Schmuckband Kreuzgang

6. Sonntag im Jahreskreis

6. Sonntag der Osterzeit (c) Martina Bauer
6. Sonntag der Osterzeit
Datum:
So. 9. Mai 2021
Von:
Martina Bauer

„Was ich für rein erklärt habe, nenne du nicht unrein!“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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  1. Ostersonntag, LJ B (2021) zu: Apg 10, 25-26.34-35.44-48

(VAM & St. Martin)                                                                                                                     

 

„Was ich für rein erklärt habe, nenne du nicht unrein!“

 

  1. Das war eine ziemliche heftige Woche: Sie haben wahrscheinlich mitbekommen, was da, im Zusammenhang mit dem Zuschuss der Stadt für die Erweiterung unseres Kindergarten, an Hass gegen die katholischer Kirche, die Domgemeinde von manchen alles über uns ausgekübelt wurde.
  1. Es gibt heutzutage in unserem Land einen ausgeprägten Kirchenhass – insbesondere in Richtung auf die katholische Kirche. Dabei will ich gar nicht jammern. Ich weiß, dass wir durch viele Skandale mit schuld sind am schlechten Image von Kirche. Und ich weiß auch, dass heutzutage jeder, der sich als Christ zur katholischen Kirche bekennt, nicht viel anders geht. Wenn bekannt ist, dass man aktives Kirchenmitglied ist, dann muss man sich viel anhören, am Arbeitsplatz, von Freunden, Nachbarn. Messdiener in der Schule. Und ich will auch nicht einfach schimpfen über die böse Welt da draußen: dass das so ist, das haben wir uns auch viel selbst zuzuschreiben. Der Missbrauchsskandal etwa, die nicht besonders gute Performance, die wir in der Aufarbeitung hinlegen. Verschleppte Reformen. Der Eindruck, als ob katholische Kirche in vielen Bereichen immer noch fast mittelalterliche Strukturen hat. Dann manche Äußerung aus Rom. Interne Machtkämpfe und Intrigen und so fort.
  2. Wir stehen ein für einen enorm hohen moralischen Anspruch, und leben in vielen Bereichen selbst nicht so. Und müssen uns dann nicht wundern wenn sich über uns Häme, Missgunst, ja manchmal regelrecht Hass ergießt, wo wir, wo Vertreter dieser Kirche selbst am moralischen Anspruch scheitern. Wir sind manchmal auch innerhalb der Kirche miteinander in einem Maße unbarmherzig, dass es mich erschreckt. Und zwar, egal, wie wir kirchenpolitisch gestrickt sind. Das trifft die eher konservativen, traditionalistischen Katholiken genauso wie die reformorientierten, liberalen Geister. Wir denken alle in Schwarz-Weiß Kategorien: jeder reklamiert für sich, die Wahrheit und Weisheit gepachtet zu haben, genau zu wissen, was richtig und was falsch ist, was gut und was böse, wer richtig liegt und wem man das Katholisch-Sein abspricht.
  3. Ich habe mir nach meiner öffentlichen Äußerung zur Segnung homosexueller Paare einiges anhören müssen. Und zwar nicht von der Kirchenleitung. Weder der Papst noch der Chef der Glaubenskongregation haben sich bei mir gemeldet; mein Bischof hat mich eher noch ermutigt. Sondern von denen, die sich für besonders fromm und katholisch halten. Ich bin beschimpft worden als Ausgeburt des Satans, Satanspriester. Ich bin in Rom angezeigt worden – mit Durchschrift zum Nuntius und zu Erzbischof Gänswein. Und so fort. Damit kein Missverständnis ist: ich weiß und finde es auch in Ordnung, dass auch in unseren Gemeinden das mancher nicht verstehen kann und sehr kritisch sieht, was ich da von mir gegeben habe. Das ist auch legitim. Es darf unterschiedliche Meinungen, Überzeugungen, Sichtweisen geben innerhalb der Kirche. Und manchmal müssen wir auch um den richtigen Weg mühsam ringen. Wir brauchen uns auch nichts vorzumachen: dasselbe gibt es ja auch auf der anderen Seite: die ach so offenen, dialogbereiten Reformer, die aber genauso allen, die nicht wie Sie denken, absprechen, dass sie wirklich zur Kirche gehören. Wer nicht für Frauenpriestertum ist, für die Abschaffung des Zölibats, der ist von gestern, Mittelalter, der hat das Evangelium nicht verstanden. Da ist oft genauso viel Unversöhnlichkeit und Dialogverweigerung bei den ach so Dialogoffenen – nur eben mit umgekehrten Vorzeichen. Die Akribie, mit der versucht wird, nachdem die veröffentlichten Gutachten Kardinal Woelki vom Vorwurf der Vertuschung in Missbrauchssachen entlastet haben, doch irgendetwas zu finden, damit er endlich zurücktreten muss, nur weil jemand, der so verknöchert konservativ denkt einfach weg muss, erschreckt mich zutiefst.
  4. Jede Seite definiert für sich, wer dazu gehören darf und wer nicht. Und die andern werden ausgegrenzt. Es ist, als ob die Lesung aus der Apostelgeschichte genau für uns heute ausgesucht wäre. Petrus wird in das Haus eines Heiden eingeladen. Und er trifft dort – o Schreck – lauter Heiden vor. „Ihr wisst doch, dass es einem Juden nicht erlaubt ist, mit Nichtjuden zu verkehren oder ihr Haus zu betreten“, sagt Petrus erschreckt. Und Gott muss zu drastischen Mitteln greifen, um ihm klar zu machen, dass in Gottes Augen niemand unrein ist. Er schickt ihm eine gruselige Traumvision: ein Tuch, in dem alles mögliche Gewürm und unreine Getier wimmelt. „Schlachte und iss!“ sagt eine himmlische Stimme. „Um Gottes Willen, nie komme etwas Unreines über meine Lippen!“ sagt Petrus. „Was ich für rein erklärt habe, nenne du nicht unrein!“ Mit diesem Alptraum im Kopf kommt Petrus nun ins Haus des heidnischen Hauptmanns, trifft das Haus voller Heiden an: Unreine, Sünder. Um Gottes Willen! Und plötzlich begreift er, was Gott ihm sagen will mit dieser Vision. Er predigt diesen Heiden begeistert von Christus, von der Auferstehung. Und auf einmal kommt der Heilige Geist wie einst an Pfingsten auf die Apostel auf dieses unreine Gesocks! Petrus und die frommen Juden-Christen, die ihn begleiten, können es nicht fassen. „Kann jemand das Wasser der Taufe denen verweigern, die wie wir den Heiligen Geist empfangen haben?
  5. Ich erschrecke in letzter Zeit oft, wie sehr wir in der Kirche die Stelle der Pharisäer eingenommen haben. Die Pharisäer waren fromme, tief kirchliche Menschen, die sich nach Kräften bemühten, das Gesetz Gottes zu halten. Die genau jede noch so kleine Vorschrift kannten und befolgten. Und die deshalb genau wussten, wer rein und wer unrein, wer gerecht und wer Sünder, wer Gott gefällig ist und mit wem man besser keinen Umgang pflegen sollte. Gerade in der katholischen Kirche haben wir das alles heute mindestens so genau definiert wie die Pharisäer: wer etwa zur Kommunion gehen darf und wer nicht. Geschiedene Wiederverheiratete – Vorsicht. Unrein. Evangelische – o Gott, nein. Homosexuelle – nein, Sünder, kein Segen. Aber auch umgekehrt: Bischöfe, die sich mit Reformen oder synodalen Strukturen schwer tun:  mittelalterliche Hierarchen, die nicht in eine moderne Kirche passen und abgesetzt gehören.
  6. Wie kommen wir da raus? Wie gelingt es uns auszuhalten, dass Gott beruft, wen er will, und nicht einfach nur die, von denen wir denken, dass sie zu uns passen? In der Apostelgeschichte musste Gott selbst massiv eingreifen: durch diese Alptraumvision des Petrus, vor allem aber durch seinen Geist, den er ausschüttet über alle. Wir gehen auf Pfingsten zu. Beten wir um diesen Geist, der uns alle, die Konservativen, die Reformorientierten, und auch die in der Mitte, aufrüttelt. Der uns wie Petrus begreifen lässt: „Wahrhaftig: Gott sieht nicht auf die Person, auf konservativ, auf liberal, auf Mann, Frau, sexuelle Orientierung: Ihm ist in jedem Volk willkommen, wer ihn fürchtet und tut was Recht ist!“ Beten wir um diesen Geist, der uns wach rüttelt, der eine Weite des Herzens schafft, ja, der in unseren Herzen, um es altertümlich zu sagen: das Feuer der göttlichen Liebe neu entfacht, von der in der 2. Lesung und im Evangelium die Rede ist. Denn wir sind massiv in der Gefahr, innerhalb der Kirche die Liebe zu verlieren. „Bleibt in meiner Liebe!“ sagt Jesus. Und: „Ich habe euch Freunde genannt!“ „Nicht ihr habt mich erwählt, ich habe euch erwählt!“ Nicht wir bestimmen, wer zu uns gehören darf, wer zur Kirche, wer zu Christus gehören darf, wer sein Freund ist. Das bestimmt Christus allein! Und wenn wir mit den Augen der Liebe schauen, werden wir überrascht sein, wer alles zu den Freunden Jesu gehört, von denen wir es niemals denken würden. Weil Gottes Liebe so viel größer ist als unsere menschliche Engstirnigkeit. Amen.