Schmuckband Kreuzgang

Pfingstsonntag

Pfingstsonntag (c) Martina Bauer
Pfingstsonntag
Datum:
So. 23. Mai 2021
Von:
Martina Bauer

Viele Sprachen und Stimmen – ein Geist

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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PFINGSTEN, LJ B (2021)                                                                                   zu: Apg 2, 1-11

(Dom11:30 Uhr)                                                                                                    & Gal 5, 16-25

 

Viele Sprachen und Stimmen – ein Geist

 

  1. Was muss das für ein Stimmengewirr gewesen sein, damals, zu Pfingsten. Was für ein unglaubliches Durcheinander! Parther, Meder, Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadokien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, Ägypten und Libyen und Kyrene, die Römer, Juden und Proselyten… mindestens 14 verschiedene Völker und Sprachen. Da haben wir bei uns heute Angst vor Überfremdung und Multi-Kulti. Dabei war das in Jerusalem damals mindestens so bunt. Ein unfassbares Stimmengewirr, und mitten drin die Jünger Jesu, die in den unzähligen Sprachen sprechen. Und – das ist das eigentliche Wunder von Pfingsten – alle verstehen sich. Alle verstehen die unfassbare Botschaft von Gottes großen Taten, die die Jünger in den verschiedensten Sprachen verkünden.
  2. Warum nur tun wir Menschen uns so schwer mit der Vielfalt? Warum macht uns das Fremde so viel Angst? Pfingsten ist doch, so lehrt uns die Bibel, die Geburtsstunde der Kirche. Kirche wird in einem heillosen Stimmengewirr, in bunter Vielfalt geboren. Wir meinen heute, Kirche muss mit einer Sprache sprechen, das wäre doch die entscheidende Stärke gerade der katholischen Kirche. Dass sie mit einer Sprache spricht, mit der Roms, mit der des Papstes. Die Einheitlichkeit sei die entscheidende Stärke der Kirche. Dabei, wenn ich der Botschaft der Pfingsterzählung traue, ist das Gegenteil der Fall: Kirche muss in vielen Sprachen sprechen. Weil Gott Menschen aller Völker und Sprachen mit seiner Botschaft erreichen, berühren, ins Herz treffen will. Kirche muss die Sprache der Menschen sprechen! Die Pfingsterzählung ist da ganz eindeutig: nicht die vielen Völker verstehen plötzlich alle das Aramäisch mit galiläischem Dialekt, das die Jünger sprechen. Sondern sie hören diese Galiläer, einfache Fischer, alle in ihrer jeweiligen Muttersprache: „Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden!
  3. Ich habe in den letzten Wochen in vielen Gesprächen gespürt, wie sehr die Vielstimmigkeit innerhalb der Kirche Menschen Angst macht. Von Kirchenspaltung wird da schon geredet. Und, ja, auch mir macht das manchmal Angst, wie viele unterschiedliche Meinungen, Erwartungen, Ansichten, Überzeugungen da auch innerhalb der Kirche aufeinander prallen. Gerade auch angesichts des synodalen Weges in Deutschland. Brauchen wir mehr Einheit, mehr Einheitlichkeit? Mehr Gehorsam gegenüber Rom und dem Papst, dem doch der Dienst an der Einheit aufgetragen ist? Angst macht mir vor allem auch die Unversöhnlichkeit, mit der die Meinungen aufeinander prallen, die Kompromisslosigkeit, mit der jeder von seiner Meinung überzeugt ist und wie schnell man den anderen die Rechtgläubigkeit, das Katholischen abspricht. Hier müssen wir aufpassen, dass wir die Kirche nicht spalten, nicht auseinanderreißen.
  4. Aber, und das ist die völlig unmissverständliche Botschaft von Pfingsten: gerade nicht indem wir Einstimmigkeit erwarten oder verlangen. Denn Einstimmigkeit, Uniformität ist das Gegenteil von einer vom Geist Gottes bewegten Kirche. Wo Gottes Geist wirkt, da ist Vielstimmigkeit. Da sprechen wir verschiedene Sprachen und doch verstehen wir einander. Gerade weil Gottes Frohe Botschaft alle Menschen erreichen will, müssen wir die unterschiedlichen Sprachen der Menschen sprechen, müssen ihr Denken verstehen, ihre Haltungen teilen, ihre Überzeugungen, ihre Sehnsucht, ihre Kultur. Und müssen ihre Sprache sprechen. Das bedeutet nicht: allen nach dem Mund zu reden. Allen das zu sagen, was sie gerade hören wollen. Es bedeutet aber auch nicht: ihnen die Ohren voll zu labern, mit dem, was uns wichtig ist, wovon wir als Kirche, als Christen persönlich überzeugt bin. Die Sprachen der unterschiedlichen Menschen zu sprechen bedeutet, sich auf ihre Lebenswelten einzulassen, sie zu verstehen, mit dem Herzen zu verstehen, um dann das zu verkünden, was Gottes Geist durch uns ihnen sagen will.
  5. Denn das ist das andere Faszinierende am Pfingstwunder: dass trotz dieser bunten Vielstimmigkeit, trotz diesem babylonischen Sprachen-Tohuwabo alle sich verstehen, die eine Botschaft Gottes alle erreicht und verbindet. So unterschiedlich diese Menschen sind, denken, fühlen, verstehen: Gottes Geist schafft es, dass alle verstehen, was Gott ihnen sagen will, das alle sich gegenseitig verstehen. In all diesem bunten Sprachengewirr, in dieser unglaublichen Vielfalt herrscht durch Gottes Geist eine wunderbare Einheit, ein tiefes Sich-verstehen.
  6. Von Anfang an gehören Streit, unterschiedliche Meinungen, Vielfalt, ja auch Spaltungen und Parteiungen zur Realität der christlichen Gemeinden. Paulus lässt daran in der zweiten Lesung, in seinem Brief an die Galater keinen Zweifel. Die unterschiedlichen Gemeinden in Galatien waren heillos zerstritten und übel verfeindet. Man sprach sich gegenseitig den rechten Glauben ab, exkommunizierte sich gegenseitig und so fort – viel übler, als wir uns das heute vorstellen können. Und natürlich kann das Paulus nicht gefallen und er tadelt die die Gemeinde heftig, man könnte sagen: er stellt sie regelrecht in die Senkel. Dabei fordert er aber nicht Uniformität. Es geht darum, dass wir dem Geist Raum geben müssen. Wo wir selbst uns zu wichtig nehmen, wo wir unsere eigenen Überzeugungen mit der Wahrheit Gottes verwechseln, da, so Paulus, entstehen „Feindschaft, Streit, Eifersucht, Jähzorn, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, Neid“ und so fort. Wo wir aber Gottes Geist wirken lassen, da entsteht in aller Unterschiedlichkeit und Vielfalt: „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte“. Daran erkennen wir also, ob Gottes Geist, Gottes pfingstlicher Geist unter uns wirkt. Nicht daran, ob wir alle einer Meinung sind, ob wir alle mit einer Sprache sprechen, sondern ob bei aller Unterschiedlichkeit, auch bei unterschiedlichen Meinungen und Überzeugungen, Liebe, Freundlichkeit, Friede unter uns spürbar sind. Denn das, so sagt Paulus, sind die Früchte des Geistes. „Lasst uns im Geist leben, lasst uns in seinem Geist wandeln!“ ruft Paulus den zerstrittenen Galatern zu. Und uns!
  7. Ich finde es gerade angesichts unseres aktuellen Ringens um den rechten Weg für die Kirche so entlastend und tröstlich zu sehen, das zur Kirche von Anfang an Vielstimmigkeit gehört, das Reden in unterschiedlichen Sprachen. Es muss uns deshalb keine Angst machen, wenn es auch heute unterschiedliche Stimmen, Überzeugungen, Meinungen innerhalb der Kirche gibt. Im Gegenteil: weil Gottes Botschaft alle Menschen, die so unterschiedlich denken, ticken, fühlen erreichen will, deshalb braucht Kirche Vielstimmigkeit. Wir müssen die unterschiedlichen Sprachen der Menschen sprechen. Genauso wichtig aber ist – und das ist vielleicht die entscheidende Botschaft von Pfingsten: Diese Vielstimmigkeit führt nicht zu Spaltung, wenn wir uns von Gottes Geist erfüllen, antreiben lassen. Wenn es eben nicht unsere Rechthaberei ist, sondern Gottes Geist, der uns antreibt. Wo wir seinem Geist Raum geben in der Kirche, da gibt es Einheit trotz bunter Vielfalt. Und genau das – Einheit in der bunten, manchmal chaotischen Vielfalt ist es, was Gottes Geist schafft. Wer also um den Geist betet und gleichzeitig will, das alles beim Alten bleibt, dass alle gleich denken, reden, mit einer Sprache sprechen, der hat Pfingsten nicht verstanden. Man kann nicht beten „Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen!“, wenn man im Grunde seine Ruhe will, Ordnung und Disziplin, denn Pfingsten ist das Gegenteil. Wer um Gottes Geist betet, der muss Vielfalt aushalten können, das bunte pfingstliche Stimmengewirr, in dem Gottes große Taten in so unterschiedlicher Weise verkündet werden. Amen.