Schmuckband Kreuzgang

Predigt vom 18. Sonntag im Jahreskreis

Teilen macht satt (c) Tobias Schäfer
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Datum:
So. 2. Aug. 2020
Von:
Martina Bauer

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02.08.2020

  1. Sonntag, LJ A (2020): zu: Mt 14, 13-21

(Dom / Vorabendmesse und 11:30 Uhr)

 

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  1. Im 19. Jahrhundert kauft der „Deutsche Verein vom Heiligen Lande“ am Nordufer des See Genezareth Land. In zähen und langwierigen Verhandlungen hatte man das Land den Beduinenfamilien, die dort seit alters her mit ihren Zelten wohnten, abgekauft. Es war nicht irgendein Stück Land, es war wohl ausgesucht: denn damals wetteiferten verschiedene Nationen und Orden darum, Kafarnaum zu entdecken: die Stadt am See, in der Jesus im Haus des Petrus gewohnt hat; wo er in er Synagoge predigte, die Tochter des Hauptmanns heilte und so fort. Kein anderer Ort außer Jerusalem ist in den Evangelien häufiger genannt als Kafarnaum. Der Verein hatte das Land gut ausgesucht und ausgekundschaftet. Dort gab es uralte Mauern, eine Art mächtiges Tor. Wie sich aber später herausstellte, waren es aber „nur“ die Reste eines riesigen Sultanspalastes aus dem 8. Jahrhundert. Kafarnaum sollten die Franziskaner etwa 8 Kilometer weiter östlich ausgraben. Das Land, das die Deutschen gekauft hatten, sollte sich als sumpfiges Quellland herausstellen, voller Malaria und Moskitos. Pech gehabt. Aber dann entdeckten die Mönche, die der Verein dort ansiedelte, um das Land wenigsten urbar zu machen und landwirtschaftlich zu nutzen, etwas anderes, nicht weniger Bedeutendes: die Fundamente einer uralten Kirche aus dem 4. Jahrhundert und Reste eines wunderbaren Mosaikfußbodens dieser Kirche, der die ganze reiche Landschaft darstellt: ein subtropische Tier- und Pflanzenparadies: Reiher und Störche, Nilgänse und Pfauen, Bis heute beeindruckende Mosaiken, die ahnen lassen, was für ein fruchtbares Land dieser Landstrich am See einst war. Und, an der Stelle, an der in der Kirche der Altar gestanden haben musste, ragte ganz seltsam ein Stück Felsboden mitten aus dem Mosaik. Und vor diesem nackten Felsen wieder ein Mosaik: ein geflochtener Korb, in dem 4 runde Brote – jeweils mit einem Kreuz gekennzeichnet – liegen. Und neben dem Korb rechts und links je ein Fisch. Als die Mönche dieses Mosaik sahen, war ihnen sofort klar, was sie gefunden hatten: Sie deckten es gleich wieder zu und versteckten es, denn mittlerweile war der Unabhängigkeitskrieg ausgebrochen, keiner wusste, wie das alles ausgehen würde. Erst viel später baute man über den Mosaiken eine Art Notkirche, und in den 80er Jahren dann genau auf den Fundamenten der alten byzanthischen Kirche eine neue in diesem Stil, in der die Mosaiken genau wieder am alten Ort zu liegen kamen. Über dem Felsen errichtete man einen Altartisch, so wie es wohl auch ursprünglich gewesen ist. und unmittelbar vor dem Altar ist nun dieses Mosaik mit den Broten und den Fischen. Der Ort, den der Verein zufällig und fast versehentlich entdeckt und gekauft hatte, ist der Ort der Brotvermehrung! Hier, genau auf diesem Felsen, so hat man wenigstens im 4. Jahrhundert angenommen, hat Jesus die 5 Brote und die zwei Fische genommen, den Lobpreis gesprochen, den noch heute fromme Juden vor dem Sabbatmahl beten: „Gepriesen seist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns das Brot…“ Und dann das Brot und den Fisch ausgeteilt an die vielen Tausenden, und alle wurden satt. Und 12 Körbe sammelt man schließlich an Resten noch ein.
  2. Ich habe letztes Jahr im Frühjahr, als alles dort blühte und grünte, ein paar Tage zu Exerzitien an diesem Ort verbringen dürfen. Und auch in diesem Jahr, unmittelbar vor dem Corona-Lockdown, war ich wieder dort. In der Tat spricht alles dafür, dass es der historische Ort ist: „Heptapegon“ heißt der Ort von alters her auf griechisch: „Siebenquell“. In der Sprache der Beduinen wurde „Tabgha“ daraus. Warme Quellen machen es zu einem besonders grünen und fruchtbaren Ort. Während zur Zeit Jesu am anderen Ufer gerade die römische Stadt Tiberias – die Partnerstadt von Worms – erbaut worden war, ebenfalls an heißen Quellen – ein Luxus-Bade- und Kurort für die Reichen und Schönen der Zeit Jesu, war das hier offenes Gelände. Hierher kamen die Armen, die sich die Heilbäder von Tiberias nicht leisten konnten, um ihre gischtigen Glieder in dem warmen Wasser zu baden. Ganz zweifellos war das der Ort, wo die „Mühseligen und Beladenen“ zusammen kamen, zu denen Jesus spricht, und die Kranken, die von ihm Heilung erhoffen.
  3. Im heutigen Evangelium wird es ja plastisch erzählt. Und der Ort war abgelegen: Nach Tiberias gute 15 km, nach Kafarnaum auch 5-8 Kilometer. Wie Jesus sich hierhin, selbst voller Sorgen und Trauer über die Hinrichtung von Johannes, zurückziehen will, und wie er hier auf die Menge der Armen und Kranken stößt. Irgendwann ist genug. Irgendwann muss Jesus auch mal an sich selbst denken, denken die Jünger. Und denken wohl auch ein bisschen an sich. Aber nüchtern betrachtet haben sie ja auch recht: sie merken, die Menschen brauchen was zu essen; es wird höchste Zeit, dass sie aufbrechen, um noch die Dörfer zu erreichen und sich versorgen zu können. Eigentlich sind sie sogar sehr fürsorglich und besorgt: um Jesus, aber auch um die Menschen. Und machen doch alles falsch, einfach weil sie nicht mit Gott rechnen. Ich entdecke mich oft in den Jüngern: wir planen, wie wir als Kirche, als Gemeinde unseren Auftrag gut und sorgsam und verantwortlich wahrnehmen können. Wie wir den Hunger, die Sehnsucht der Welt am besten speisen können – indem wir uns so gut wie möglich organisieren neu aufstellen. Das sind ja gerade die Fragen des Pastoralen Weges: Bestandsaufnahme: Was haben wir an Ressourcen? Wie können wir die am besten und am sinnvollsten einsetzen? Wie können wir Strukturen schaffen, damit trotzdem möglichst alle versorgt sind, keiner zu hungern braucht? Nichts anders machen die Jünger.
  4. Und dann kommt Jesus, und macht ohne Strategieplanung, ohne Pastoralplan alles anders: einfach das wenige, das noch da ist, teilen. Ohne großen Plan. Nur mit Gebet und im Vertrauen auf Gott. Und alle werden satt. Und es bleibt sogar noch in Fülle übrig. Unfassbar.
  5. Was bedeutet das jetzt? Das wir uns Pastoralen Weg, eine Pastoralplanung für die Zukunft, überhaupt das Nachdenken, wie es weitergehen soll mit der Kirche, mit unseren Gemeinden, einfach sparen können? So sicher nicht. Aber dieses selige Gottvertrauen wünsche ich uns in all unseren Planungen: Gott wird schon sorgen! Wir haben keinen Grund zur Torschlusspanik; es gibt keinen Grund zu Weltuntergangsstimmung in der Kirche. Wer auf Gott vertraut, wer glaubt, dass er bei seiner Kirche ist, der hat keine Angst.
  6. Das andere wichtige Stichwort, das uns das heutige Evangelium mit auf den Weg gibt, ist „Teilen“. Ganz bewusst hat unser Bischof den ganzen Pastoralen Weg unter diese Leitperspektive gestellt: Glauben teilen, Leben teilen, Ressourcen teilen und Verantwortung teilen: so wie Jesus das Brot und die Fische teilt. Wer wirklich den Mut hat, zu teilen, ohne die leidige Angst, am Ende selbst zu kurz zu kommen oder auf der Strecke zu bleiben, der wird auch die Erfahrung machen wie die Menschen in Tabgha: alle werden satt. Und es bleibt noch genug übrig. Mut zum Gottvertrauen, zum Vertrauen, dass Jesus bei uns ist; und Mut zum Teilen! Das sind die entscheidenden Grundhaltungen, die wir brauchen.
  7. Das uralte Mosaik von Tagbha will uns aber noch etwas sagen. Es ist ja nicht nur eine Art antikes Hinweisschild: Hier hat die Brotvermehrung stattgefunden. Es ist selbst Botschaft. Denn eigenartiger Weise sind in dem Brotkorb dieses Mosaikes nur 4 Brote, obwohl durch das Evangelium ausdrücklich von 5 Broten spricht. Ein Fehler des Künstlers? Darüber ist viel spekuliert worden. Die Antwort ist ganz einfach: Über dem Mosaik ist der Altar. Das fünfte Brot: das ist der Leib des Herrn, der auf dem Altar gebrochen, verteilt wird, aus dem wir leben. Wir leben alle von diesem einen Brot, das wir immer neu vom Altar empfangen. Es macht uns satt. Es stillt unseren Hunger, unsere Sehnsucht. Und macht uns aber auch Mut, dass wir empfangen haben, zu teilen und weiterzugeben. Die Brotvermehrung verweist auf die Eucharistie. Jesus ist das Brot, das geteilt wird und alle satt macht. Hier wird aber auch deutlich, was Jesus da von sein Jüngern – und damit auch von uns – verlangt: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ sagt er. In der Eucharistie wird Jesus selbst zu Brot. Er teilt nicht aus, was er zufällig übrig hat; er teilt sich selbst! Und das ist es, was er auch von seinen Jüngern erwartet. „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ bekommen wir in jeder Eucharistie zu hören. Das meint nicht: teilt das Brot vom Altar aus. Sondern: werdet selbst zum Brot. Bringt euch selbst ein, wie ich mich eingebracht habe. Teilt was ihr habt und seid! Dann werden alle satt und ihr habt selbst am Ende im Überfluss!
  8. Brotvermehrung ist mehr als ein eindrucksvolles Wunder, das zeigt, wie Gott für die Menschen sorgt. Es ist ein Auftragt: Gebt was ihr habt! Gebt euch selbst, ganz und gar! Jesus macht uns Mut, dass wir selbst zum Brot werden, uns und unsere Zeit, unsere Kraft, unsere Liebe, unsere Gemeinschaft, unseren Trost teilen. Damit nicht nur wir, damit am Ende alle satt werden. Amen.