ich sage euch: Einer von euch wird mich verraten und ausliefern, einer von denen, die zusammen mit mir essen.
19Da wurden sie traurig, und einer nach dem andern fragte ihn: Doch nicht etwa ich?
20Er sagte zu ihnen: Einer von euch Zwölf, der mit mir aus derselben Schüssel isst.
21Der Menschensohn muss zwar seinen Weg gehen, wie die Schrift über ihn sagt. Doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird. Für ihn wäre es besser, wenn er nie geboren wäre.
22Während des Mahls nahm er das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es ihnen und sagte: Nehmt, das ist mein Leib.
23Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet, reichte ihn den Jüngern, und sie tranken alle daraus.
24Und er sagte zu ihnen: Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird.
25Amen, ich sage euch: Ich werde nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken bis zu dem Tag, an dem ich von neuem davon trinke im Reich Gottes.
26Nach dem Lobgesang gingen sie zum Ölberg hinaus.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
morgen beginnt das große Landesfest Rheinland-Pfalz-Tag hier in Worms. 300.000 Menschen werden erwartet. Unsere Stadt wird aus allen Nähten platzen. Einige werden das als Belästigung empfinden und die Flucht ergreifen. Andere werden diese große Feier genießen und sich als Gastgeber einer gastlichen Stadt präsentieren oder mitfeiern. Hier im Dom, der großen, für die meisten Wormser Identifikation stiftenden Kirche, wird das Fest der Auftakt der Festwoche zum Jubiläum „1000 Jahre Domweihe“ feiern. Dieser Dom war 800 Jahre Bischofskirche des Bistums Worms, das fast 1.500 Jahre bestand hatte, bevor es um 1800 aufgelöst wurde. Wir stehen heute also an einem sowohl geschichtlich als auch geistlich bedeutenden Ort.
Vor ein paar Monaten hat eine Gruppe von Aktiven unseres Dekanates beraten, wie sich die katholische Kirche zum Rheinland-Pfalz-Tag präsentieren soll. Wir kamen wir sehr bald auf das Motto „Aufgeschlossen“, das nun auch zum zentralen Motto des Domjubiläums wurde.
Denn „aufgeschlossen sein“ das eint nahezu alle wichtigen katholischen Kirchen zumindest hier in Deutschland. Das ist im wörtlichen Sinne zu verstehen.
Die Kirchengebäude sind jeden Tag zugänglich für jeden und jede. Sie sind aufgeschlossen und nicht versperrt. Jede Gemeinde und jede Gemeinschaft müht sich, ihre Kirchen und Kapellen für die Menschen, die neugierig sind auf die Atmosphäre, die Stille, zugänglich zu halten. Kirchen sind in aller Regel ein Magnet für Menschen, die nach dem Eintreten sich in einer anderen Welt wiederfinden. Jeder spürt die besondere Aura dieser Räume spontan. Die wenigsten können sagen, woran das genau liegt. Es liegt wohl an dem Außergewöhlichen, das hier seinen Platz hat. Das Außergewöhliche in Kirchen ist aber auch das Heilige. Denn Jesus Christus hat seinen Jüngern etwas Handfestes – Brot und Wein als seine Statthalter überlassen: Das ist mein Leib – das bin ich und das ist das Blut des Bundes Gottes mit den Menschen. Hier, in diesem Raum, wie auch in den vielen anderen Kirchen wird es erfahrbar. Deshalb ist das „Aufgeschlossen sein“ so bemerkenswert und wichtig, weil es eine Einladung ist, das Heilige zu spüren, danach zu fragen, es zu berühren, ja sogar zu genießen. Diese sinnliche Erfahrbarkeit des Heiligen ist ein Alleinstellungsmerkmal des Christentums. Unser heutiges Hochfest Fronleichnam stellt das in den Mittelpunkt.
Die äußeren Formen dieses Festes werden aber von vielen Menschen heute immer weniger verstanden. Sie können die darin verpackte Botschaft nicht mehr ablesen oder deuten. Und das wirft die Frage auf, wie wir die Menschen, denen wir alltäglich begegnen, mit Gott in Verbindung bringen. Denn es geht ja nicht ausschließlich um Selbstvergewisserung, sondern um Verkündigung.
Denn ich denke, dass das Christentum nichts von seiner Faszination und seinem Glanz verloren hat, auch wenn wir das in unserer Kirche nicht immer spüren, ja vielleicht sogar das Gegenteil erfahren. Überall sind Zeichen der Krise sichtbar, die einem das Christsein fragwürdig erscheinen lassen.
Ja, da läuft irgendwas unrund und die gutgemeinten Bemühungen gehen oft ins Leere. Hier müssen wir auf die Suche gehen, nach neuen und aktuellen Formen, nach Berührungsflächen und -orten. Denn nicht das Christsein ist fragwürdig, sondern das was Christen tun und es für das Nonplusultra der Kirche halten.
Ich denke, wir beschäftigen uns zu sehr mit Dingen, die wir zwar für wichtig halten, vielleicht sogar halbwegs wichtig sind innerhalb unserer Koordinatensysteme. Aber sie sind nicht wirklich der Kern unseres Glaubens. Viele Menschen finden das was wir tun deshalb uninteressant, vielleicht sogar ärgerlich.
Sie wollen jetzt bestimmt Beispiele hören – gut: Ein aktuelles Beispiel ist der unschöne Streit der deutschen Bischöfe über die Zulassung evangelischer Ehepartner zur Eucharistie. Von diesem Streit gehen zwei Signale aus: die Bischöfe scheinen einerseits die Realität zu ignorieren und sie streiten sich andererseits um ein Thema, das nur eine hartherzige, knochenharte Lösung zulässt oder den Anschein erweckt, das katholische Gut wird der Beliebigkeit geopfert.
Vor allem stellen Sie die Jahrzehnte ökumenische Bemühungen in Frage, die mittlerweile keineswegs nur noch Theologen oder Funktionäre berührt, sondern in den real existierenden Gemeinden angekommen ist. Die Ökumene reicht erfreulicherweise in die Lebensrealität der meisten Christen hinein. Sie ist in den Familien angekommen.
Ökumene ist gottseidank nicht mehr nur ein Gegenstand von Sonntagsreden, sondern sie wird überall fast selbstverständlich Wirklichkeit. Unser Land, aus dem durch die Reformation die neuzeitliche abendländische Kirchenspaltung seinen Ausgang nahm, hat da nochmal eine besondere Verantwortung. Von dem Streit in der deutschen Bischofskonferenz geht ein fatales Signal des Rückwärtsgangs aus. Ich kann gut verstehen, dass der Papst dieses Thema genervt an die deutschen Bischöfe zurücküberwiesen hat. Eine gute Lösung ist aber möglich. Ich denke, hier sollte der Glauben und das Gewissen des Einzelnen in den Vordergrund gerückt werden, so wie es bereits vielerorts Praxis ist. Das ist keine Ökumene mit der Brechstange, sondern ein Ehe- und Familienpastoral in unserer Zeit, in der die Konfession in der Familie nachrangig ist.
Es wird heute doch deutlich, dass die meisten Christen sich nach einer Kirche sehnen, die ihre Lebensrealitäten im 21. Jahrhundert ernst nimmt und die Zeichen der Zeit wirklich zu deuten vermag, einen Realitätssinn hat und Antworten auf reell gestellte Fragen sucht. Was ist also zu tun?
Ich denke, wir dürfen nicht hier in unseren Räumen, ob sie nun 1000 Jahre alt sind oder nur 100 oder 50 verharren. Die zwar ein Symbol der Ewigkeit sind, aber keins der Starre sein dürfen. So schön und wichtig diese Atmosphäre in einem solchen Raum ist – es ist nicht das Eigentliche, das den Glauben unserer Gemeinden und Gemeinschaften ausmacht. So schön der Dom innen und außen ist, er ist völlig unwichtig vor dem Großen und Überwältigenden unseres Glaubens und unserer Hoffnung. Deshalb ist das Motto „Aufgeschlossen“ auch an unsere Adresse gerichtet. Denn wir müssen durch die geöffneten Türen als Christen hinausgehen und Christus nicht hier in den Kirchen und Domen belassen, ja quasi einschließen und uns mit ihm. Denn er hat uns diesem Auftrag „Geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern“ (Mt 28,19a).
Er hat uns angewiesen, ihn hinauszubringen, ihn hinauszulassen in die Welt durch die aufgeschlossenen Türen der Tabernakel und der Kirchen. Wenn Sie so wollen, ist der Fronleichnamsumzug, den wir nachher antreten, ein Symbol dafür.
Amen.