Schmuckband Kreuzgang

Impressionen Osternacht

Osternacht 2024 (c) Norbert Rau
Osternacht 2024
Datum:
So. 31. März 2024
Von:
Martina Bauer

mit der Osterpredigt von Propst Tobias Schäfer

Predigt von Propst Tobias Schäfer

OSTERN 2024                                                                                                   zu: Joh 20, 1-18

(Dom 10:00 Uhr)

 

Gib uns Osteraugen!

 

  1. „Ich wünsche uns Osteraugen – die im Tod bis zum Leben, in der Schuld bis zur Vergebung, in der Trennung bis zur Einheit, in den Wunden bis zur Herrlichkeit, im Menschen bis zu Gott, in Gott bis zum Menschen, im Ich bis zum Du zu sehen vermögen. Und dazu alle österliche Kraft!“ Eine Karte mit diesem Osterwunsch des lange verstorbenen Essener Bischofs Klaus Hemmerle ist mir dieser Tage einmal wieder in die Hände gefallen. „Ich wünsche uns Osteraugen!“
  2. Mein Eindruck ist: Wir sehen oft eher mit Karfreitagsaugen in die Welt. Wir neigen dazu, alles nur düster und schwarz zu sehen, die schlimmen Zustände zu beklagen, zu jammern, zu lamentieren. Der kürzlich erschienene „World-Happiness-Report“, bei dem das subjektive Empfinden der Menschen in unterschiedlichen Ländern abgefragt wird, hat das auch statistisch untermauert: Finnland steht an er Spitze, dort leben offensichtlich die glücklichsten Menschen, die mit einer positiven, optimistischen Grundhaltung in die Zukunft schauen und deshalb auch mit sich und ihrem Leben zufrieden sind. Deutschland ist auf Rang 16 weit abgeschlagen: obwohl die Lebensverhältnisse objektiv bei uns sicher besser sind als in vielen anderen Ländern der Welt, wo die Menschen dennoch glücklicher sind. Wir bleiben extrem skeptisch im Blick auf die Zukunft. Wir jammern permanent über das Wetter: entweder ist es zu kalt oder zu heiß, entweder zu trocken oder es regnet halt, was uns auch nicht passt. Wir misstrauen dem Wirtschaftsaufschwung; wir glauben entweder gar nicht an den Klimawandel, oder wenn, dann sind wir sicher, dass da eh nichts mehr zu retten ist, also brauchen wir es auch gar nicht erst versuchen. Auch in der Kirche: es geht alles nur bergab; alles zerfällt; Rom verschließt ich sowieso allen Reformen, und Veränderungen wird es eh nicht geben. Und wenn jetzt in Worms noch die Dominikaner gehen, ist die Kirche hier sowieso bald am Ende. Diese negative Grundhaltung, diese düstere Sicht, dieser permanente Pessimismus: ich finde das schrecklich. Und ich glaube fest, das hat etwas mit der Erbsünde zu tun: irgendwie muss da was kaputt gegangen sein im Menschen, dass er die Schöpfung, die Gott doch gut, ja sehr gut gemacht hat, nur noch negativ sehen kann, immer das Haar in der Suppe findet und sich darüber herzlich und mit Leidenschaft aufregen kann, statt sich an all dem vielen Schönen, und Guten und Positivem und Hoffnungsvollen zu freuen, das es doch auch gibt, das wir aber ganz nicht mehr sehen können mit unseren Karfreitagsaugen.
  3. Ich weiß, dass ist jetzt alles sehr klischeehaft und übertrieben. Aber in jedem Klischee ist steckt meistens doch ein wahrer Kern. Warum nur fällt es uns so schwer, hoffnungsvoll, vertrauensvoll, positiv in die Zukunft zu schauen?
  4. Ich bin nur realistisch!“, sagen mir manchmal Menschen, wenn ich Sie auf ihre pessimistische Weltsicht anspreche. Das heißt: wir machen im Laufe unseres Lebens eben auch viele negative, enttäuschende, bittere Erfahrungen. Und sehen die Welt dann schnell durch diese Brille. Und klar: Es gibt in der Welt unfassbar viel, was schlimm ist. Es geht in unserer Welt vieles drunter und drüber: die Kriege in der Ukraine und in Israel, in Gaza. Die mutlose und zerstrittene Politik, der es nicht gelingt, diese Konflikte zu beenden oder in den Griff zu kommen. Die Mutlosigkeit im Blick auf wirksame Maßnahmen zum Schutz des Klimas. Die Zerstrittenheit in der katholischen Kirche, die Enttäuschungen nach dem Aufbruch des synodalen Wegs, dessen Impulse jetzt scheinbar wieder ausgebremst werden. Und ich könnte die Liste jetzt noch lange fortsetzen, bis auch dem letzten, unverbesserlichen Optimisten alle Hoffnung ausgetrieben ist. Die Zustände in der Welt sind leider so, dass da wenig erkennbar ist, was zu wirklicher Hoffnung ermutigt. Oder sehen wir es mit unseren Karfreitagsaugen einfach nur nicht mehr?
  5. Es kommt mir vor wie bei den Jüngern, die an Ostern nur das leere Grab sehen. Die Frauen, die am Ostermorgen beim Grab waren, finden das Grab aufgebrochen vor und rennen in ihrer Aufregung zu den Aposteln. Mit Karfreitagsaugen haben sie nur das leere Grab wahrgenommen und ihre Schlüsse gezogen: „Sie haben den Herrn aus dem Grab weggenommen, und wir wissen nicht, von sie ich gelegt haben!“ Ob da doch eine Funke Hoffnung ist oder nur das Entsetzen über den vermeintlichen Diebstahl des Leichnams: die Apostel versetzt diese Nachricht so in Aufregung, dass sie selbst zum Grab rennen. Aber auch sie sehen nicht mehr als die Frauen, obwohl sie ins Grab hineingehen, allem bis auf den Grund gehen wollen. Am Ende gehen sie traurig wieder zurück. Nichts hat sich geändert. Erst die Begegnung mit dem Auferstandenen ändert alles. Mit ihren Karfreitagsaugen erkennt Maria Magdalena den Herrn immer noch nicht, genauso wenig wie die Emmausjünger, von denen wir morgen hören werden. „Mit Blindheit geschlagen“ sind ihre Augen, oder wie es in der neuen Übersetzung heißt: ihre Augen waren „gehalten“, also beim Karfreitag, beim Grab stehen geblieben. Erst die Begegnung mit dem Auferstandenen, erst als das Herz die Überhand bekommt, fällt der Groschen. Und plötzlich ist alles anderes! „Da wurden ihre Augen aufgetan!“, heißt es. Plötzlich sehen sie die Welt, alles, was geschehen ist, ja sogar das Leiden, Sterben, das Kreuz in ganz anderem Licht, im Osterlicht. Es ist eben der Blick, der Osterblick, der im Tod das Leben, in der Schuld die Vergebung, in den Wunden die Herrlichkeit schon schaut oder wenigstens erahnt. Und dieser Blick, diese Osteraugen, die werden erst durch die Begegnung mit dem auferstandenen Herrn geschenkt!
  6. Das bedeutet: wenn sich an unserer Einstellung, unserer Sichtweise auf die Welt, etwas ändern soll, dann müssen wir immer neu die Begegnung mit dem Auferstandenen suchen. Er begegnet uns heute wie den Frauen, den Jüngern. In jedem Gottesdienst, in den Sakramenten, aber auch mitten im Alltag unseres Lebens. Wir müssen nur mit dem Herzen schauen, das tiefer sieht, das eben auch die Hoffnungszeichen sieht und erkennt und nicht nur das Negative, Enttäuschende.
  7. Die Erfahrung des Karfreitags war für die Jünger nicht dadurch zu bewältigen, dass sie sich zusammengesetzt hätten und Strategien entwickelt hätten, wie man trotz dieser traumatischen Erfahrungen, dieser bitteren Enttäuschung irgendwie weitermachen kann. Vielleicht ist das ja auch ein wenig das Problem in der Kirche: dass wir meinen, wir müssten Strategien entwickeln, wie wir mit all den Veränderungen, den Abbrüchen, den Enttäuschungen umgehen können. Und in unserer Hilflosigkeit versuchen wir neue Aufbruchsstimmung zu erzeugen, indem wir den Menschen einzutrichtern versuchen: „Wir schaffen das! Wir kriegen das schon irgendwie hin! Wir werden das alles so organisieren, dass es weitergeht!“ Ja, manches muss jetzt neu, anders, teilweise radikal anders organisiert werden. Da geht kein Weg dran vorbei. Aber viel wichtiger ist, dass wir den Menschen wie Maria von Magdala zurufen: „Ich habe den Herrn gesehen! Er lebt!“ Das ist die Botschaft, die den Blick verändert, die alles anders macht. Diese Botschaft, die Begegnung mit dem auferstandenen Herrn! Die verwandelt unseren Karfreitagsblick und schenkt uns Osteraugen: Augen, die mit Hoffnung, mit Freude, mit Vertrauen in die Zukunft blicken, weil Christus lebt und weil er bei uns ist!
  8. Deshalb: wie es Paulus in der Lesung sagt: Lasst uns dieses Ostern mit Christus, unserem Paschalamm, feiern. Und mit Paulus möchte ich allen zurufen: Schafft den alten Sauerteig weg! Den Sauerteig der Resignation, der Enttäuschung, der Besserwisserei, des ewigen Gemeckers, des Egoismus, der Angst, der Hoffnungslosigkeit, der Wut. In Christus, dem Paschalamm, das geopfert wurde, hat das Leben bereits gesiegt! Lasst uns Ostern feiern mit dem ungesäuerten Brot der neuen Hoffnung, dass mit Gottes Hilfe alles gut wird, mit dem Vertrauen, dass in Christus das Leben den Tod besiegt hat. „Ich wünsche uns Osteraugen – die im Tod bis zum Leben, in der Schuld bis zur Vergebung, in der Trennung bis zur Einheit, in den Wunden bis zur Herrlichkeit, im Menschen bis zu Gott, in Gott bis zum Menschen, im Ich bis zum Du zu sehen vermögen. Und dazu alle österliche Kraft!“

Amen. Halleluja!

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