Keine Vollmacht zu segnen?
Die Kirche habe nicht die Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen. Es sei "nicht erlaubt, Beziehungen oder selbst stabilen Partnerschaften einen Segen zu erteilen, die eine sexuelle Praxis außerhalb der Ehe (das heißt außerhalb einer unauflöslichen Verbindung eines Mannes und einer Frau, die an sich für die Lebensweitergabe offen ist) einschließen, wie dies bei Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts der Fall ist" – sagt die römische Glaubenskongregation in einer Stellungnahme vom 15. März.
Ich glaub’s ja nicht… im wahrsten Sinne des Wortes. Diese Stellungnahme aus Rom macht mich fassungslos. Wenn die Kirche keine Vollmacht hat zu segnen, wo immer Menschen sich nach Segen sehnen: hat sie da nicht ihre ureigenste Aufgabe aufgegeben? Segen ist doch kein Instrument für moralisches Urteil! Sondern die Zusage, dass Gott da ist, das er mit uns geht. In guten wie in schweren Stunden. Was für eine Hybris zu glauben, wir müssten Gott vor mutmaßlich sündigen Situationen schützen; wir müssten den Segen Gottes schützen, dass ja er nicht die „Falschen“ erreicht. Den Gott, der Mensch geworden ist, und sich in diese sündige Welt hineinbegeben hat, zu unserem Segen.
„Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein!“ (Gen 12,2) Wo die Kirche glaubt, sich zur Wächterin über den Segen Gottes machen zu müssen, ist sie kein Segen mehr für die Welt.
Und ehrlich: müssten wir als Kirche, die Priester, die Bischöfe nicht die ersten sein, die heil froh sind, dass Gott auch die Sünder segnet? Sonst wäre wahrlich wenig Hoffnung für eine Kirche, deren sündige Seiten gerade in dieser Zeit so offenbar geworden sind.
Und, damit kein Missverständnis ist: Ich glaube nicht, das Schwule, Lesben, Transgender sündige Menschen sind. Sie sind von Gott geliebt wie jeder liebende Mensch. Und stehen unter Gottes Segen.
Ich habe als Priester meinem Bischof – und damit der Kirche, nein noch viel mehr: Christus Ehrfurcht und Gehorsam geschworen. Und dazu stehe ich mit ganzer Überzeugung. Und doch gibt es gerade um diesen Gehorsam willen auch einen Punkt, wo ich sagen muss: Den Segen Gottes zu spenden, wer immer ihn braucht, erbittet und ersehnt: das kann und werde ich niemandem verweigern.
„Hier stehe ich, ich kann nicht anders…“
Tobias Schäfer
Propst am Dom zu Worms