Schmuckband Kreuzgang

1. Advent - Segnung des Adventskranzes

1. Advent (c) Martina Bauer
1. Advent
Datum:
Sa. 28. Nov. 2020
Von:
Martina Bauer

Der Türhüter: Wächter und Hoffnungsbote

 

 

 

 

 

 

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  1. Advent, LJ B (2020): zu: Mk 13, 24-37

(VAM und St. Martin)                                                                                                                  

 

Der Türhüter: Wächter und Hoffnungsbote

 

  1. Die Pandemie-Maßnahmen wurden in dieser Woche noch einmal verlängert; nun ist klar: wir werden auch Weihnachten nur unter Einschränkungen feiern können. Die Zahl der Infizierten und Kranken ist anhaltend hoch; in dieser Woche wurde die Grenze von 1 Milion, die seit Ausbruch der Infektion in Deutschland infiziert wurden, „geknackt“; allein in Europa sind bislang 400.000 Menschen an Corona verstorben; weltweit sind es bereits fast 1,5 Mio. Menschen, wobei es gerade in den ärmeren Ländern kaum verlässliche Statistiken gibt. Kein Wunder, dass manche bei der Pandemie mittlerweile an apokalyptische Zustände denken, wie Sie Jesus heute im Evangelium beschreibt: „Die Sonne wird sich verfinstern, der Mond nicht mehr scheinen, die Sterne fallen vom Himmel und die Kräfte des Himmels werden erschüttert!“ Dabei vergessen und übersehen wir oft, dass es uns in unserem Land ja gut geht: wir haben ein stabiles Gesundheitssystem, das zwar stark gefordert ist, aber funktioniert. So schlimm und schmerzlich manche Einschränkungen sind, so bitter es gerade für die Älteren oder für Kranke Menschen ist, die isoliert sind: im Vergleich zu der Not, dem massenhaften Sterben in vielen anderen Ländern, wo es keine ausreichenden Beatmungsgeräte, nicht genug gut ausgerüstete Isolier- und Intensivstationen gibt, wo die Menschen sich Krankenhäuser, Arzt und Medikamente gar nicht leisten könnten, selbst wenn sie sie erreichen könnten, geht es uns gut. Und dass man in unseren Medien scheinbar nur die Demonstrationen in unserem Land wahrnimmt und die Stimmen deren, die mit maßlosen und irren Vergleichen die Einschränkung ihrer Freiheit beklagen, die sich, bloß weil sie, um sich und andere zu schützen, eine Maske tragen sollen oder eben mal auf eine große Geburtstagsparty verzichten müssen, mit von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfern oder gar Opfern des Holocaust vergleichen, ist einfach unerträglich. Gleichzeitig hört man in unseren Medien so gut wie nichts darüber, wie die Pandemie etwa in Indien, in Indonesien, in manchen Ländern Lateinamerikas wütet, wo wirklich Zustände herrschen, wie sie das Evangelium beschreibt, wo für die Menschen wirklich der Himmel einzustürzen droht. Hier haben sich die Maßstäbe völlig verschoben; wir leben in einer irren von Egozentrik geprägten Welt, in der viele nur noch sich selbst, die eigenen Bedürfnisse, die eigenen Nöte und Einschränkungen, Ängste sieht. Wir haben es verlernt, über den eigenen Kirchturm hinaus zu schauen, solidarisch auch und vielleicht zuerst die Not der anderen wahrzunehmen, unsere moderaten Einschränkungen in eine Relation zu setzen zu der Not und dem Elend, das dadurch verhindert werden kann. Hier führt uns die Pandemie brutal vor Augen, was schon lange unbemerkt gewachsen ist: wir haben verlernt, uns und unsere Bedürfnisse zurückzunehmen, um füreinander da zu sein.
  2. Natürlich weiß ich: wenn ich das so pauschal sage, ist das zutiefst ungerecht. Denn es gibt ja auch das andere: Menschen, die gerade in dieser Krise über sich hinauswachsen, die sich ohne auf sich selbst zu achten für andere einsetzen. Das sind nicht nur das Pflegepersonal in Krankenhäusern und Altenheimen, die Ärztinnen und Ärzte, denen wir am Anfang der Pandemie von den Balkonen geklatscht und gesungen haben. Da sind oft im Verborgenen Viele, die bewusst Besuche oder Einkäufe machen bei Menschen, die sonst niemanden haben, da sind Erziehrinnen und Lehrpersonal, die wissen, dass sie ihre eigene Gesundheit gefährden, die aber trotzdem alles dran setzen, Schulen und Kitas offen zu halten. Da sind Menschen, die sich für die Vergessenen in den Flüchtlingslagern engagieren oder unsere Jugend, die jetzt im Advent an die Menschen erinnert, die im Libanon und in Beirut noch immer unter der katastrophalen Explosionskatastrophe leiden – zusätzlich zu Corona – und deren Not hier längst schon vergessen ist. Es gibt eben auch die: die stillen Engel des Alltags, die sich einsetzen für andere, selbstlos. Über die aber nicht berichtet wird wie über jemanden, der sich für Sophie Scholl hält.
  3. An alle diese Engel in der Krise wollen wir im Advent besonders erinnern: denn die sind so etwas wie Hoffnungslichter in einer ansonsten düsteren Zeit. Wir haben deshalb von heute an im Dom eine „Corona-Advents-Krippe“, die unter dem Psalmwort steht: „Denn Er hat seinen Engel gesandt“. Das ist gedacht als eine Einladung, in dieser Zeit wachsamer gerade diese Engel in unserer Umgebung wahrzunehmen, Dankbarkeit zu zeigen. Denn dadurch wird es heller, wo andere nur das Dunkle sehen.
  4. Weltuntergangsstimmung bei manchen, Corona, Einschränkungen: Was können wir als Kirche tun in dieser Zeit? Was ist unsere Aufgabe? Ich bin dieser Tage von einem Journalisten genau das gefragt worden. Mit dem Frage: „Warum schickt Gott denn diese Pandemie? Ist das eine Strafe?“ Genau diese Frage stellt ja auch der Prophet in der alttestamentlichen Lesung: „Warum, Herr, straft du uns so? Warum hast du zugelassen, dass alles um uns ins Chaos, in Trümmer fallen konnte?“ Hintergrund war die Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier. Und, ganz menschlich, es ist fast ein Vorwurf gegen Gott: Letztlich bist du, Gott, doch schuld, du hast doch zugelassen, dass wir in unser Unglück gerannt sind. „Wie konntest du zulassen, dass wir von deinen Wegen abirren?“ So denken die Menschen offenbar seit ewigen Zeiten: Wenn etwas schief geht in der Welt, ob es Krieg und Unheil ist, die Umweltzerstörung oder Krankheiten: am Ende ist Gott schuld. Und dann schreien die Menschen nach ihm: „Kehre zurück um deiner Knechte willen!“
  5. Auch im Evangelium ist es so: wenn alles in Trümmern versinkt, wenn der Himmel über uns einbricht, dann muss Gott kommen. Und, Jesus sagt es ganz klar: Gott kommt auch, er lässt uns nicht hängen. Wenn die Not am größten ist, so sagt Jesus: „Dann wird man den Menschensohn in den Wolken kommen sehen!“ Gott kommt! Das ist die Botschaft des Advent. Er steht schon vor der Tür!
  6. Aber: Er kommt nicht als der große Zampano, der mit einem Schlag alles aufräumt und in Ordnung bringt. Er kommt, das werden wir an Weihnachten wieder erfahren dürfen, so ganz anders: still, bescheiden, menschlich, im Verborgenen – wie eben die vielen Engel des Alltags, von denen ich eben gesprochen habe. Er kommt nicht, um alles Unheil aus der Welt zu schaffen, alles aufzuräumen, was wir an Chaos produziert haben. Er kommt, um uns in guten wie in schweren Stunden an der Seite zu stehen. Er durchleidet die Dunkelheit mit uns. Er kommt, um unsere Augen zu öffnen, unseren Blick zu weiten, dass wir nicht länger nur uns selbst sehen, sondern auch den andern, die vielleicht größere Not der andern; um unser Herz zu öffnen. So will er die Welt verändern und verwandeln.
  7. Noch einmal: Was ist unsere Aufgabe als Kirche in dieser Zeit? „Jedem gibt der Herr eine bestimmte Aufgabe“, sagt Jesus im Evangelium. „Dem Türhüter befahl er, wachsam zu sein!“ Ich glaube: Genau das ist unsere Aufgabe als Kirche: Türhüter in dieser Welt zu sein. Türhüter, die dem Herrn die Tür öffnen, dass er in diese Welt kommen kann. Der Türhüter ist derjenige, der in der Nacht wacht und aushält, der nicht resigniert, nicht wütend aufbegehrt, sondern wachsam bleibt und nach dem Morgenrot Ausschau hält, dass nach der Dunkelheit einen neuen Tag ankündigt. Das ist unsere Aufgabe: Ausschau halten nach den Spuren des Lichts mitten in der Dunkelheit. Hoffnungsboten zu sein, wo andere nur noch das Schlimme, die Einschränkungen, den Untergang sehen. Und die Tür offen zu halten, durch die der Herr, durch die seine heiligen Engel Einzug halten können. Und vielleicht – das wäre dann wirklich ein gnadenreicher Advent in dieser besonderen Zeit – hier und da selbst zum Engel zu werden, der nicht jammert, der nicht die Dunkelheit beklagt und wie schlimm doch alles ist, sondern mitten im Dunkel in Wort und Tat etwas Hoffnung und Licht bringt. Amen.