Schaut hin!
Liebe Schwestern und Brüder,
vom 13. – 16. Mai findet in Frankfurt der ökumenische Kirchentag statt. Das sind nicht nur ein paar Tage im Mai, das Großereignis fängt schon viel früher an. Die Vorbereitungen laufen seit langen und es wird Zeit, dies verstärkt in die Gemeinden zu bringen, zumal Frankfurt nicht weit weg ist und auch das Lutherjubiläum hier in Worms quasi eine Art Start zum Kirchentag ist.
Unsere Pandemie bringt bei den Verantwortlichen einiges Durcheinander und wir dürfen gespannt sein, wie die Tage im Mai dann letztendlich gestaltet werden. Alles online zu machen geht irgendwie dann doch nicht. Umso wichtiger ist es, den ökumenischen Gedanken nicht nur an diesen Tagen zu platzieren, sondern dieses doch sehr wichtige Thema immer wieder in die Gemeinden zu bringen.
So sind wir heute aufgefordert worden, als Vorbereitung zum Kirchentag in allen Gemeinden zur Ökumene -zur Einheit der Christen- zu predigen.
Geplant war, diesen Kirchentagssonntag als ökumenische Vorbereitung zu sehen und auch einen separaten, gemeinsamen Gottesdienst zu gestalten. Geht nicht – sie wissen schon warum.
Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, ist mir der sonntägliche Kirchgang schon in guter Erinnerung. In Pfeddersheim, meinem Wohnort, gibt es ja eine Simultankirche. Auf der einen Seite der Kirche feiern die Evangelischen – auf der anderen Seite die Katholischen. Getrennt durch eine dicke Mauer. In die evangelische Kirche ist man nicht gegangen. Das war damals tabu und ich war bestimmt schon 12 oder 13 Jahre alt, als ich das erste Mal überhaupt da drinnen war. Und nur wenn die Orgel auf der anderen Seite mal ordentlich im Tutti spielt, hörte man das ganz zart und fein.
Die ökumenische Bilanz hat sich in den letzten Jahrzehnten schon deutlich verändert – mit noch entsprechender Luft nach oben. Da ist mittlerweile vieles zum Guten geschehen.
Gerne erinnere ich mich als der Pfeddersheimer katholische Kirchenmusikverein erstmals im evangelischen Gottesdienst spielte -ich habe das in den 90er Jahren mit initiiert- und es war eine kleine Revolution. Mittlerweile ist es gang und gäbe und eine Selbstverständlichkeit!
Ökumenisches Miteinander bietet die Chance, den Horizont zu erweitern. Glauben in Gemeinschaft tut gut – je mehr, desto besser.
Die Entwicklung der Zukunft -das lässt sich jetzt schon prognostizieren- muss zwangsläufig, wenn sie bestehen will, mit mehr miteinander einhergehen. In den ländlich geprägten Gemeinden wahrscheinlich stärker und früher, als in der Stadt. Sie kennen alle den pastoralen Weg, den unser Bischof für unser Bistum angestoßen hat. Die neue Ausrichtung ist getrieben von einem veränderten Verhältnis der Menschen zum Glauben und der Kirche, von Rückgängen bei den eingetragenen Gläubigen und den jetzt schon zu erkennenden Rückgang bei der Zahl der Hauptamtlichen. Die ewig gestrigen, die glauben, dass alles so weitergehen kann werden ganz bestimmt umdenken müssen.
Noch ist es mehr als schmerzlich, wenn sich „hardliner“ aus den Reihen der Leitung darauf beziehen, die eigenen roten Linien deutlich zu machen, anstatt das Verbindende hervorzuheben - und das gibt es leider auf beiden Seiten.
Aus Rom kommt dabei keine große Unterstützung. Eine jüngste Stellungnahme mit einem Einspruch gegen ein bedeutendes Dokument deutscher Theologen ist leider kein gutes Beispiel dafür.
Weltweit gesehen ist unser ökumenisches „Problem“ ja eigentlich nur eine „Minderheit“ und bei dem schwierigen Thema der eucharistischen Gemeinsamkeit könnte es doch daher leicht zu einem „Sonderfall“, -also nur für unser ökumenisches Zusammensein zwischen Katholiken und Protestaten- kommen. Das „Mahl der Versöhnung“ wird also vorerst nicht zum versöhnenden Mahl untereinander. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass die römisch anerkannte assyrische apostolische Kirche die von Rom voll anerkannte Eucharistie ganz ohne die Einsetzungsworte feiern kann[1].
Auch das Amtsverständnis einer ununterbrochenen Nachfolge der Amtsträger im geistlichen und bischöflichen Amt -die sog. apostolische Sukzession- ist doch relativ eng zu sehen. Eine ununterbrochene Handauflegung ist historisch doch gar nicht nachzuweisen. Und: Ist denn eine Ordination nicht auch ein unverlierbares Prägemal das Gottes handeln damit implementiert?
Die große Kirchenpolitik ist das eine. Was wir hier vor Ort machen, ist das andere. Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als immer mehr miteinander zu arbeiten, mehr zusammen zu rücken. Nur gemeinsam wird man stark sein können. Die Gemeinschaft beflügelt. Wir brauchen das auf der Ebene der Pfarreien und auf der Ebene der Kirchen untereinander.
Die Mahlgemeinschaft -davon bin ich fest überzeugt- kann dabei zu einem Schlüsselerlebnis werden – genauso wie das diakonische, gemeinsame handeln.
Das Motto des Kirchentages passt wunderbar dazu. Es heißt „schaut hin“.
Hinschauen auf das, was Jesus einerseits getan hat - und wie er es getan hat. Er schaut hin, er geht auf die Menschen zu, er berührt sie und er heilt sie.
Er macht sich unabhängig von gängigen Regeln, er bricht sie sogar und heilt am Sabbat. Krankheit war in der jüdischen Tradition eine Strafe Gottes. Das Darniederliegen ein Ausdruck von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Hilfsbedürftigkeit. Jesus heilt und wandelt so das Schlechte in das Gute. Gottes Liebe und Zuwendung wird dadurch sichtbar indem er hinschaut, dann handelt und es reflektiert.
Dabei bleibt er nicht dort stehen, wo er ist. Er geht weiter in andere Dörfer. Er ist also nicht ortsgebunden.
Neue Orte machen neugierig. „Schaut hin“. Schauen wir hin, denn unsere Kirche ist schon auf dem Weg in die neuen Örtlichkeiten. Habt keine Angst vor „Ortswechsel“. Ich habe keine Angst davor. Es gibt ja auch noch den Heiligen Geist, der begleitet und stärkt.
Vor einer Woche haben wir in unserer Pfarrgruppe das Große Gebet gefeiert. Der Zuspruch zu den einzelnen Betstunden hat sich deutlich in Grenzen gehalten. Der Taizegottesdienst am Samstagabend hat mich persönlich –und ich denke, dass ich da für alle Teilnehmer sprechen kann, sehr angesprochen. Es braucht wohl keine große Predigt. Es braucht Atmosphäre und Miteinander und die Musik gehört unabdingbar mit dazu. So kann man sich von Gott berühren lassen - und wenn es eine Wortgottesfeier gewesen wäre, hätte es mich genauso angesprochen.
Das sind solche andere Wege, die dann auch gemeinsam gegangen werden können.
Wir haben eine gute, sinnbringende Botschaft, die gilt es zu den Menschen zu bringen.
„Schaut hin“ Es gilt, die Sehnsucht der Menschen nach dem Wort Gottes zu erspüren und diese Not wahr zu nehmen. Hinschauen geht nur dann, wenn man zu den Menschen geht.
Von allein kommen leider nur noch die wenigsten.
Jesus hatte keine Hemmungen – er macht es einfach. Er heilte sogar die Schwiegermutter des Petrus. Ich hab‘ keine Ahnung, ob es damals schon Klischees dazu gab. Aber er tut’s einfach. Er geht auf die Menschen zu. Also: tun wir es doch auch einfach. Schaut hin. Amen.
[1] Siehe CIG Nr. 5/2021