„Jazz & Joy“ spielt sich nicht nur vor den Portalen des Domes ab. Die Domgemeinde lud auch dieses Jahr wieder zu einem Jazz-Gottesdienst ein, der musikalisch von der Band Ephata aus Obertshausen gestaltet wurde. Poppige und rockige Klänge zum Glauben und zum Mitsingen – dadurch zeichnet sich Ephata aus. Die Band war nicht zum ersten Mal zu Gast im Wormser Dom. Zuletzt 2016 begeisterte sie mit Ihrer Musik im Wormser Dom. Wenn Sie mehr über die Band erfahren möchten, schauen Sie doch gleich auf deren Homepage nach:
www.band-ephata.de
Lesen Sie hier die beeindruckende Predigt unseres Propstes Tobias Schäfer:
20. SONNTAG LJ B 19.08.2018 (Jazzgottesdienst)
zu: Spr 9, 1-6
Glaube macht weise!
- Schön blöd, an einen Gott zu glauben! Schön blöd, Sonntag für Sonntag in die Kirche zu rennen!“, „Was bringt dir das denn?“ „Guck dir doch den alten Papst da in Rom an mit seinen verschrobenen Ansichten von vorgestern, da muss man doch wirklich von vorgestern sein, wenn man das noch ernst nimmt, was die in der Kirche da sagen!“ So oder so ähnlich denken und argumentieren heute viele Menschen. Und besonders für junge Menschen ist es schwer, da gegen den Strom zu schwimmen, für die eigene Überzeugung, für den Glauben einzustehen. Was müssen Schüler heute einstecken, wenn in der Klasse bekannt ist, dass sie regelmäßig zum Gottesdienst gehen, vielleicht sogar Messdiener sind. Da gehört enorm was dazu, das auszuhalten und trotzdem bei der Stange zu bleiben. Und wenn wir hier mitten im Trubel von Jazz&Joy zum Gottesdienst einladen, dann lächeln die meisten, die bis nachts vor den großen Bühnen um den Dom abgefeiert haben, nur müde: nett, dass sich die Domgemeinde mit ihrem Jazzgottesdienst da irgendwie dranhängt und mitmachen will, aber doch nicht so ganz ernst zu nehmen.
- Es scheint jedenfalls für die meisten unserer Zeitgenossen heute ziemlich klar: Glaube und Religion passt nicht zum modernen aufgeklärten Menschen. „Glaubst du noch oder denkst Du schon?“, so war einmal im Wormser Stadtmagazin ein provozierender Artikel überschrieben. Für die meisten ist es eine ausgemachte Sache: Glaube hat nichts mit dem Verstand zu tun, im Gegenteil: es widerspricht doch aller Vernunft, an Gott und so weiter zu glauben. Von den meisten werden wir dann so ein wenig belächelt wie kleine Kinder, die immer noch an den Weihnachtsmann und den Osterhasen glauben. Jedenfalls mit Wissen, mit Verstand hat das alles nichts zu tun. Dafür gibt es ja unsere Naturwissenschaften. Und die haben ja längst herausgefunden, wie alles funktioniert und entstanden ist. An einen Gott, der die Welt erschaffen hat, braucht ein vernünftiger Mensch heute jedenfalls nicht mehr zu glauben.
- Die Bibel vertritt mit Leidenschaft eine andere Meinung: für die Bibel ist es gerade eine Zeichen der Weisheit, an Gott zu glauben. Jetzt kann man natürlich leicht argumentieren: Klar, die Bibel muss ja so reden, sonst wäre es ja nicht die Bibel. Außerdem kommt sie aus Zeiten, wo die Menschen noch keine Ahnung hatten. Aber die Bibel argumentiert ja nicht so plump nach dem Motto: So ist es einfach und damit Basta! Sondern: Sie begründet sehr genau, was da vertreten wird. Und es lohnt sich, da einmal genauer hinzuschauen, warum für die Bibel Glaube und Verstand nicht nur kein Gegensatz sind, sondern im Gegenteil: der Glaubende der wirklich kluge, ja der weise Mensch ist.
- In der Lesung des heutigen Tages versucht es die Bibel mit einem schönen Bild. Da wird die Weisheit wie eine menschliche Person beschrieben: eine schöne, attraktive und anziehende Frau. Und zwar offensichtlich eine reiche, sehr begüterte Frau, in vielfacher Hinsicht begehrenswert. Eine gute Partie! Ihr Haus wird beschrieben als prachtvolle Villa im besten Viertel, auf der Höhe der Stadtburg, also dort, wo die Vornehmen wohnen. Sie hat Dienstmägde, die sie aussenden kann. Und diese Frau Weisheit lädt jetzt zum Festmahl ein! Wer würde eine solche Einladung ausschlagen! Sie fordert die Gäste auf, ordentlich zuzulangen und verbindet damit die Mahnung: „Lasst ab von eurer Torheit!“
- Damit wird klar, was da eigentlich aufgetischt und kredenzt wird im Hause der Frau Weisheit: nämlich Klugheit, Wissen, das zu einem besseren, gelingenden Leben hilft. Darum geht es. Nun soll freilich damit nicht gesagt sein, dass man Weisheit so einfach buchstäblich mit Löffeln essen kann. Dieser Text der Bibel will die Menschen ermutigen, sich um Wissen, Einsicht, Klugheit, um wirkliche Weisheit zu bemühen. Offensichtlich ist das für die Bibel kein Gegensatz zum Glauben an Gott. Im Gegenteil.
- Das wird noch deutlicher, wenn wir im Buch der Sprichwörter, aus dem diese Beschreibung des Festmahles bei Frau Weisheit stammt, ein paar Seiten zurückblättern. Dort wird nämlich beschrieben, wie sich die besagte Frau Weisheit schon bei der Schöpfung der Welt in der Nähe Gottes aufhielt. Sie hat gesehen, wie alles entstand. Mehr noch: sie ist schon immer so nahe bei Gott, das sie praktisch nichts anderes ist als eine besondere Seite Gottes, man könnte sagen: die dem Menschen zugewandte Seite Gottes. Die Weisheit ist fast eine Mittlergestalt zwischen Gott und den Menschen, die Brücke, über die wir Menschen uns Gott nähern. Je mehr Einsicht wir also in die Ordnung der Welt erhalten, desto näher kommen wir Gott.
- Anders gesagt: Wer die Welt nicht nur oberflächlich betrachtet und erforscht, wer tiefer nachfragt, woher und woraus alles kommt, der wird auch erkennen, das hinter allem ein Plan steht, eine tiefere Ordnung, die von Gott kommt. Natürlich kann ich die Welt auch einfach technisch-materialistisch erforschen, ohne nach dem tieferen Sinn zu fragen. Aber das ist für mich genau der Unterschied zwischen nacktem Wissen und wirklicher Weisheit. Wer nur nach Wissen strebt, dem genügt es, wenn er weiß, welche Teilchen und Atome und Neutrinos und was auch immer beim Urknall wie auch immer zusammengestoßen ist. Wer aber nach Weisheit strebt, der fragt weiter. Der fragt – genau wie ein Kind – immer weiter nach dem Warum? Und der wird dann auch entdecken, dass hinter allem Gottes Plan steht, Gottes Wille, etwas zu schaffen, das gut ist.
- Wer glaubt, der erkennt hinter allem, was ist, Gottes Heilsplan. Wer glaubt, der weiß, dass alles nicht einfach nur zufällig ist, sondern weil Gott es wollte. Wer glaubt, der hat schon vom Tisch der Frau Weisheit gekostet, wenigstens den einen oder anderen Happen. Natürlich gibt es auch beim gläubigen Menschen manchmal Zweifel. Natürlich verstehen wir auch nicht alles. Natürlich sind da auch oft bedrängende Fragen wie: Warum kann Gott so etwas zulassen? Wie kann er das nur wollen? Natürlich sind wir nicht bloß, weil wir Christen sind und an Gott glauben schon zugleich Menschen, die die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Aber wer glaubt, der ist zumindest offen dafür, dass diese ganze Welt mehr ist als das Produkt von Zufällen; wer glaubt, der ist zumindest offen dafür, dass unser Leben als Menschen einen tieferen Sinn hat, auch wenn wir nicht in allem, was uns im Leben widerfährt, gleich den Sinn entdecken können.
- Freilich: der Verstand, das Erforschen des Woher und Warum, das ist nicht der einzige Zugang zu Gott. Es gibt viele andere Wege. Die Kunst etwa ist ein Weg, der gerade nicht über den Verstand, nicht über den Kopf führt. Oder die Musik – und damit sind wir wieder beim Jazz-Festival. Auch die Musik ist eine Art, um zu spüren, dass es Ebenen der Wirklichkeit gibt, die nicht einfach über den Verstand zugänglich sind. Deshalb an dieser Stelle Danke an die Band Ephata, dass Sie uns heute in diesem Gottesdienst mit ihrer Musik einen Weg öffnen, der uns spüren oder erahnen lässt, dass es mehr gibt als das, was die Naturwissenschaften uns erschließen können. Denn auch Musik ist ja mehr als nur ein passendes Zueinander von unterschiedlichen Frequenzhöhen. Auch die Musik lässt uns spüren, dass es einen tieferen Sinn gibt im Leben.
- Wer aber weiß, dass unser Leben einen Sinn hat, der, das ist meine feste Überzeugung, lebt anders und besser! Wer glaubt, der vertraut darauf, dass Gott es gut meint mit uns. Und das hilft, um gelassener, besser, glücklicher zu leben. Wer glaubt, dem genügt es nicht, in seinem Leben möglichst viel Wissen anzuhäufen, sondern der ist schon einen entscheidenden Schritt weiter: er ist zumindest auf dem Weg vom Wissen zur Weisheit.