Schmuckband Kreuzgang

Das Wort zum Sonntag

In Liebe dienen - Text: Mk 9,30-37

Pfarrer Karl Zirmer (c) Markus Schenk, Büttelborn
Pfarrer Karl Zirmer
Datum:
Sa. 21. Sept. 2024
Von:
Pfarrer Karl Zirmer

Was wäre der Sport ohne Wettkämpfe? Keine Bundesliga, keine Champions League, keine Europameisterschaft, keine Weltmeisterschaft. Kein Kampf um den ersten, den zweiten und den dritten Platz. Alle Sportler und Teams würden nur noch für sich trainieren. Dabei lebt der Sport aber davon, Leistungen miteinander zu vergleichen und Ziele zu formulieren, wie z.B. den Erhalt einer Position in einer Liga oder ein Platz auf dem Siegertreppchen. Wenn das alles wegfallen würde, gäbe es wahrscheinlich weniger Sportler, ganz zu schweigen von den zigtausenden Fans, die doch beim Wettkampf mitfiebern, wenn es um Sieg oder Niederlage geht. Wettkämpfe ohne Sieger, das geht nicht. Die Frage danach, wer der Beste, sprich der Erste ist, diese Frage ist wie ein Motor, der den Sport antreibt, die Sportler und auch ihre Fans.

Was wäre die Wirtshaft ohne Wettbewerb? Die kommunistische Planwirtschaft ist auch deshalb gescheitert, weil es keinen Wettbewerb gab. Der Staat war der alleinige Unternehmer. Es gab keinen Anreiz zur Weiterentwicklung. Das Ergebnis: Überall Produkte in gleichschlechter Qualität! Die Wirtschaft lebt davon Produktionen und Produktions-bedingungen zu verbessern. Es geht nicht nur darum, mehr Geld zu verdienen und das Kapital zu mehren, es sollte dazu führen, das Leben angenehmer und einfacher zu gestalten – für alle. Und dafür bedarf es des Wettbewerbs. Die Frage danach, wer hier der Beste, sprich der Erste ist, ist auch wieder ein Motor, um letztlich den Wohlstand für alle zu sichern und zu fördern. 

Wettkampf und Wettbewerb sind Entwicklungsmotoren, spornen an und helfen im besten Falle, die Welt zu verbessern. Und der Gewinner, der Erste, der steht im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit, wird gefeiert und umjubelt.

Aber wo Licht ist, da gibt es auch Schatten. Wenn es nur einen Sieger gibt, nur einen ersten Platz, was passiert dann mit den anderen? Was ist mit denjenigen, die auch Erste werden wollten, es aber nicht geschafft haben? Sind diese nur Verlierer? Gehört zum Wettkampf und Wettbewerb nicht zunächst eine Anerkennung all derer, die sich überhaupt darauf eingelassen haben mitzumachen? Und muss das Verlieren nicht auch gelernt werden, wenn man sich auf einen Wettbewerb oder einen Wettkampf einlässt, eben weil es nur einen ersten Platz gibt? Das ist wahrscheinlich leichter gesagt als getan.

Schwierig wird es allerdings dann, wenn das eigene Selbstwertgefühl allein davon abhängt, Erster zu sein und alles andere nur als persönliches Scheitern empfunden wird. Es gibt nicht wenig Mensch en, deren Selbstwertgefühl abhängig ist von erbrachten Leistungen und den entsprechenden Anerkennungen durch andere. So wichtig natürlich Lob und Anerkennung sind für erbrachte Leistungen und auch für die Entwicklung einer Persönlichkeit: Sie sind nicht alles!

Noch schlimmer wird es, wenn es keine Leistungen vorzuweisen gibt und stattdessen Statussymbole gesucht werden, um Anerkennung zu erlangen, z.B. durch Haben statt Sein: mein Haus, mein Auto, mein äußeres Erscheinungsbild. Ganz nach dem Motto: Kleider machen Leute! Und wie ist es mit der Anerkennung, die jemand für sich reklamiert aufgrund seines Titels oder seiner Stellung in der Hierarchie: Leider ist dieses denken auch in der Kirche verbreitet. Da gibt Eminenzen, Exzellenzen, Prälaten und Pröbste. Hochtrabende Titel, die immer noch Respekt abverlangen.

Wenn Jesus im heutigen Evangelium sagt: „Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein“ (Mk 9,35), dann akzeptiert er den Wettbewerb um den ersten Platz, stellt die Dinge aber auf den Kopf. Es geht nicht um eine gesellschaftliche Anerkennung, wie sich das offensichtlich auch seine Jünger vorstellten. Jesus geht es um den Dienst an den Mitmenschen als Maßstab und entscheidendes Kriterium. Im Dienen erweisen sich Größe und Vorrang. Der große Kirchenvater Augustinus hat die Mahnung Jesu im heutigen Evangelium so auf den Punkt gebracht: „Der Vorsteher soll sich nicht deshalb glücklich schätzen, weil er Befehle erteilen darf, sondern weil er in Liebe dienen kann.“

Jesus stellte klar: Unter denen, die zu ihm gehören, darf es durchaus die Ersten und die Großen geben. Die sollen sich aber dadurch auszeichnen, dass sie sich klein machen können, niemanden übersehen und sich schon gar nicht vorbeidrücken, wo tatkräftige Hilfe nötig ist. Sondern großherzig sind. Verantwortung übernehmen für andere, für die, die Hilfe brauchen. Wer ein Jünger Jesu sein will, muss den Dienst am Mitmenschen im Blick behalten, weil das auch ein Gottesdienst ist. Und Dienst am Mitmenschen darf für keinen unter seiner Würde sein, weil er sich zu groß oder zu erhaben fühlt, sich mit den „Kindern seiner Zeit“ abzugeben.

Wahre Größe besteht darin, dass ich mich klein machen kann und dabei keine Angst habe, etwas zu verlieren. Wenn ich kindlichen Rangstreit nicht nötig habe, weil ich weiß, wo ich stehe: Vor Gott sind wir alle wichtig und wertvoll! Wenn ich Verantwortung spüre und übernehme. Wenn ich die Blickrichtung ändere: Weg von mir, hin zum anderen. Wenn ich mich in den Dienst nehmen lasse!

Man kann also durchaus Erster und dennoch Letzter und Diener aller sein. Auf die innere Haltung kommt es an! Für christliches Verhalten ist nicht die gesellschaftliche Stellung entscheidend, sondern die Haltung des Dienens, die einer in seiner Position und durch seine Aufgabe einnehmen soll. Je mehr man durch Beauftragung und entsprechende Fähigkeit einer der Ersten ist, desto größer ist die Pflicht des Dienens. Der frühere Bischof von Aachen Klaus Hemmerle hat einmal gesagt: „Autorität bedeutet für mich, als erster zu lieben!“ Bei Gott zählt allein der „Dienst der Liebe“ –egal, welche Stellung man in der Ordnung der Menschen einnimmt.

A m e n.