Impressionen und die Predigt von Propst Tobias Schäfer
FASTNACHTSPREDIGT 2024 (6. Sonntag, LJ B): zu: 1 Kor 10, 24-24.31-11,1 & Mk 1, 40-45
„Wer der Liebe verpflichtet ist, der schaut nicht bloß drauf,
was seinem eigenen Nutzen dient, sondern der fragt: Was baut auf?“
Liebe Schwestern und Brüder, ich muss wirklich sage,
schau ich in die Welt, dann platzt mir der Krage:
Man krieg doch den Eindruck, wohin ich auch gucke,
die ganze Welt ist bekloppt und völlig Meschugge.
Da hab ich geglaubt und gehofft auch im Stille,
nach Corona würden sich die Kirchen wieder füllen,
die Menschen wären dankbar, dass wir es gemeinsam geschafft,
und auch der letzte hätte durch Corona endlich gerafft,
wie sehr wir darauf angewiesen sind, aufeinander zu schauen,
und Rücksicht zu nehmen auf die Schwachen, und solidarisch Zukunft aufbauen.
Dabei ist nach Corona, wie ich das jetzt seh‘,
unsere ganze Gesellschaft tiefer gespalten denn je,
„Jeder gegen jeden, und „Ich“ zuerst in jedem Falle!“ -
Das scheint jetzt das Motto, wie tief sind wir gefalle!
Die Weltklimakonferenz in Dubai gescheitert, es regiert nur das Geld,
dabei geht’s um das Überleben der Menschheit – um die Zukunft der Welt!
In der Ukraine wird weiter geschossen und gebombt, es ist zum Kreine
Menschen sterben und hungern, Soldaten, Zivilisten, Große und Kleine.
Dann das Massaker in Israel – Frauen, Männer und Kinder einfach niedermähen,
wahllos abschlachten aus purem Hass, nur um Zwietracht zu säen,
von der Hamas, einer Terrororganisation der übelsten Sorte,
das schlimmste Massaker an Juden, da fehlen die Worte,
seit dem Holocaust der Nazis, der beispiellosen Völkervernichtung.
„Nie wieder ist Jetzt!“ – das dürfen nicht bloß Worte sein. Das ist Verpflichtung!
Seitdem tobt dort Krieg, die Zahl der Toten geht in die Zehntausende, wie man hört,
und mit jeder weiteren Rakete wird die Hoffnung auf einen Frieden zerstört.
Und auch in der Kirche, man hat die Schlagzeilen längst über,
geht es seit Jahren nur noch drunter und drüber:
man bekämpft sich bis aufs Messer: die wo Reformen ersehnen, ganz klar,
gegen die, wo meinen, dass alles bleiben muss, wie‘s immer schon war,
Rom schimpft auf die Deutschen, deren Synode sei pure Häresie
und die Deutschen schimpfen auf Rom, auf den Papst, die Kardinäle, weil die
im Mittelalter hängen geblieben, nicht mitbekommen, was die Stunde geschlagen,
Den einen ist der Papst nicht modern genug, andern schlagen seine Ideen auf den Magen.
Konservative Kardinäle und Bischöfe intrigieren gegen den Papst, weil sie bedauern,
dass der die Segnung von Schwulen erlaubt hat – die darf aber höchstens 10 Sekunden lang dauern.
Wir machen uns selbst zum Gespött so und schaffen uns ab.
Da braucht‘s nicht mal die Fastnacht: die ganze Welt lacht sich schlapp.
Nationalisten und Populisten feiern überall fröhliche Urständ, säen Hass und Feuer
in Holland, in Ungarn, in Italien, in der Türkei sind sie schon am Steuer.
Und auch in Deutschland, es ist unerträglich, ich kann es nicht fassen,
werden Pläne geschmiedet, um wieder Menschen deportieren zu lassen;
in Geheimtreffen rotten sich die Nazis 2.0 zusammen, wie einst am Wannsee
und mitten dabei die selbsternannte neue „Volkspartei“ AFD.
Das macht mich sprachlos und wütend, denn ganz offenbar
ist auch in unserm Land – ausgerechnet in unserm Land - der braune Mob wieder da.
Das ist eigentlich alles viel zu traurig, um es in lustige Verschen zu verkleiden,
wenn man so in die Welt schaut, kann das allen Spaß und die Freude verleiden.
Andererseits: wie könnte man diese Welt und die Dummheit der menschen ertragen
ohne Humor und den Mut über uns selbst auch zu lachen, bin ich mich am Fragen.
Sonst müsste man doch ernsthaft den Glauben an die Menschheit verlieren, ohne Faxen:
Ist gegen die Dummheit des Menschen denn wirklich kein Kraut gewachsen?
Die Dummheit scheint sich wie eine ansteckende Krankheit über die Welt auszubreiten,
so ansteckend wie der Aussatz in biblischen Zeiten.
Doch würd‘ man es so machen, wie man‘s in der Zeit der Bibel gemacht,
und alle an Dummheit Leidenden in die Wüste jagen, das wär‘ ja gelacht,
dann würde es in unserer Gesellschaft, in den Dörfern und Städte,
ziemlich still und einsam werden, jede Wette.
Deshalb, auch wenn’s schwer fällt, wir müssen andere Wege gehen,
wie das aussehen kann, könnt ihr an Jesus heut sehen.
Er geht ohne Berührungsangst auf den Aussätzigen zu,
er kommt mit ihm ins Gespräch, reicht ihm die Hand, und plötzlich, im Nu
wird der Aussätzige rein, ist geheilt, ist in der Gemeinschaft wieder angekommen.
Statt Ausgrenzung hat Jesus hier einen anderen Weg genommen.
Er geht auf die Menschen zu, weil er uns zutraut, dass wir, echt wahr
uns ändern können, wenn wir nur wollen. Denn auch das ist ganz klar:
den ersten Schritt im Evangelium musste der Aussätzige gehen:
Er musste auf Jesus zugehen und überhaupt erst mal einsehen,
dass er krank ist und Hilfe braucht, und „Mach mich rein!“ sagen.
Für einen solchen Schritt braucht‘s Mut! Das muss man sich erst mal wagen!
Wie man Menschen, die nur für die eigene Überzeugung kämpfen, wieder gewinnt,
zeigt uns aber auch Paulus in der Lesung heut klug und geschwind.
„Ich versuche allen alles zu sein“, sagt er, „Ich will allen in allem entgegenkommen!“
Also jedem nach dem Mund reden? Echt jetzt, Paulus? frag ich beklommen.
Das Fähnchen nach dem Wind zu drehn und jedem sagen, was er hören will, ist Mist!
Leute, die das tun, nennt man bei uns „Populist!“
Und das sind grad die Typen, denen die Dummen in Scharen nachrennen,
die die Solidarität in der Gesellschaft zerstören und uns in den Abgrund drängen.
Auch in Korinth zur Zeit des Paulus sind ordentlich die Fetzen geflogen.
Man stritt über‘s Essen dort, ganz ungelogen;
ob man Fleisch, das auf dem Markt angeboten, das aber, recht betrachtet
als Opferfleisch für die heidnischen Götter ursprünglich geschlachtet,
als Christ essen dürfe: Darüber gab’s heftigen Streit, die Gemeinde zerbricht.
Für Paulus, als Patron der Freiheit, war klar: Man darf. Warum nicht?
Wenn’s keine Götter und Götzen gibt, warum sollte das Fleisch unrein sein?
Also bitte: Lasst’s euch nur schmecken. Haut rein!
Für die Frommen aber war das unerhört:
Weil, wer so etwas lehrt, die Fundamente des Glaubens zerstört.
Doch Paulus, unbeirrt, sagt: „Alles ist erlaubt!“ – doch dann kommt ein „Aber“ hinterher:
„Alles ist erlaubt, aber nicht alles nützt und baut auf!“ sagt er.
Denn wer der Liebe verpflichtet ist, der schaut nicht bloß drauf
was erlaubt ist, dem eigenen Nutzen dient, sondern der fragt: Was baut auf?
Was dient der Gemeinschaft, was nützt für eine bessere Welt und Zukunft uns allen?
Oder, wie Paulus es sagt: Was kann ich tun, um Gott zu gefallen?
Paulus kämpft leidenschaftlich für die Freiheit – wie ihr sicher wisst,
aber nicht eine Freiheit, die nur ein anderes Wort für Egoismus ist;
nicht eine Freiheit, die zu Spaltung führt, weil sie nur den eigenen Nutzen kennt,
eine Freiheit, die über Leichen geht, die man Selbstgerechtigkeit auch nennt,
sondern eine Freiheit, die durch die Liebe gebunden ist, von der die Christen singen,
die fragt: „Was nützt denn allen?“ Wie kann Gemeinschaft gelingen?
Für den Christen ist immer wichtig, vor allem darauf zu schauen,
was allen nützt und was es braucht, um Reich Gottes aufzubauen.
Deshalb, auch wenn’s am Anfang vielleicht anders geklungen in euren Ohren:
Ich bin Optimist durch und durch! Die Welt ist nicht verloren!
Ich bin Optimist, deshalb glaube ich, es wird uns gelingen,
die Welt, die Kirche, unsere Gesellschaft wieder in die richtigen Bahnen zu bringen.
Ich bin Optimist, nicht einfach nur Träumer; ich seh‘ die Welt nüchtern wie sie ist.
Ich seh‘ was passiert: Kriege, Machtkämpfe, Rechthaberei, Egoismus und all den Mist.
Ich seh‘ die Dummheit der Menschen, ich seh‘ auch, wie ich selber oft bin.
Und trotzdem glaube ich fest: Wir kriegen das hin!
Mit Angela Merkel – ach was vemiss‘ ich in der Politik heute ihr Augenmaß –
sag ich mit Überzeugung: „Wir schaffen das!“
Wir werden es schaffen, eine neue Welt aufzubauen,
und auch die Kirche zu erneuern, ich tu fest drauf vertrauen,
und zwar weil ich weiß, und das glaub ich bis über beide Ohren:
Auch Gott hat sein Vertrauen in uns, seine Menschheit nicht verloren.
Er traut uns zu, dass wir, auch wenn’s mühsam ist, das Ruder rumreißen.
Er vertraut fest auf uns, dass wir die Flinte nicht ins Korn einfach schmeißen
Wir heißen ja schließlich „Christen“ und dieser Name ist Pflicht:
Aufgeben und resignieren gibt es für Christen nicht!
Das macht mir Mut, wie Gott auf uns schaut,
dass er uns trotz allem seine Welt anvertraut.
Der liebe Gott hat mit seiner Kirche schon ganz andere Katastrophen mitgemacht.
Dagegen ist, wie wir uns heut aufführen, für ihn nur Kinderfastnacht.
Und wenn er, der seit Urbeginn mit seiner Menschheit, ganz unbenommen
schon ganz anderes erlebt hat, uns trotzdem noch zutraut, es hinzubekommen,
dann gibt mir das Kraft mit und richtig Motivation,
und ich sag es noch einmal: „Wir schaffen das schon!“
Mit Gottes Hilfe, weil, auch das sag ich ehrlich, wie’s ist:
Alleine schaffen wir Menschen das nicht!
Doch langsam muss ich zum Ende jetzt kommen,
hab euch ordentlich strapaziert heute, Geliebte im Herrn, meine Frommen.
Aber wenn manche meinen, es genügt, einmal im Jahr zur Narrenmesse hier zu sein,
dann darf die Predigt an dem Tag auch ein bisschen länger mal sein.
Gott sei Dank hab‘ ich in meiner Predigt, kurz zurück mal geblickt
am Ende die Kurve ja dann doch noch gekriegt.
Und um auf die Fastnacht dann auch noch zu kommen, dem närrischen Fest:
Ihr Narren macht uns vor, wie man sich nicht unterkriegen lässt.
Dass man, egal wie ernst die Lage auch ist,
am besten fährt als Optimist,
als jemand, der die Dinge nüchtern sieht, wie sie sind,
aber mit Humor zu nehmen weiß, denn Resignation lähmt und macht blind.
Freude ist eine Kraft, die uns stark macht und immun, das sag ich zum Schluss,
gegen all die Unheilspropheten und ihre Botschaft, gegen Angst und Verdruss.
Und mit Freude im Herzen wird es uns auch gelingen,
die Welt, die so aus den Fugen geraten, wieder ins Lot zu bringen.
Und für mich als Christen, das sag ich immer gern,
kommt alle echte Freude letztlich vom Herrn.
Schön, dass Ihr heut all da seid, des freut mich wirklich, ganz klar.
Noch schöner wär‘ freilich, ihr wärt jeden Sonntag jetzt da.
Am besten erzählt ihr überall weiter, wie im Evangelium der aussätzige Mann,
wie toll’s hier im Dom ist, wie fetzig die Musik der Domband – und dann
wenn sich in ganz Worms diese Botschaft verbreitet, wie doll,
dann wär‘ unser Dom jeden Sonntag so rappelvoll!
Für die, die sich nicht so auskennen, möchte ich noch erklären ganz prompt,
dass jetzt nach der Predigt der Klingelbeutel gleich kommt.
Die Kollekte ist für die Aufgaben der Caritas, wenn des Körbchen gleich kimmt,
also für die Menschen in Worms, denen es nicht so gut geht, bestimmt.
Und damit wir den weiteren Verlauf der Liturgie dabei nicht weiter stören,
wär’s schön, wenn ihr auf Groschengeklimper verzichtet, ich will nur leises Knistern jetzt hören.
Vor allem sorgt dafür, dass unser Worms offen bleibt und bunt,
steht ein für die Demokratie, für die Freiheit, gegen Hass natürlich – und
denkt immer an das „Aber“ das uns Paulus mitgibt, und das vor Egoismus schützt:
„Alles ist erlaubt – aber schaut, ob es allen auch nützt!“
Denn eine Freiheit, die durch die Liebe sich bindet, ihr Lieben,
bewahrt vor Hass, Fanatismus, schenkt Freude und schafft Frieden!
Das ist die Moral von der Geschicht‘ meiner Predigt, ich hoff‘ sie kam an.
und vor allem: denkt auch bei den Wahlen noch dran!
Damit will ich heut enden, ich hoffe, die Botschaft ist angekommen.
Ich grüße noch einmal alle: die Narren, die Frommen,
Wenn euch meine Predigt berührt hat, dürft ihr gern wiederkommen;
Und alle, die ihr mit eurer Freude angesteckt habt, werden einfach mitgenommen.
Das war’s dann, man sieht sich, gern in diesem Rahmen.
Das war die Predigt gewesen. Helau! In Ewigkeit. Amen.