Schmuckband Kreuzgang

St. Martin Patrozinium 2022

2022 Patrozinium St. Martin
2022 Patrozinium St. Martin
Datum:
So. 13. Nov. 2022
Von:
Martina Bauer

Feierlichkeiten zu Ehren des Hl. Martin

mit der Predigt von Propst Tobias Schäfer vom feierlichen Hochamt

Nur zwei Städte in Deutschland können sich rühmen, dass sich der heilige Martin tatsächlich mit einiger Sicherheit dort aufgehalten hat: nämlich Worms und Trier. Hier, in der „Stadt der Vangionen“, so erzählt schon die früheste Lebensbeschreibung des Heiligen, habe Martin im Jahr 356 vor dem Kaiser seinen Militärdienst quittiert und die Waffen niedergelegt, weil er fortan nur noch Christus als seinem einzigen Herrscher dienen wolle. In der Wormser Martinskirche wird der Heilige Martin daher seit über tausend Jahren als Patron besonders geehrt. Der Überlieferung nach ist die Kirche genau über jenem Kerker errichtet, in den der römische Kaiser den heiligen Martin einsperren ließ. „Der hl. Martin ist insofern schon ein besonderes ‚Alleinstellungsmerkmal‘ für Worms. Wir sind mit der Martinskirche eine wichtige Station an der ‚Via Sancti Martini‘, dem Martinsweg, der von Ungarn bis nach Frankreich entlang der wichtigen Lebensstationen des Heiligen führt.“, erläutert Propst Tobias Schäfer.

Die Feier des Patroziniums begann am Samstag, den 12. November um 17:00 Uhr mit einem Vespergottesdienst, in dem in diesem Jahr der Mainzer Domdekan Henning Priesel die Festpredigt übernommen hat. Als Domdekan ist Priesel der Leiter des Domkapitels und der eigentliche „Hausherr“ des Mainzer Doms, der auch dem heiligen Martin geweiht ist. Nach der Coronapause fand im Anschluss ab 18:00 Uhr erstmals wieder der Martinszug statt, eine Lichterprozession durch die Stadt. Der heilige Martin führte auf seinem Pferd die Prozession an. Musikalisch gestaltet wurde sie vom Kirchenmusikverein Pfeddersheim. Die Messdiener*innen führten anschließend im Martinsspiel die Geschichte des Heiligen auf.

Ein weiterer Höhepunkt der Feierlichkeiten war am Sonntag um 10:30 Uhr das Festhochamt zum Patrozinium, das der Martinschor unter Leitung von Daniel Wolf mitgestaltete. Hier lud auch die Pax-Christi-Friedenswanderkerze zum Gebet um den Frieden ein.

Wir danken allen, die auf verschiedene Art und Weise zum Gelingen dieses wunderbaren Martins-Patroziniums an diesem Wochenende beigetragen haben. Vergelt´s Gott.

 

Patrozinium St. Martin 2022

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Martin: Ein Mann stellt sich gegen den Krieg

  1. Sonntag, LJ C, 13.11.2022 zu: Lk 21, 5-19

(Patrozinium: St. Martin)                                                                                                              

  1. Der Hl. Martin, wie er im Jahr 356 hier in Worms vor dem Kaiser steht, als der erste uns bekannte christliche Kriegsdienstverweigerer der Geschichte? Das ist die Legende, die ich in meinen Jugendjahren, also in den 70ern und frühen 80ern des letzten Jahrhunderts, gehört habe. Es war die Zeit der Friedensbewegung: „Schwerter zu Pflugscharen“, und natürlich waren wir in der Katholischen Jugend von diesen Ideen und Visionen fasziniert. Franz Alt hat damals sein Buch herausgebracht: „Frieden ist möglich – Die Politik der Bergpredigt“. Und natürlich war ich damals überzeugt, Zivildienst leisten zu wollen, also „Kriegsdienstverweigerer“ zu werden – wie das damals hieß. Ich bin dann, je näher es aufs Abitur ging, doch wieder nachdenklich geworden: Warum „Kriegsdienstverweigerer? Einen Krieg hatte ich, hatte die ganze Bundeswehr damals noch nicht erlebt, konnten wir uns auch kaum vorstellen. Eine Armee, die sich aber dezidiert als Friedensarmee versteht, als Verteidiger des Friedens: ist es da nicht sogar christliche Pflicht, hier zu dienen? Bei meiner Musterung schließlich war ich entschieden: Ich gehe zur Bundeswehr. Aus christlicher Überzeugung. Um des Friedens willen. Das haben schon damals viele meiner Freunde aus der Jugend nicht verstanden. Ich muss allerdings auch sagen: da damals schon klar war, dass ich ja Priester werden wollte und angehende Theologiestudenten erstmal nicht gezogen wurden, war es tatsächlich auch keine allzu heroische Entscheidung. Am Ende bin ich um den Wehrdienst herumgekommen, ein Drückeberger also.
  2. Trotzdem hat mich die Gestalt des Martin als der erste Kriegsdienstverweigerer aus christlicher Gewissensüberzeugung doch fasziniert. Bis ich dann im Studium der Kirchengeschichte erfahren habe, dass es ganz so wahrscheinlich nicht war. Martin wurde wohl im Jahr 316 in Szombathely im heutigen Ungarn geboren und kam mit gerade einmal 14 Jahren als Offizierssohn zum römischen Heer. Dort machte er Karriere – Beziehungen helfen eben – er ist schon als 17jähriger Offizier. In dieser Zeit ereignet sich die berühmte Begegnung mit dem frierenden Bettler vor dem Stadttor von Amiens. Die anschließende Christusvision wird zum ersten Bekehrungserlebnis des hl. Martin, wenig später lässt er sich taufen.
  3. Dann aber ist es gerade nicht so, dass er nichts Eiligeres zu tun hätte, als den Militärdienst zu beenden. Er bleibt, davon gehen die meisten Historiker heute fest aus, noch gute 20 Jahre Soldat, bis eben zu jenem denkwürdigen Ereignis hier in Worms, der Stadt der Vangionen. Hier formierte Kaiser Julianus seine Truppen zu einer Schlacht. Wie üblich zahlt er denen, die demnächst in Pension gehen würden, noch vor der Schlacht vor allen Soldaten ihr Ruhegehalt aus, um das Heer noch einmal ordentlich zu motivieren. Die Schlacht vor Worms wäre also in jedem Fall der letzte Einsatz für Martin gewesen. Martinus ist an diesem Punkt 40 Jahre alt – die Pensionsgrenze für römische Offiziere. In dieser Situation aber will er vom Kaiser kein Geschenk mehr annehmen, dass ihn über seine Soldatenzeit hinaus dem Kaiser verpflichten würde. Deshalb beschließt er, noch vor der Schlacht den Kaiser um Entlassung zu bitten und verzichtet auf die Entlohnung.
  4. Der Zeitpunkt war offensichtlich mit Bedacht gewählt – und es war absehbar, dass das den Kaiser nicht eben amüsieren würde: Am Tag vor der Schlacht, offen vor allen Soldaten, die Waffen zu strecken, wo doch jeder Mann, vor allem auch die erfahrenen Offiziere gebraucht werden. Wichtig ist für Martin das Motiv: „Ich bin ein Soldat Christi! sagt er dem Kaiser. „Es ist mir nicht erlaubt zu kämpfen!“ Das ist Wehrkraftzersetzung! Wenige Jahre vorher hatte eine große Kirchensynode übrigens ausdrücklich das Gegenteil beschlossen: Christliche Soldaten, die desertieren, werden exkommuniziert! Nach der konstantinischen Wende war die christliche Kirche ja zu einer staatstragenden Religion geworden, natürlich musste sichergestellt sein, dass die römischen Kaiser auch die Reichsgrenzen verteidigen, und hier und da auch Offensivkriege führen können. Sonst würde das römische Reich zusammenbrechen. Deshalb hatte die Synode ausdrücklich erlaubt, dass Christen im Heer kämpfen sollten – allein das mutwillige Töten war ihnen verboten.
  5. Wie eigenartig und inkonsequent dieser Beschluss ist, wie sehr sich Kirche hier in die Abhängigkeit des Staats begibt, das spürte Martin wohl in diesem Augenblick: Julian war nach Konstantin wieder ein heidnischer Kaiser, einer, der das Christentum ablehnte, der Offensivkriege führte und nicht einfach nur die Reichsgrenzen verteidigte. Martin spürte, wie er über seine Soldatenzeit hinaus hier in eine Abhängigkeit geraten würde, wenn er das Geldgeschenk des Kaisers annehmen würde. Und wie insgesamt Kirche längst in die Abhängigkeit des Staates geraten war. Die Bischöfe waren den Senatoren gleichgestellt, Staatsbeamte. Als Bischof später wird Martin gegen diese Anpassung an den Staat mit Leidenschaft ankämpfen, sehr zum Ärger vieler Bischöfe, die das bequeme und luxuriöse Leben genießen. Martin ist als Bischof ein leidenschaftlicher Reformer, einer der eine geistliche Kirche will und keine Volkskirche, keine Staatskirche. Hier, in Worms, das scheint daher sein zweites Bekehrungserlebnis zu sein: hier wird er wirklich zu einem Soldat Christi, der mit Leidenschaft für eine andere Kirche kämpft, zum Reformator.
  6. Wie geht die Geschichte hier weiter? Der Kaiser wirft Martin Feigheit vor, und dass er vor der Schlacht abhauen will. Nein, sagt Marin: das ist keine Feigheit, das ist Konsequenz. Stell mich morgen ohne Waffen, ohne Rüstung in die erste Schlachtreihe, sagt er. Aber ich werde nicht kämpfen. Der Kaiser lässt Martin ins Gefängnis werfen, damit er nicht davonlaufen kann, um ihm am nächsten Morgen tatsächlich unbewaffnet vor die Schlachtreihe zu stellen. Ein Mann gegen das das hochgerüstete, bewaffnete Heer, ein Mann, der sich unbewaffnet, oder besser gesagt: allein bewaffnet mit der Liebe zu Jesus Christus und seinem Evangelium, gegen den Krieg stellt!
  7. Nun sind Heiligenlegenden keine Protokolle der Geschehnisse, keine authentische Biografie. Auch wenn Sulpicius Severus diese Geschichte noch zu Lebzeiten Martins niederschreibt: er will damit in symbolischer Sprache eine Botschaft verkünden: Martin stellt sich allein, nur bewaffnet mit seinem Glauben, seiner Liebe zu Christus gegen den Krieg. Martin als Mann des Friedens. Martin als der, der die Waffen niederlegt, um mit den Waffen der Liebe und des Glaubens zu kämpfen. Und in diesem Sinn ist dann Martin doch so etwas wie die erste Kriegsdienstverweigerer, einer, der sich mit Leidenschaft gegen die Logik des Krieges stellt.
  8. Dass es zu der Schlacht vor Worms nicht gekommen ist, weil sich das feindliche Heer über Nacht verdrückt hat, ändert daran nicht. Gott hat, so deutet es der Biograf, ein Wunder gewirkt, um Martin zu retten. Beinahe wäre er hier in Worms zum Märtyrer geworden, nur Gottes Eingreifen habe das verhindert. Weil Gott mit Martin noch viel vor hatte, mit dem großen Reformer, dem Bischof, der sich immer wieder gegen den Kaiser, gegen eine etablierte, satte Reichskirche stellen wird, der für eine neue Kirche kämpft, der in seinem Bischofspalast nicht wohnen will, sondern mit einigen Mönchen in armseligen Einsiedlerhöhlen lebt und so fort. Vor allem aber: einer, der sich gegen die Logik des Krieges stellt, gegen die Macht des Stärkeren, gegen die Gewaltspirale von Waffen. Und insofern ist Martinus gerade in einer Zeit, in der in Europa wieder Krieg tobt, ein wichtiger Patron für den Frieden. Einem Christen, einem Soldat Jesu Christi sei es nicht erlaubt mit Kriegswaffen zu kämpfen, sagt Martin dem wutschnaubenden Kaiser ins Gesicht. Unsere Waffen sind die Liebe zu Jesus Christus, zu seinem Evangelium. Es ist die entwaffnende Logik der Bergpredigt.
  9. Der Krieg in der Ukraine zeigt, wie schwer es werden kann, wo es konkret wird, das in aller Konsequenz durchzuhalten. Was ist, wenn ein Volk brutal angegriffen wird? Was ist mit dem Recht auf Selbstverteidigung? Und braucht es dazu nicht auch Waffen, und Soldaten? Auch Martin, der radikale Reformer, wird in seinem Leben immer wieder, manchmal leidvoll, die Erfahrung machen, dass auch Christen Kompromisse eingehen müssen. Als er in Trier eine Synode, in der Kaiser und alle anderen Bischöfe eine grundsätzlich andere Haltung einnehmen als er, wütend verlässt, zwingt ihn der Kaiser zurück: um die als Irrlehrer Verurteilten, für die er sich eingesetzt hatte, weil er ihren leidenschaftlichen Eifer im Glauben sah und die politischen Interessen, die hinter ihrer Verurteilung standen, um sie vor dem Tod zu retten, muss er mit den anderen Bischöfen öffentlich den Friedensgruß teilen. Manchmal sind eben auch Kompromisse nötig. Martin lehrt uns dabei aber, das Wesentliche nicht aus dem Blick zu verlieren, uns immer wieder fest zu verwurzeln in der Liebe zu Jesus Christus, und so zu suchen, was dem Frieden dient. Es ist das Vertrauen in Gott: am Ende kommt es nicht auf uns an. Nicht wir werden den Frieden auf der Welt herstellen. Der Friede wird Gottes Werk sein. Wir sind nur seine Werkzeuge. „Nehmt euch also zu Herzen, nicht für eure Verteidigung zu sorgen: Gott wird die Weisheit und Worte eingeben, so dass alle Gegner nicht dagegen ankommen!“ Dieses Vertrauen, dass wir am Ende nur Werkzeuge sind, dass es Gott ist, der durch uns seinen Frieden wirken will: dieses Gottvertrauen, das Jesus seinen Jüngern ans Herz legt: das können wir an Martin lernen, dem Mann, der sich allein und unbewaffnet gegen den Krieg stellt. Amen.