29. / 30.01.2022
Gott, du Licht in unserer Nacht,
du Gefährte auf unseren Wegen:
Gib uns immerdar das Geleit
Auf unserem langen Weg zu unserer Menschwerdung
Auf dem endlos schmalen Pfad zwischen Gut und Böse
Herzenswünschen und niedrigen Spekulationen.
Sei uns ganz nahe in unserer Not,
wenn wir uns im dornigen Gestrüpp der Wirklichkeit verlieren.
In den großen und anonymen Städten
Nimm uns wieder an der Hand,
damit wir deiner Fantasie folgen können.
Und auf dem weite flachen Land
Lass uns dich auf unseren Wegen erkennen.
Bewahre uns vor falschen Horizonten und dunklen Abgründen,
so dass wir nicht in Richtungen wandern,
die uns im Kreis und an der Nase rumführen.
Betrachte unseren kleinen Alltag,
den wir mal recht und mal schlecht bestehen müssen:
die 12 Stunden Unrast, und die 12 Stunden Ruhe vor dem Sturm.
Du hast den Tag und die Nacht geschaffen,
hast auch den Alltag gemacht und den Schlaf:
die 12 Stunden eilen und kümmern und laufen
und sorgen und streiten und ärgern und schweigen,
und die 12 Stunden ausruhen und nichts mehr sehen und hören.
Verzeih uns die vielen Streitigkeiten von morgens bis abends,
das Hin- und Herlaufen zwischen vielen Fronten.
Und all die Vorwürfe, die wir uns gegenseitig machen
Verwandle in herzhaftes Gelächter
Und unsere Bosheiten löse auf in kleine Witze.
Bitte, Herr, setze Zeichen und tu Wunder,
dass wir von all unseren Schuldzuweisungen ablassen
und jedwedem Gegner ein freier Gastgeber sind.
Singe uns, Herr, von deiner Freiheit ein Lied,
auf dass wir alle gestrigen Vorurteile außer Kraft
und alle Feindseligkeiten außer Gefecht setzen.
Gib uns von deiner großen zeitlosen Zeit
Ein paar Stunden ab.
Und, Herr, komm in unsere Stuben und segne
Alle unsere Habseligkeiten, und den Brotkorb;
Schütze vor allem die Kinder und die Tiere
Vor jeglicher Willkür.
Ja, Herr, setze dich zu uns an den Tisch und sieh,
wie sehr wir dich überall brauchen,
auf der ganzen Welt.
Sprich ein Machtwort, oh Herr,
mit all jenen Herren, die sich selber zu Göttern ernannt,
die Menschen durch Maschinen ersetzen und für Geld Kriege führen
und mit Drogen alle Zukunft zerstören.
Erbarme dich unser – am Tage und in der Nacht,
in der großen Welt und in der kleinen Welt unseres Alltags.
Lass uns unsere Krankheiten überstehen
Und gib uns in der Jugend und im Alter deine Schulter,
damit wir uns von Zeit zu Zeit
von Gegenwart zu Gegenwart an dir anlehnen können,
getröstet, gestärkt und ermutigt.
Dazu segne unsere Kinder, unsere Häuser, unsere ganze Stadt
Die Flüchtlinge, die bei uns Zuflucht suchen,
Und uns selbst in unserer Armseligkeit
In dieser Nacht und jeden neuen Tag.
Amen
(nach Hanns Dieter Hüsch, Segen für Allezeit,
in: Das kleine Buch zum Segen, S. 4 ff)