Schmuckband Kreuzgang

Weihnachten - Hochfest der Geburt des Herrn

...mit den Predigten von Kaplan Landa und Propst Schäfer

Weihnachten 2018 Hochfest Geburt des Herrn (c) Dom St. Peter / Martina Bauer
Weihnachten 2018 Hochfest Geburt des Herrn
Datum:
Di. 25. Dez. 2018
Von:
Martina Bauer
Weihnachten 2018 Hochfest Geburt des Herrn (c) Dom St. Peter / Martina Bauer
Weihnachten 2018 Hochfest Geburt des Herrn

Weihnachten - Hochfest der Geburt des Herrn

Aus der Predigt von Kaplan Jiří Landa:

"Wenn du dich satt gesehen hast
an dem schönen Kind in der Krippe,
gehe noch nicht fort!

Mache erst Seine Augen zu deinen Augen,
Seine Ohren zu deinen Ohren
und Seinen Mund zu deinem Mund.

Mache Seine Hände zu deinen Händen,
Sein Lächeln zu deinem Lächeln
und Sein Herz zu deinem Herzen.

Dann erkennst du in jedem Menschen
deinen Bruder, deine Schwester.

Wenn du ihre Tränen trocknest
und ihre Freude teilst,
dann ist Gottes Sohn in dir geboren
und du darfst dich freuen."

Von Marisa Roos

Die komplette Predigt von Kaplan Landa finden Sie hier:

Es ist Weihnachten. Wir spüren die heimische Atmosphäre: der wunderschön geschmückte Weihnachtsbaum, der wunderbare Duft von Kerzen und verschiedenen Leckereien, die Geschenke, die wir von unseren Lieben bekommen (haben), die vertrauten Weihnachtsliederdie schön gestaltete Krippe. Ja, unsere Augen betrachten die idyllische Szene mit den knienden Hirten und den lobsingenden Engeln, mit Maria und Josef, die den neugeborenen Jesus in der Krippe anbeten, und dann ist noch der Esel und der Ochse dabei, die das Kind wärmen. 

Doch wie war es wirklich vor mehr als 2000 Jahren in Betlehem? Eine Frau, die hochschwanger ist, sucht mit ihrem Mann vergeblich nach einer Unterkunft, wo sie übernachten könnten. In der Kälte laufen sie durch die Stadt, niemand lässt sie herein. Sie finden hinter den Mauern der Stadt einen Stall. Dort hat es sicher nicht schön gerochen. Dann die abenteuerliche Geburt – in der Kälte des Stalls, ohne ärztliche Hilfe, ohne jegliche Hygiene. Kurz nach der Geburt muss die junge Familie bis nach Ägypten fliehen, weil Herodes das neugeborene Kind töten will. Eine Flüchtlingsfamilie, ohne eigenes Zuhause, in einem durch Terror des Herodes geplagten Land. 

Was bewegt uns dazu das Weihnachtsfest als ein familiäres Fest zu feiern, wo alle von der wundersamen heimischen Atmosphäre erfüllt sind? 

Vielleicht möchten wir mit diesem Fest der zunehmenden Individualisierung unserer Gesellschaft entgegenwirken. Denn wir stellen fest, dass gerade in Deutschlands Großstädten ein Trend unverkennbar ist: Menschen leben allein. Das Lebensmodell Familie scheint ein Auslaufmodell zu sein. Die häufigste Wohnform ist der Singlehaushalt, rund 41 Prozent der Bevölkerung lebt allein, so das Statistische Bundesamt.

Vielleicht möchten wir aber auch etwas von der heimischen weihnachtlichen Atmosphäre denjenigen vermitteln, die als Flüchtlinge zu uns gekommen sind, die heimatlos geworden sind und nach einem neuen Zuhause auf der Suche sind.

Vielleicht möchten wir mit unserem hoffnungsvollen Blick auf die Krippe denjenigen Geborgenheit und Sicherheit schenken, die in der heutigen schnelllebigen Gesellschaft nicht mehr zurecht kommen, die nach Orientierung und einem tieferen Sinn für ihr Leben suchen.

Ja, wir nehmen wahr, dass Heimatlosigkeit und Haltlosigkeit in einem umfassenden Sinn große gesellschaftliche Phänomene unserer Zeit sind. Kann die Weihnachtskrippe uns eine Antwort auf solche Herausforderungen geben? Wieso strahlt gerade von der Krippe eine wundersame heimische Atmosphäre aus? 

Die Antwort auf all diese Fragen ist ein Kind. Ein Kind, in dem sich der Himmel mit der Erde verbindet, in dem sich das Menschlichste und das Göttlichste verbindet. Gott schafft aus Betlehem, einem heimatlosen Ort, einen Ort der Beheimatung – für seinen Sohn und für die ganze MenschheitDenn in der Geburt Jesu öffnet er uns den Weg nach Hause – in sein ewiges Reich, wo wir zur Fülle des Lebens gelangen, wo unsere tiefen Sehnsüchte Erfüllung finden

P. Josef Kentenich, der Gründer der Schönstatt-Bewegung, wurde im Jahr 1941 von der Gestapo festgenommen und für vier Wochen in eine Dunkelhaft gesteckt. Die dunkle Zelle, wo es wirklich kein Licht gab, war so klein, dass er nicht aufrecht stehen konnte. Es war eine totale Isolation von der Außenwelt. Viele, die solche Dunkelhaft an ihrem eigenen Leib erfahren hatten, wurden psychisch krank oder hatten versucht sich das Leben zu nehmen. Josef Kentenich hat in der Zelle Kirchenlieder gesungen und ist nach einem Monat in Haft als ein ungebrochener Mann wieder rausgekommen. Er wusste: Gott ist mein Halt. Im Kind von Betlehem ist er mir immer nahe, auch in den dunkelsten Stunden meines Lebens. Ein beliebtes Lied aus Taizé spiegelt diese tiefe Erfahrung wieder: Bei Gott bin ich geborgen, still wie ein Kind, bei ihm ist Trost und Heil. Ja, hin zu Gott verzehrt sich meine Seele, kehrt in Frieden ein.

Bei unserem Blick auf die Krippe übersehen wir leicht die schlimmen äußeren Bedingungen. Mit Recht. Weil wir jemand vor Augen haben, der uns vorbehaltlos und bedingungslos liebt. Weil wir uns von ihm angenommen fühlen. Weil wir im Glanze seiner Nähe das Große in uns selbst sehen können. Das Kind von Betlehem schenkt uns unsere Würde der Kinder Gottes zurück. Und wir dürfen ihm voll Dankbarkeit antworten: Schön, dass du, Jesus, da bist. Ich will Dir Platz in meinem Herzen machen. Du sollst dein Zuhause in meinem Herzen finden.

In der Betrachtung des Kindes in der Krippe darf ich mich vergewissern: Gott wird auch für mich Mensch, weil ich persönlich in seinen Augen teuer und wertvoll bin. Er schaut nicht auf mich von oben, vom Himmel herab, sondern schaut zu mir auf – von der Krippe her. Dieser wundersame Blick, in dem sich tiefe Begegnung zwischen mir, einem Menschen, und dem menschgewordenen Gott ereignet, gibt mir Halt und Geborgenheit. Das ist vielleicht das größte Weihnachtsgeschenk. Und wir sind von Gott eingeladen, dieses Geschenk miteinander zu teilen: Der Blick auf das Kind von Betlehem mag uns dazu anregen, dass wir selber andere Menschen aus der Perspektive Gottes ansehen. Dass wir selber Gott in anderen Menschen entdecken. Und dass wir selber anderen in unserem Herzen Platz machen, damit sie Geborgenheit und Halt finden können. 

Ich möchte nun mit einem kurzen Gedicht von Marisa Roos schließen:

„Wenn du dich satt gesehen hast an dem schönen Kind in der Krippe, gehe noch nicht fort.Mache erst Seine Augen zu deinen Augen, Seine Ohren zu deinen Ohren und Seinen Mund zu deinem Mund. Mache Seine Hände zu deinen Händen, Sein Lächeln zu deinem Lächeln und Sein Herz zu deinem Herz. Dann erkennst du in jedem Menschen deinen Bruder, deine Schwester. Wenn du ihre Tränen trocknest und ihre Freude teilst, dann ist Gottes Sohn in dir geboren und du darfst dich freuen.“

 

 

Predigt von Propst Tobias Schäfer aus dem 2. Gottesdienst 25.12.2018. 11.30 Uhr

 

WEIHNACHTEN 2018    zu: Hebr 1,1-6 und Joh 1, 1-18

Jesus Christus – Gottes Wort, das uns leben lässt

1. Unter den vielen Königen und Kaisern, die hier im Wormser Dom im Laufe der letzten tausend Jahren ein- und ausgegangenen sind, war auch Kaiser Friedrich II. Er regierte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Hier in Worms hat er seinen Sohn König Heinrich wegen Hochverrats verurteilt und eingekerkert, hier im Dom hat er schließlich auch feierlich Hochzeit gehalten. Friedrich II. galt als ein Mann, der gegenüber den Naturwissenschaften besonders aufgeschlossen war. In einem seltsamen Forschungsprojekt versucht dieser Kaiser, die Ursprache der Menschen zu erkunden. Eließ in einem Experiment einige neugeborene Kinder völlig von ihrer Umwelt isolieren und wollte einfach abwarten, in welcher Sprache sie sich schließlich miteinander verständigen würden. Sein Biograph Salimbene von Parma berichtet über ausführlich über dieses Experiment: Ebefahl den Ammen und Pflegerinnen, sie sollten den Kindern Milch geben, dass sie an den Brüsten säugen möchten, sie baden und waschen, aber in keiner Weise mit ihnen schön tun und zu ihnen sprechen. Er wollte nämlich erforschen, ob sie die hebräische Sprache sprächen als die älteste oder griechisch oder lateinisch oder arabisch oder aber die Sprache ihrer Eltern, die sie geboren hatten. Aber er mühte sich vergebens, weil die Knaben und anderen Kinder alle starben. Denn sie vermöchten nicht zu leben ohne das Händepatschen und das fröhliche Gesichterschneiden und die Koseworte ihrer Ammen und Näherinnen.“ Soweit Salimbene

2. Dieses grausame und menschenverachtende Experiment mit seinem katastrophalen Ausgang macht eines ganz deutlich: Wir Menschen können nur heranwachsen, leben, uns entfalten, weil wir angesprochen wurden, weil wir freundliche gute Worte zu hören bekommen haben, von Vater und Mutter, von Menschen, die uns gerne hatten und haben. Wer nie liebevoll angesprochen wurde, wer nie ein freundliches gutes Wort gehört hat, der verkümmert, ja, der stirbt. Ohne Liebe, die sich auch ausdrücken muss in einem guten Wort, kann kein Mensch existieren.

3.Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten. Heute aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn!“ Gott hat uns Menschen immer neu angesprochen! Er will nicht, dass wir verkümmern, er spricht mit uns! Für den Verfasser des Hebräerbriefes ist das die entscheidende Botschaft, die er seinen Lesern vermitteln will, so wichtig, dass er mit diesen Worten sein Schreiben beginnt. Und ganz ähnlich, vielleicht sogar noch deutlicher sagt es der Evangelist Johannes: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. Und dieses Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt!“ Jesus Christus, dessen Geburt wir heute an Weihnachten feiern, ist Gottes Wort für uns Menschen. Er ist das liebevolle Wort, das Gott zu uns spricht, das Wort, das wir brauchen, damit wir leben können, damit wir nicht verkümmern wie diese armen Kinder im Experiment des Kaisers Friedrich II.. 

4.Für mich war es früher immer irgendwie ernüchternd und fast ein wenig enttäuschend, wenn am eigentlichen Weihnachtstag, im festlichen Weihnachtshochamt Jahr für Jahr ausgerechnet dieses Evangelium, der Prolog des Johannes, verkündet wurde. Dichte, hohe Theologie in einer fast ein wenig schwülstigen Sprache. Aber eben kein Wort von den schönen Weihnachtstexten, kein Wort vom Stall, von der Krippe, den Hirten, den Engeln. Als ob das Geschehen der Heiligen Nacht schon am Morgen wieder verrauscht wäre. Gott sei Dank haben wir ja wenigstens noch die schönen Weihnachtslieder. Erst wenn man sich einmal die Mühe macht, genauer hinzuhören, wird deutlich, dass hier im Grunde das schönste über Weihnachten, über Gottes Zuwendung zu uns Menschen überhaupt gesagt wird. Der Evangelist bringt die Botschaft von Weihnachten auf den Punkt: Gott spricht mit uns! Er spricht uns an. Und zwar nicht mit irgendwelchem belanglosen Geplaudere, sondern er sagt uns das eine entscheidende Wort, das uns leben lässt, das Wort, das wir brauchen, um nicht wie die Säuglinge auf der Stauferburg zu verkümmern und elendig zu Grunde zu gehen. Gott spricht zu uns das Wort der Liebe!

4.Das Wort ist Fleisch geworden!“ Das bedeutet: Dieses Kind in der Krippe, dieser unscheinbare Säugling, ist Gottes liebevolle Zuwendung zu uns Menschen. Gott macht mit uns keine seltsamen Experimente, sondern er gibt uns genau das, was wir zum Leben brauchen: liebvolle Zuwendung. Er spricht mit uns. Und sein Sohn Jesus Christus ist sein Wort zu uns. Durch ihn sagt er uns, zeigt er uns, wie sehr er uns liebt: so sehr, dass er selbst Mensch geworden ist, um mit uns, unter uns zu leben. Er bricht die Isolation auf, er überlässt uns nicht einfach uns selbst, so wie Friedrich die Kinder mehr oder weniger sich selbst überlassen hat. Sondern er geht auf uns zu, er spricht uns an. Weil er uns so sehr liebt. Das ist Weihnachten!

5.Kinder brauchen, damit sie zu reifen, erwachsenen, Menschen, zu selbständigen, freien, gesunden Persönlichkeiten heranwachsen können, Zuwendung. Das hat das grausame Experiment gezeigt. Sie brauchen erwachsene Menschen, die mit ihnen kommunizieren, die sie ansprechen, die ihnen Liebe und Geborgenheit schenken. Genauso brauchen wir Menschen, damit wir nicht verkümmern, damit wir unser volles Menschsein entfalten können, die Zuwendung Gottes, seine Liebe, die uns leben lässt. Und er hat sie uns geschenkt, sichtbar geschenkt in diesem Kind in der Krippe, dessen Geburt wir heute dankbar feiern dürfen. Was für eine frohe Botschaft ist das, in einer Welt, in der wir tagtäglich auch erleben, wohin gescheiterte Kommunikation führt: in Kriege, in Wirtschaftsembargos, in Terror und Fanatismus. Aber auch in unserem alltäglichen Leben spüren wir oft schmerzlich, wohin es führt, wenn Menschen verlernt haben, miteinander zu sprechen. Wenn eher übereinander gesprochen wird als wirklich miteinander zu reden. Da verhärten die Fronten, das zerbrechen Beziehungen, da wächst Isolation und Einsamkeit. Gott bricht die Sprachlosigkeit der Menschen an Weihnachten auf. Mit einem Wort, in dem er sich selbst mit seiner ganzen Liebe ausspricht. Dieses Kind in der Krippe: das ist Gottes zärtliches und liebevolles Wort, das uns Menschen leben lässt.

6.Wer Weihnachten so begreift, für den kommt jetzt alles darauf an, dass wir auch entsprechend leben. Wer so von Gott angesprochen ist, wer sich im wahrsten Sinne des Wortes von Gott angesprochen fühlt, der wird auch seinerseits versuchen, die Menschen in Liebe anzusprechen, die Liebe, die wir von Gott empfangen haben, zu teilen und weiterzugeben. Weihnachten darf man nicht für sich behalten, sonst zerbricht es. Die Erfahrung, dass sich Gott uns zuwendet, dass er uns angesprochen hat durch seinen Sohn, will weitergetragen, weitergesagt werden. Und das ist die Aufgabe, die wir jetzt haben. Mag sein, dass die Kerzen am Weihnachtsbaum schnell heruntergebrannt sind: aber in diesem Sinne fängt Weihnachten jetzt erst richtig an. Gott hat uns sein liebevolles Wort gesagt, und dieses Wort verpflichtet uns zur Antwort; es verpflichtet uns, entsprechend liebevoll, offen, fürsorglich miteinander umzugehen, uns gegenseitig eben das zu geben, was wir brauchen, damit sich Leben entfalten kann und nicht verkümmert. Amen.



 

Weihnachten 2018 Hochfest Geburt des Herrn (c) Dom St. Peter / Martina Bauer
Weihnachten 2018 Hochfest Geburt des Herrn (c) Dom St. Peter / Martina Bauer
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