Schmuckband Kreuzgang

3. Sonntag in der Fastenzeit

3. Fatsensonntag (c) Martina Bauer
3. Fatsensonntag
Datum:
So. 7. März 2021
Von:
Martina Bauer

Lob auf Gottes herrliche Ordnung

 

 

 

 

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  1. Fastensonntag, LJ B (2021) zu: Ps 19

(VAM und Dom)                                                                                Predigtreihe: Vier Psalmen

 

Lob auf Gottes herrliche Ordnung

 

  1. Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“ – man muss diese paar Worte nur aussprechen, nicht einmal ansingen, und schon hat wohl jeder die fulminante Melodie im Ohr. Es ist das Glanzstück eines jeden Männergesangsvereins; von Heino bis zu den Fischerchören: keiner, der sich nicht an diesem prachtvollen Gesang versucht hat. Ludwig van Beethoven hat die machtvolle Melodie komponiert und damit ein Gedicht von Christian Fürchtegott Gellert musikalisch umgesetzt. Es ist zweifellos eines der bekanntesten und beliebtesten geistlichen Chorstücke überhaupt. Und das ganz zu Recht, meine ich. Das von einem großen, machtvollen Chor interpretiert: da läuft einem einfach Gänsehaut über den Rücken.
  2. Kaum einer weiß, dass es sich dabei aber, zumindest in den ersten Strophen, um die Worte des alttestamentlichen Psalms 19 handelt, der heute in unserer Psalmenreihe Gegenstand unserer Betrachtung ist. Vielleicht hat der Text auch daher seine Wucht und Stärke, weil es sich eben um einen 3.000 Jahre alten Hymnus handelt, einen der schönsten Psalmen: „Die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes; vom Werk seiner Hände kündet das Firmament. Ein Tag sagt es dem andern, eine Nacht tut es der andern kund: ohne Worte und ohne Reden, unhörbar bleibt ihre Stimme. Doch ihre Botschaft geht in die ganze Welt hinaus, ihre Kunde bis an die Enden der Erde. Dort hat er der Sonne ein Zelt gebaut: sie tritt aus ihrem Gemach hervor wie ein Bräutigam; sie frohlockt wie ein Held und läuft ihre Bahn. Am einen Ende des Himmels geht sie auf und läuft bis ans andere Ende, nichts kann sich vor ihrer Glut verbergen!“ Es ist ein Lobpreis auf die Schöpfung, nein, falsch, nicht auf die Schöpfung, sondern auf den Schöpfer. Die Schöpfung selbst stimmt ein in den großen Lobgesang auf Gott, der alles geordnet und gemacht hat. Ohne Worte kündet die Schöpfung, die Sonne, der Mond, das Firmament, von der unfassbaren Größe des Schöpfers, der alles so wunderbar gemacht hat. Und die Botschaft lautet: wer hinsieht, wer die Sonne, das leuchtende Firmament sieht, wer wahrnimmt, wie alles so wunderbar geordnet ist, der muss einfach staunend, voller Ehrfurcht einstimmen in den Lobpreis Gottes! Und genau dieses überwältigende Staunen, dieser machtvolle Lobgesang: genau das hat für mich Beethoven auch in dem Chorgesang so wunderbar umgesetzt.
  3. Unglücklich nur, dass dieser erste, großartige Teil des Psalms heute im Zwischengesang ganz und gar weggelassen ist und also gar nicht Gegenstand unserer Betrachtung heute ist. Der Psalm besteht nämlich aus zwei Teilen, und der Antwortpsalm des heutigen Sonntags ist nur der zweite Teil, der ab Vers 8 beginnt. Und der scheint auf den ersten Blick für unsere Ohren gar nicht so angenehm und erhebend. Da ist von der Weisung Gottes die Rede, von seinem Zeugnis, seinen Befehlen, seinen Geboten, der Furcht des Herrn und seinen Urteilen. Damit nimmt der Antwortpsalm unmittelbar Bezug auf die erste Lesung, in der berichtet wird, wie Gott auf dem Berg Sinai seinem Volk die Zehn Gebote gegeben und es auf dieses Gebote, auf sein Gesetz verpflichtet hat. Das aber geht so gar nicht an uns heran. Wir sind Menschen, die nach Freiheit streben; wir wollen uns nicht bevormunden lassen, uns keine Vorschriften machen lassen. Dass der Staat so massiv wie in den letzten Wochen mit Vorschriften in unser Leben eingreift: Mundschutz, Kontaktbeschränkungen, Vorschriften, mit wem ich mich wann treffen darf und mit wem nicht, Ausgangsspeeren, Beschränkungen der Bewegungsfreiheit und so fort: das ist für viele schier unerträglich. Selbst wenn wir wissen und einsehen, dass es notwendig ist, zu unserem Schutz und zu dem der anderen: es ist schier unerträglich, dass wir uns so allen möglichen Vorschriften unterwerfen müssen.
  4. Auch in der Kirche ist das schon lange ein heftiges Thema: die Kirche hat uns nicht in unser Leben hereinzureden. Weder, wie die Menschen ihre Sexualität gestalten, noch ins Familienleben, in die Familienplanung gar, noch in andere Bereiche des Lebens. Man hat fast den Eindruck, als ob Gebote, Vorschriften, Weisungen heutzutage allgemein so etwas wie eine kollektive allergische Reaktion hervorrufen. Wir sind doch mündige Christen, uns muss keiner sagen oder gare vorschreiben, wie wir leben sollen! Und dann kommt da so ein uralter Psalm daher, der Gebote, Gesetze, Befehle Gottes geradezu hymnisch preist und lobt, im selben Duktus und Atemzug, wie er vorher die atemberaubende Schönheit und Ordnung der Schöpfung gepriesen hat: Die Befehle, Gebote, Weisungen Gottes würden den Menschen erquicken, weise machen, sein Herz mit Freude erfüllen, die Augen leuchten machen und sofort. Lächerlich! Also ehrlich: welcher moderne, aufgeklärte Mensch, welcher selbstbewusste und freiheitsliebende Zeitgenosse glaubt denn so was?
  5. Mich fasziniert dieser uralte Psalm unglaublich. Gerade weil er so aus der Zeit gefallen scheint, dabei aber auf etwas aufmerksam macht, was wir heute einfach vergessen, oder aber verdrängt haben: dass Gottes Gebote und Gesetze eben nicht unserer Freiheit entgegen stehen, sondern sie erst ermöglichen. Tatsächlich, der Mensch des Alten Bundes wusste das noch. Die Menschen hatten noch erlebt oder zumindest die Erinnerung an Zeiten, in denen das Recht des Stärkeren regierte, ein Stamm den anderen wahllos überfiel, man sich gegenseitig versklavte, die Schwachen ausplünderte, sich der Starke nahm, was er wollte und das das am Ende im Chaos endete. Für die Menschen des Alten Bundes war die Ordnung, die Gott durch seine Gebote und Gesetze schaffte, ein Segen. Seine Gebote eröffneten einen Raum der Freiheit, in dem leben aufblühen konnte, wo man in Sicherheit und friedlich leben konnte. Für die Menschen damals waren Gottes Gebote dasselbe wie die ewige Ordnung, mit der der Schöpfer am Anfang das Chaos bändigte und einen wunderbaren Kosmos schuf, in dem alles seine Ordnung hat, die Sonne ihre Bahn läuft. Genauso ordnet derselbe Gott das Chaos, dass die Menschen anrichten durch seine Gebote und Weisungen – und schafft damit Ordnung, einen Raum, in dem leben aufblühen kann. Deshalb preist der Psalmenbeter mit derselben Überzeugung und Leidenschaft die Ordnung der Schöpfung wie die Ordnung, die Gottes Urteile und Gebote schaffen. Deshalb gehören die beiden Teile dieses Psalms auch unmittelbar zusammen.
  6. Tatsächlich glaube ich, dass das Problem nicht ist, dass solche Worte der Bibel alt, unmodern und überholt sind, sondern dass wir vergessen haben, dass Gebote und Weisungen der Bibel Ausdruck von Gottes Willen sind, dass unser Leben gelingt. Dass wir vergessen haben, das wahre Freiheit nicht darin besteht, dass mir keiner sagt, wie ich leben soll, oder darin, dass ich alles ungehemmt tun und lassen kann, wie ich nur will, sondern dass ich begreife, dass wahre Freiheit dort ist, wo ich mein Leben so ordne, das es gelingt, wo Raum geschaffen wird, dass das menschliche Miteinander glücken und gelingen kann. Gottes Gebote öffnen einen Raum, in dem alle Menschen in Freiheit sich und ihr Leben verwirklichen können, und nicht nur die mit den stärksten Ellenbogen. Wer das wieder entdeckt, wer also nicht zuerst sieht, wo Gottes Gebot mich einschränkt, sondern welchen Raum es eröffnet, sichert und schützt, der beginnt wie der alttestamentliche Beter zu ahnen, was für ein Schatz, was für eine Weisheit mit Gottes Ordnung schaffenden Geboten verbinden ist. Wer sich auf Gottes Gebote einlässt und die Erfahrung macht, wie plötzlich Leben aufblüht, der kann dann auf einmal auch einstimmen in diesen wunderbaren Lobpreis der Ordnung durch Gottes Gesetze, die süßer sind als Honig, als Honig aus Waben, und kostbar als Feingold in Menge. Amen.