Schmuckband Kreuzgang

Predigt vom 22. Sonntag im Jahreskreis

Petersdom Rom (c) Martina Bauer
Petersdom Rom
Datum:
So. 30. Aug. 2020
Von:
Martina Bauer

"Hinter mich!" - Nachfolge bedeutet: klein, schwach und demütig werden

30.08.2020

  1. Sonntag, LJ A (2020): zu: Mt 16, 21-27

„Hinter mich!“ – Nachfolge bedeutet: klein, schwach und demütig werden

 

  1. Du bist Petrus, der Fels. Und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen. Und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen!“ Diese Worte haben wir am vergangenen Sonntag gehört. Wer sieht da nicht vor seinem geistigen Auge den prunkvollen Petersdom in Rom, bis heute die größte katholische Kirche der Welt, an der die genialsten und großartigsten Baumeister der Renaissance und des Barock fast 150 Jahre lang gebaut haben. Errichtet über dem schlichten Erdgrab des Petrus, den man hier, gleich neben dem Circus des Nero, wo er gekreuzigt wurde, verscharrt hatte. Über seinem Grab erhebt sich die gigantischen Kuppel von Michelangelo, in der über dem bombastischen Bronzebaldachin Berninis in einem goldfunkelnden Mosaik eben diese Worte auf Latein eingeschrieben sind: „Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen!“ Es ist, als ob diese Kirche der ganzen Welt zuruft: Seht, was aus diesen armen Anfängen, aus diesem armseligen Petrus geworden ist, der hier zu Tode gemartert und verscharrt wurde: er ist wirklich zum Grundstein, zum Fels geworden, und die Kirche zu einer die ganze Welt beeindruckenden gewaltigen Macht, an der niemand vorbei kommt. 1,3 Milliarden Menschen bekennen sich heute zur katholischen Kirche, insgesamt 2,2 Milliarden Menschen sind Christen. Damit ist das Christentum immer noch weltweit die mit Abstand größte Religion, vor dem Islam und weit vor dem Hinduismus. Eine wirkliche Macht in der Welt.
  2. „Immer noch“ – denn: da dürfen wir uns nichts vormachen: das Christentum ist auf dem Rückzug. Am massivsten in unseren westlichen Zivilisationen, wo das Christentum ursprünglich am gewaltigsten expandierte; aber mittlerweile auch in den Ländern Lateinamerikas und in Afrika; allein in Asien wachsen die Zahlen noch. Aber am düstersten sieht es bei uns aus. Eine Studie hat uns schonungslos vor Augen geführt: bis zum Jahr 2060, also innerhalb einer Generation, wird das Christentum in Deutschland so stark schrumpfen, das die Christen zusammen nur mehr etwa 20% der Bevölkerung ausmachen. Da ist nichts mehr vom Fels und vom einstigen Glanz, und von wegen: „Die Mächte der Finsternis werden sie niemals überwältigen!
  3. Das soll Gott verhüten! Das darf nicht geschehen!“ will man da zusammen mit Petrus dem Herrn zurufen. Ja, im Herzen sind wir wahrscheinlich dem Petrus in diesem Augenblick sehr nah. Eben noch hat der Herr den Jüngern vor Augen geführt, wie stark, wie gewaltig, wie unverwüstlich seine auf dem Fundament der Apostel gegründete Kirche sein wird. Und im nächsten Augenblick spricht er von Verfolgung, von Erleiden, ja von seinem Ende. Eben noch war die Kirche eine Macht, die gesellschaftlich was zu sagen hatte, deren Stimme gehört wurde, die Ansehen genoss und die Meinung bilden konnte, und jetzt ist sie bloß noch ein eben so geduldetes Häuflein, eine Minderheit, eine Randgruppe. „Das darf nicht geschehen!“
  4. Es gibt wenige Stellen im Evangelium, in den Jesus so deutlich und emotional reagiert wie hier. Er fährt den Petrus an, beschimpft ihn als Satan, stellt ihn vor allen in die Senkel: „Tritt hinter mich! Du bist mir ein Ärgernis!“ „Geh mir aus den Augen“, so war die Stelle früher übersetzt. „Tritt hinter mich!“ ist wörtlich und meint mehr. Ja, es meint: Ich will dich nicht mehr sehen, geh mir aus den Augen! Es meint aber auch: Halte mich nicht auf, geh mir aus dem Weg, den ich gehen will, den ich gehen muss!“ Und es klingt an, was Jesus ganz am Anfang dem Simon und den anderen gesagt hatte, damals am See, als sie so fasziniert von diesem Prediger waren: „Folge mir nach!“ Denn genau darum geht es Jesus: Kirche ist nur Kirche, solange sie auf dem Weg der Nachfolge bleibt, solange sie hinter Jesus bleibt. Und der Weg, den Jesus uns voran geht, ist eben der Weg des Leidens, der Selbstverleugnung, der Demut, des sich klein Machens; ja auch Verfolgung, Verspottung, Leiden gehören dazu, und am Ende sogar der Tod. Wer Jesus nachfolgen will, kann diese Etappe des Weges nicht einfach überspringen, kann sich nicht einbilden, dass er sozusagen direkt in die Herrlichkeit und den Glanz der Auferstehung, in den Sieg über Leiden und Tod springen kann. Das geht nicht.
  5. Deshalb, eine Kirche, die sich in der Nachfolge Christi sieht, ja die der durch die Zeiten pilgernde Leib Christi sein will, kann und darf sich nicht einbilden, dass sie nur in Glanz und Gloria schwelgt. Vor dem „Die Mächte der Unterwelt werden sie niemals überwältigen!“ steht eben die Verfolgung, die Selbstverleugnung, das Leiden. Jesus selbst ist diesen Weg gegangen - in Solidarität und aus Liebe zu den Kleinen, den Gedemütigten, den Schwachen, den Armen, den Leidenden und Kranken. Deshalb: wenn wir seine Nachfolger sein wollen, dann gehört das wesentlich zur Kirche dazu.
  6. Ich habe manchmal das Gefühl –und ich nehme mich selbst da nicht aus, ich erwische mich selbst so oft bei solchen Gedanken – dass wir alle unsere Diskussionen und Planungen um notwendige Reformen der Kirche, um Synodalen Weg und Pastoralen Weg eigentlich immer unter der Perspektive sehen: Was müssen wir ändern, verbessern, reformieren, neu gestalten, damit wir wieder zu alter Größe kommen, damit wir als Kirche wieder wer sind in der Welt. Aber vielleicht führt uns Gottes Geist bewusst in diese Krise, damit wir begreifen, dass es vielmehr darum geht, endlich wieder klein, demütig, schwach, wehrlos, ohnmächtig zu werden, weil genau das der Weg Jesus Christi ist, weil wir nur so glaubwürdig seine Nachfolger, seine Jünger, seine Kirche sind. Das ist vielleicht unser großes Missverständnis: Christus hat dem Petrus, hat seiner Kirche Bestand versprochen, aber nicht Macht, Einfluss, Glanz und Gloria.
  7. Letztlich muss das die Perspektive sein in all unseren Reformprozessen, in all unseren Überlegungen und Ringen um eine neue Gestalt von Kirche: Wie können wir Kirche in der Nachfolge Jesu sein? – Nicht eine Kirche, die wie der Petrus im Weg steht, die der Herrn ein Ärgernis ist und die er wie Petrus in die Senkel stellen muss; sondern eine Kirche, die hinter ihm steht und ihm folgt auf dem Weg der Erniedrigung, der Ohnmacht; eine Kirche, die mit ihm an der Seite der Schwachen und Kleinen, der Gedemütigten und Opfer steht. Denn nur eine Kirche, die sich klein macht, die nicht nach Macht und Einfluss strebt, sondern mit den Leidenden das Kreuz trägt, nur eine solche Kirche ist Kirche in der Nachfolge Jesu. Das ist der Weg in al unseren Reformprozessen. Denn: „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren“ Eine Kirche, die sich retten will, die nach Macht und Größe, Einfluss und Anerkennung strebt, wird untergehen. „Wer aber sein Leben um Jesu willen verliert, der wird es finden!