Schmuckband Kreuzgang

Predigt vom 12. Sonntag im Jahreskreis

12. Sonntag im Jahreskreis (c) Pfarrgruppe Dom St. Peter und St. Martin / Martina Bauer
12. Sonntag im Jahreskreis
Datum:
So. 21. Juni 2020
Von:
Martina Bauer

Fürchte dich nicht - Gott will bei uns sein

21.06.2020

  1. So A: 20./21.06.2020; Fürchte dich nicht – Gott will bei uns sein

Liebe Schwestern und Brüder,

Krise, Krise und nochmal Krise. Wer sehnt von uns nicht nach dem normalen und schnöden Alltag wieder zurück. In Ruhe shoppen gehen, irgendwo gemütlich ein Eis essen, kein Mund- und Nasenschutz mehr. Einfach wieder Alltag.
Schön wär’s! Die „Krise“ wird –sie ist- zum Alltag und sie wird uns noch länger begleiten. Sie wird ein Dauerbrenner in den Medien und in unserem Leben bleiben. „Homeoffice – bis auf weiteres“ – so heißt es beruflich bei mir.
Die Wirtschaft wird „auf Sicht“ fahren. Milliardenbeträge werden ausgegeben: für die Lufthansa und viele andere Branchen; dadurch Milliardendefizite im Bundeshaushalt, die uns über Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte hinweg belasten werden: irgendwie muss ja alles auch finanziert werden. Die wenigen Gewinner sind momentan -aus meiner Sicht- die Baumärkte und der online Handel.

Bemerkenswert: Wenn es um ein paar Millionen gegen den Hunger in Afrika ging, oder um die Kosten bei der Flüchtlingskrise: da, haben sich die Länder geziert.

Verbunden mit der Krise sind  auch Lebenskrisen, bedingt durch Arbeitslosigkeit, wenn den Unternehmen Insolvenzen drohen. Beim Kaufhof in Worms ist es ganz aktuell – und natürlich und ganz massiv: wenn das Virus einem das Leben nimmt.

Die Krise der Kirche ist dabei nicht neu, nur jetzt extremer spürbarer: leere Bänke beim Gottesdienst, keine Gemeindeaktivitäten mehr und: zurückgehende Gelder. Nicht nur viele unserer Bischöfe spüren nun, wie systemrelevant Kirche für die Menschen nun wirklich ist. Unser pastoraler Weg auf Bistumsebene und der synodale Weg auf Deutschlandebene lassen besonders grüßen. Mit der Corona-Krise wird die Krise der Kirche –aus meiner Sicht- noch deutlicher.

Ich will es jetzt nicht schön reden, denn Krisen sind ja nicht neu. Krisen, gleich welcher Art, gab es schon immer. Die Lesungen heute geben Zeugnis davon. Den Propheten Jeremia kennen wir aus seinen Klageliedern, die in der Passionszeit zu hören sind. Sonst kommt Jeremia nur recht selten in der Leseordnung vor. Jeremia predigte dem Volk Israel  - und besonders der Führungsriege, die Bekehrung und Umkehr zu JHWH hin und prophezeite jahrelang den Untergang Jerusalems und des Tempels, der (im Jahr 586 v. Chr.) durch den babylonischen König Nebukadnezar dann tatsächlich eintrat. Das Buch ist eine wichtige Quelle für die Geschichte des ausgehenden Königtums im Südreich Juda. Es zeichnet dabei ein detailliertes Bild der damaligen politischen und sozialen Verhältnisse.
Jerusalem wird zerstört werden! Das müssen sich die Führenden immer wieder anhören. Das elementarste, das wichtigste à für die damalige Zeit war das systemrelevant! Verleumdung und Grauen gehen damit einher. Eine existentielle Krise also auch schon damals.

Das Evangelium nimmt diesen Krisenfaden auf. Die Jünger werden in die Welt geschickt, die frohe Botschaft zu verkünden. Das ist im Prinzip gut. Und sie wissen ja, auf was sie sich einlassen. Also: Wohlwissend, dass es Menschen gibt, die es nicht gut meinen, die sogar den „Leib töten“. So eine Nachfolge kann gefährlich, gar tödlich sein.

Eigentlich könnten wir nach diesem Krisenmodus jetzt zusammenpacken und uns doch aufgeben. Wenn da die Texte heute nicht noch eine andere Botschaft hätte.

Bedingt durch die alte Sprache des Propheten wirkt es auf mich so ein bisschen,  wie so ein frommer Weichspüler: „der Herr steht mir bei, wie ein gewaltiger Held“. Die Verfolger werden fallen. Wir müssen nur auf unsere Geschichte vom letzten Jahrhundert schauen, um zu erkennen, dass das nicht wortwörtlich zu nehmen ist, denn im Angesicht von Krankheit, Verfolgung, Restriktionen usw., dann dem Herrn zu singen – und alles wird gut? Gott wird also die Bösen bestrafen und die Guten belohnen.
Ich möchte es anders auslegen:
Gott bewahrt uns bestimmt nicht vor den Krisen der Welt. Er schickt uns die Krisen auch nicht. Er bewahrt uns nicht vor Krankheiten, Insolvenzen, gar dem Tod. Die Botschaft ist eine andere:
Gott will bei uns sein in der Krise, in den Krankheiten, in der Not der Menschen. Gott will, das wir leben.
Damit sind es keine frommen Sprüche, die über die Menschheit ausgegossen wird.

Gleich dreimal heißt es „fürchtet euch nicht“. Nochmal verstärkt wird es durch das „Ansehen“ Gottes zu jedem Menschen. Die Zusage Gottes steht, denn er kennt einen jeden von uns so gut, dass er sogar die Haare auf dem Kopf zählt à eine schier grenzenlose Vatersorge.
Für mich sind es wunderbare Worte des Trostes, Worte der Hoffnung, Worte der Treue Gottes zu den Menschen, die über die Katastrophe der Zerstörung des Jerusalemer Tempels und der tödlichen Nachfolge der Jünger hinausgehen – das gilt bis zum heutigen Tag.
Gottes Fürsorge geht über das rein leibliche hinaus: Ich fühle mich geborgen – auch über die Zeiten und über das Leben hinaus. Gott hat ein offenes Ohr für einen jeden von uns. Er weiß von jedem Einzelnen, bis hin zum noch so grauen Haar. Welch ein Trost!

Dennoch ist so eine Zusage kein Freifahrtschein für ein verantwortungsloses Leben.
Ich bin überzeugt, dass diese Krise nutzbar ist, für eine Erneuerungsbewegung. Für eine Besinnung auf das, was Gott von uns will, was der eigentliche Kern seiner Botschaft ist. Und wie wir es im Leben umsetzen können.
Mitten in der Pest- und Krisenzeit des Spätmittelalters schrieb der Dominikaner Johannes Tauler: der Heilige Geist wirkt zweierlei: Er macht leer, und er füllt das Leere, soweit und soviel er es leer findet.
à In meinen Worten: manchmal muss erst etwas kaputt gehen, damit etwas Neues aufbrechen kann. Damit der Blick wieder geschärft werden kann à Da sind wir also nicht nur dabei: wir sind momentan mittendrin!

So bin ich schon überzeugt, dass wir als Christen in dieser Zeit gefordert sind. Das Bekenntnis zu Christus bringt ja nichts, wenn es im Geheimen bleibt. Und jetzt doch erst recht!
In den vergangenen Wochen und Monaten habe ich bei vielen Menschen erfahren, wie es trotz der Restriktionen gehen kann: Im liebevollen hinwenden zu den Menschen, in Einkaufsaktionen für Ältere, in den Möglichkeiten, wie das Wort Gottes geteilt werden kann. Und so weiter. Das gibt Hoffnung.

Liebe Schwestern und Brüder:
fürchtet euch nicht. Fürchte dich nicht: unser Gott kennt dich. Und er wird mit dir sein. Hab keine Angst. Amen.

 

Fürbitten:

Wir beten zu unserem Gott, dessen Treue uns trotz vieler Ängste und Befürchtungen leben lässt:

 

  1. Für die Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik: dass sie alles in ihrer Macht Stehende tun, damit wir vor den Bedrohungen des Lebens bewahrt bleiben.
    Du treuer Gott: Wir bitten dich erhöre uns.
  2. Für die Einsamen und Ängstlichen unter uns: dass sie Menschen begegnen, die sie durch Solidarität und Offenheit zum Leben ermutigen.
  3. Für unsere Gemeinden: dass sie in ihnen nicht menschliche Furcht und Verzagtheit herrscht, sondern dein guter Geist.
  4. Wir beten für die Menschen, die Zivilcourage zeigen.
    Für alle, die widersprechen, wenn die Rechte ihrer Mitmenschen bedroht werden.
    Für alle, die Angst vor Angriffen und vor Verleumdung haben.
  5. Wir beten für die Menschen, die die Corona-Krise und seine Folgen in die Armut treiben.
    Für Männer und Frauen, die ihre Arbeit verloren haben,
    für Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihren Betrieb aufgeben mussten und vielleicht noch müssen;
    und für alle, die an ihrer schwierigen Lage zu verzweifeln drohen.
  6. Gedenke du Herr unserer verstorbenen Brüder und Schwestern: Schenke Ihnen das ewige Leben.

 

Nichts bereite uns Furcht,
nichts bereite uns Sorge.
Denn du, Gott, allein genügst.
Dir sei Lob und Preis in Ewigkeit. Amen.