Schmuckband Kreuzgang

2. Sonntag im Jahreskreis

2. Sonntag im Jahreskreis (c) Martina Bauer
2. Sonntag im Jahreskreis
Datum:
Sa. 15. Jan. 2022
Von:
Martina Bauer

Nur wer nervt, kann etwas verändern - Aber bitte immer im Blick auf Jesus!

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  1. Sonntag im Jahreskreis LJ C zu: Jes 62, 1-5 (VAM & St. Martin)  Joh 2, 1-11

 

Nur wer nervt und stört, kann etwas verändern.

(Aber bitte immer im Blick auf Jesus!)

 

  1. Frauen stören. Und Frauen nerven mit ihren Diskussionen. Besonders in der Kirche und wenn es um Reformen in der Kirche geht. Das sage nicht ich – Gott bewahre, würde ich mich gar nicht trauen. Das habe ich gerade in einem Artikel in der Zeitschrift: „Christ in der Gegenwart“ gelesen (Nr. 3/2022). Natürlich – wenn ich ehrlich bin, fällt mir da auch gleich Maria 2.0 ein und manches, was mich auch eher verstört in der Diskussion rund um den Synodalen Weg und die Reformen in der Kirche. Aber gemeint war in dem Artikel, den übrigens eine Frau geschrieben hat, eine hochengagierte Theologin, (Claudia Pfrang), etwas ganz anderes. Sie zitiert nämlich den Buchtitel einer Ordensfrau, Franziskanerin, Sr. Katharina Ganz. Und der Titel dieses Buches lautet: „Frauen stören. Und ohne sie hat die Kirche keine Zukunft“. Es geht also gerade um ein Plädoyer für störende Frauen, ja für das Stören überhaupt. Denn es wird sich nur etwas ändern, wenn jemand den Mut hat, zu stören. Egal ob Mann oder Frau.
  2. In diesem Artikel wird es deshalb auf die störenden und nervenden Frauen zugespitzt, weil an diesem Sonntag genau dieses Evangelium überall in der katholischen Kirche verkündet wird. Denn auch im Evangelium heute begegnet uns eine Frau, Maria, die offenkundig stört und nervt. Denn man kann es drehen und wenden wie man will: wirklich liebevoll und mit nachsichtiger Geduld hat Jesus dieses plumpe und der eigenen Mutter gegenüber respektlose „Was willst du von mir, Frau?“ ganz sicher nicht gemeint. Er empfand den eigentlich ganz sachten und dezenten Hinweis seiner Mutter als nervend und störend. Ganz offensichtlich. Und doch brauchte es diese Störung, diesen im ersten Moment lästigen Anstoß, damit sich an der prekären, traurigen Situation auf der Hochzeit etwas ändert.
  3. Störungen sind also erst einmal nichts Schlechtes. Es braucht sie, damit sich etwas verändert, etwas zum Besseren wandeln kann. Das ist eine entscheidende Lehre aus der Erzählung von der Hochzeit zu Kana. Es braucht Störungen, damit wir den Blick schärfen auf das, was wirklich nötig ist. Und manchmal greift Gott selbst genau so ein, indem er stört und nervt. Ja, natürlich nervt und stört es, wenn wir in der Kirche die Erfahrung machen, dass uns scheinbar alles zusammenbricht, dass die volkskirchlichen Strukturen, die so lange getragen haben, wegbröckeln. Es nervt und stört, dass wir immer weniger Priester und Hauptamtliche in der Kirche haben und gar nicht mehr wissen, wie es eigentlich in ein paar Jahren weiter gehen soll. Es nervt und stört, wenn wir uns seit Jahren permanent mit Missbrauchsskandalen herumschlagen müssen, und mit massenhaften Kirchenaustritten – aber ganz offensichtlich greift Gott zu diesen drastischen Mitteln, um uns klar zu machen, dass sich etwas ändern muss, und zwar grundlegend. Es geht nicht länger darum, Lösungen zu finden, damit alles so bleiben kann, wie wir es gewohnt sind. Es geht darum, alles zu verwandeln. So wie bei der Hochzeit das Wasser in Wein verwandelt wird. Und damit sich etwas ändert und wandelt, muss zuerst einer stören, Oder eine, wie Maria.
  4. Ich finde an diesem Evangelium auch sehr lehrreich, wie Maria hier nervt und stört. Einmal diese dezente Art, mit der sie einfach nur sagt, was doch ganz offensichtlich ist: „Sie haben keinen Wein mehr!“ Zugegeben, ich kann Jesus hier gut verstehen. Mich nervt nichts so sehr, wie wenn ich das Gefühl habe, dass Menschen nicht direkt sagen, was sie eigentlich wollen. So eine dezente Anmerkungen, und dann muss man anfangen, irgendwie zwischen den Zeilen zu lesen und zu erahnen, was eigentlich gewollt ist. Und wehe, man hat es nicht richtig verstanden. „Sag doch klar, was du willst!“, herrscht Jesus seine Mutter an. Was aber Maria mit ihrem Nerven erreicht, ist, dass sich der Blick der Festgäste, ja sogar die Perspektive Jesu verändert. Natürlich haben alle mitbekommen, dass der Wein aus ist. Und man kann sich leicht ausmalen, was los war. Wie sich die Menschen das Maul zerrissen haben über diese Peinlichkeit des Gastgebers. Eine große Party schmeißen wollen, und dann reicht es hinten und vorne nicht. Maria verändert die Perspektive: wo alle nur sehen, was alles schief gegangen ist, über die Schuldigen herziehen, oder kluge Ideen haben, was man hätte besser machen können, oder sollen, oder müssen. Da lenkt Maria den Blick auf die Frage: Was braucht es denn jetzt? Was brauchen die Menschen, damit es gut weitergehen kann. „Was brauchen die Menschen? Und: Geben wir ihnen, was sie brauchen?“ Diese beiden Leitfragen hat unser Bischof ganz am Anfang über den Pastoralen Weg gesetzt. Im Grunde ist es genau dasselbe: Wo viele genau wissen, was die Kirche alles falsch macht, wie sie anders, besser sein sollte, da müsste eigentlich die erste Frage sein: Was brauchen die Menschen? Um dann weiter zu fragen: Wie können wir den Menschen das geben, was sie brauchen? Was sie brauchen, damit ihr Leben gelingt, erfüllt ist. Denn genau das ist unsere Aufgabe als Kirche. Der Sinn und die Aufgabe der Kirche ist es nicht, möglichst viele zahlenden Mitglieder zu rekrutieren, auch nicht, schöne, knallvolle Gottesdienste zu feiern oder als gesellschaftspolitische Instanz ernst genommen zu werden. Sondern der Sinn, die Aufgabe und Sendung der Kirche besteht darin, den Menschen zu dienen, ihnen das zu geben, was sie brauchen, damit ihr Leben glückt und gelingt. „Ich will, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben“, sagt Jesus wenig später im Johannesevangelium. Um Leben in Fülle geht es. Und genau das klingt auch bei der Hochzeit von Kana, gleich am Anfang des Auftretens Jesu an. Denn die Hunderte Liter Wein, die Jesus den Menschen gibt, die ohnehin wahrscheinlich schon reichlich angetrunken waren, weil sie dem Bräutigam ja schon seinen ganzen Vorrat leergesoffen haben: die sind ein Bild, ein Symbol für die maßlose Fülle, die Gott den Menschen schenken will. Leben in Fülle.
  5. Wie können wir den Menschen eine Ahnung von dieser maßlosen Fülle geben, die uns blüht, wo wir Gott in unser Leben lassen? Das ist die entscheidende Frage. Das Bild, das wir momentan als Kirche abgeben, hat eher was von Trauerkloß und Bankrott, eben der Bräutigam, dem der Wein ausgegangen ist. Peinlich kommt die Kirche momentan daher. Mehr als Wasser haben wir nicht mehr zu bieten. Dass wir dieses Wasser verwandeln lassen – darauf kommt es an. Dass wir von uns weg auf Jesus schauen. Denn das ist die entscheidende Botschaft, die die nervende und störende Maria im Evangelium uns mit auf den Weg gibt: „Was er euch sagt, das tut!“ Nicht: was ihr euch so vorstellt, was ihr euch wünscht, wie ihr euch die Kirche zurecht basteln wollt, das macht. Sondern: Schaut auf Jesus! Hört auf Jesus! Und was er euch sagt, das tut! Und wenn es noch so sinnlos klingt, wie es wahrscheinlich geklungen hat, als Jesus die Krüge mit Wasser füllen lässt. Aber wo anfangen auf Gott, auf Jesus zu hören, das verwandelt sich alles, da bricht die maßlose Fülle aus! Da beginnt das Freudenfest!
  6. Fazit: Gott braucht Menschen, die stören und nerven. Wie auch in der alttestamentlichen Lesung der Prophet Jesaja, der sagt: „Um Zions willen kann ich nicht schweigen, um Jerusalems willen kann ich gar nicht still und bequem sein!“ Wenn sich etwas zum Besseren verändern will, wenn die Ungerechtigkeit aufgebrochen werden soll und verwandelt in Gerechtigkeit, dann braucht es Menschen - Frauen und Männer - die stören. Die den Blick wenden von unserem Gejammer und Selbstmitleid auf die Menschen, für die Kirche da sein soll; unseren Blick wenden auf die Frage, was die Menschen wirklich brauchen. Und die unseren Blick richten auf Jesus: Was er euch sagt, das tut! Gemeinsam hinhören auf das, was Jesus uns sagt, darum muss es gehen in allen synodalen Prozessen und Wegen und Reformen der Kirche. Und darum, zu vertrauen, dass Gott unser armseliges Wasser verwandeln kann - und verwandeln wird in maßlose Fülle und Freude.