Wie geht es mit der Kirche weiter? Diese Frage beschäftigt uns in Deutschland, in unserem Bistum. Trotz Corona geht der Synodale Weg weiter mit all den brennenden Fragen, nach der Aufarbeitung des Missbrauchs in der Kirche, den Fragen um Macht und Strukturen, um die Stellung der Frauen und so fort. Als Dekan reise ich momentan durch alle Pfarrgemeinderäte des Dekanates und wir diskutieren heftig, wie Kirche in unserem Dekanat künftig organisiert sein kann, wenn es am Ende vielleicht nur noch eine Pfarrei gibt: was können wir tun, wie müssen wir uns aufstellen, damit die Gemeinden lebendig bleiben, damit vor Ort Kirche weiter gelebt, Glaube verkündet, Gottesdienst gefeiert werden kann? Und natürlich beschäftigt uns auch die Frage: wie geht es nach Corona weiter? Werden wir all die Menschen, die jetzt wegbleiben, zurückgewinnen können? Die zentrale Frage, um die es in all diesen Diskussionen und Prozessen geht, lautet: Wie können wir das Wort Gottes den Menschen heute verkünden? Was können wir tun, damit seine Frohe Botschaft bei den Menschen unserer Tage überhaupt noch ankommt? Dabei brauchen wir uns nichts vor zu machen: immer weniger Menschen lassen sich vom Wort Gottes, von der Kirche, vom Glauben überhaupt noch ansprechen. Immer weniger Menschen interessiert die Botschaft, die wir verkünden. Corona verstärkt und beschleunigt diesen Prozess noch. Immer mehr Menschen ist es einfach gleichgültig, was wir als Kirche, als Christen, denken, feiern, tun. Immer mehr Menschen kehren der Kirche den Rücken. Das ist doch die Erfahrung, die wir auch hier vor Ort machen: Wir laden Sonntag für Sonntag herzlich zum Gottesdienst ein, aber immer weniger Menschen kommen; immer weniger lassen sich ansprechen von unserer Einladung. Was machen wir nur falsch?
Es ist im Grunde genau und exakt die Erfahrung, die Jesus im Gleichnis des heutigen Evangeliums anspricht: Gott lädt die Menschen ein, mit ihm Gemeinschaft, Hochzeit zu feiern, und keiner geht hin. Alle haben scheinbar etwas Wichtigeres, Dringenderes zu tun. Wie brandaktuell doch das Evangelium manchmal sein kann! Sind es nicht genau dieselben Argumente, die heute viele Menschen, ja die wir selbst immer gerne gebrauchen, wenn es darum geht, zu entschuldigen, warum wir nicht mehr so regelmäßig zum Sonntagsgottesdienst kommen können oder zu anderen Aktivitäten in der Gemeinde? Sind es nicht genau dieselben Alibis, die wir selbst gerne vorschieben, wenn wir uns keine Zeit mehr nehmen zum regelmäßigen Gebet oder zu einer stillen Zeit am Tag, die wir Gott reservieren: „Ach Gott, ich hab halt so furchtbar viel Arbeit! Dieser Stress heutzutage! Man kommt halt zu nichts mehr!“
Das ist genau die Erfahrung, die Jesus im Gleichnis anspricht: Wir bereiten ein reichhaltiges Mahl vor, laden ein – aber keiner kommt! Dabei ist es, gerade hier in unseren Gemeinden Dom und St. Martin, ein unglaublich vielfältiges Menü, das wir anbieten. Was ist in den letzten Jahren nicht alles versucht worden, um möglichst für jeden Geschmack etwas anzubieten in der Kirche: Wir entwickeln Gottesdienste speziell für Kinder, Jugend, Familien; es werden Gruppen und Gesprächskreise angeboten für Arbeitnehmer und Handwerker, für Kaufleute und Selbständige, für Alleinerziehende gibt es Angebote und für Sangesfreudige haben wir je nach Geschmack ein breites Angebot von der Choralschola über den Domchor bis hin zur Domband. Konzerte und Orgelreihen. Es gibt kirchliche Kindergärten und Schulen, Beratungsstellen uns so fort. Aber trotz aller Mühen ist das Resultat am Ende genau dasselbe wie im Evangelium: Es kommt keiner – oder zumindest immer weniger Menschen! Wir, die wir Sonntag für Sonntag da sind, die Menschen, die sich etwa als Ehrenamtliche und in den Räten engagieren, sind dann wie die Köche, die sich abmühen, um ein möglichst reizvolles Menü auf den Tisch zu bringen. Aber die, die wir einladen, die wir ansprechen wollen als Kirche, die haben tausend andere, scheinbar viel wichtigere Dinge zu tun: Arbeit, Geschäfte, Vergnügungen, alle möglichen alltäglichen Nöte und Sorgen.
Unsere Reaktion auf diese Situation ist dann häufig das Gefühl: „Wir machen etwas falsch!Unser Menü ist irgendwie noch nicht in Ordnung!“ Und dann fangen wir an, noch mehr darauf zu schauen, was den Menschen von heute schmecken könnte, versuchen, ihre Leckerbissen zu treffen, um sie herzulocken. Wir versuchen immer mehr unser Menü nach dem Geschmack der Leute auszurichten. Viele in der Kirche denken so: Die Kirche muss noch moderner werden. Muss noch mehr bieten für die Jugendlichen zum Beispiel. Die Frage ist dann ständig: Was erwarten die Leute von uns? Und was können wir noch anbieten, um wirklich ihren Geschmack zu treffen?
Aber das Evangelium heute zeigt überdeutlich: Das ist der falsche Weg! Der König im Evangelium verschwendet interessanter Weise keinen Gedanken daran, die Menükarte zu ändern. Es geht bei seiner Einladung ja überhaupt nicht ums Menü. Es geht um die Hochzeit! Es geht darum, dass der König dazu einlädt, an seiner Freude teilzuhaben, die Hochzeit mitzufeiern. Er will seine Freude teilen! Und wem das nicht wichtig genug ist, wer daran kein Interesse hat, der kommt auch nicht, weil der König ein so schmackhaftes Menü vorbereitet hat.
Bitte verstehen sie das jetzt nicht falsch. Ich möchte damit nicht sagen, dass es uns als Kirche gleichgültig sein soll, was die Menschen von uns erwarten. Und natürlich muss sich die Kirche, müssen sich alle, vom einzelnen Pfarrgemeinderat bis hin zu den Bischöfen und dem Papst in Rom auch sehr selbstkritisch fragen: wo sind wir Mitschuld an der Situation der Kirche heute? Was haben wir vielleicht wirklich falsch gemacht, dass wir den Menschen heute scheinbar nichts mehr zu sagen haben. Wo muss sich vielleicht auch die Kirche ändern, um glaubwürdig das Evangelium zu verkünden, um wirklich einladend zu sein? Und genau mit diesen Fragen setzen wir uns ja im Synodalen Weg, im Pastoralen Weg intensiv auseinander.
Aber: der Maßstab für solche Überlegungen darf nicht einfach der Geschmack der Leute sein. Das ist für mich die entscheidende Pointe des Evangeliums heute. Der Maßstab für die Kirche ist nicht der Zeitgeist, sind nicht modische Trends oder eben der sich ständig und immer schneller verändernde Geschmack der Menschen. Der Maßstab ist das Evangelium: die Frohe Botschaft von der Erlösung. Der Maßstab ist die Frage: Kann man bei uns, in der Kirche, in unserer Gemeinschaft, hier im Gottesdienst wirklich etwas von der Freude der Erlösten spüren, von der Freude über Gottes großes Geschenk an die Menschen? Spürt man bei uns, dass wir Hochzeit feiern, die Hochzeit unserer Erlösung? Kommt diese Freude wirklich rüber? Ist hier wirklich Gemeinschaft mit Gott erlebbar?
Ich habe manchmal den Eindruck, dass wir über unseren ständigen Überlegungen über das rechte Menü sehr leicht den eigentlichen Grund für die Feier vergessen: Gott lädt uns ein, weil er uns liebt, weil er Gemeinschaft mit uns will, um uns zu begegnen, um bei uns zu sein. Und darum muss es gehen: das wieder ins Zentrum zu rücken, was wir eigentlich feiern: die Freude darüber, das Gott uns hier begegnet, dass er mit uns ist. Wenn uns das gelingt, dann besteht auch kein Grund zur Resignation, selbst wenn die eingeladenen Gäste nicht kommen. Wenn wirklich die Freude des Glaubens in unserer Gemeinschaft spürbar wird, dann werden da auch Gäste sein; vielleicht nicht die ursprünglich Eingeladenen, vielleicht nicht die, die wir eigentlich gerne dabei hätten, aber das ist dann deren Problem. Es werden Gäste da sein und es wird ein frohes Fest sein. Amen.