Taufe des Herrn LJ B (2021) zu: Jes 42, 5a.1-4.6-7 und 1 Joh 5, 1-9 Mk 1, 7-11
Er schreit nicht und lärmt nicht
- „Wir müssen Stärke zeigen. Wir müssen kämpfen. Sonst haben wir bald kein Land mehr!“ Man gibt nicht klein bei! Mit solchen Worten peitschte in der vergangenen Woche der scheidende amerikanische Präsident den Mob auf, tausende, die gekommen waren, um zu demonstrieren. Er redete sich in Rage, blanke Wut angesichts der Tatsache, dass alle seine Lügen und Intrigen nicht verhindern können, was unweigerlich ist: seine Amtszeit ist zu Ende. Er, der sich selbst für den Größten hält, den Heilsbringer für die ganze freie Welt. Die Masse lässt sich aufheizen, zieht schließlich zum Kapitol, stürmt es. Am Ende sind fünf Menschen tot. Ein Schock für die ganze Welt.
- „Siehe, mein Knecht, mein Erwählter: Er schreit nicht und lärmt nicht, lässt seine Stimme nicht auf der Gasse erschallen. Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Doch löscht er nicht aus. Er bringt wirklich das Recht!“ Größer kann der Kontrast nicht sein. Der Prophet Jesaja lässt hier Gott selbst sprechen. Und den er da beschreibt, das ist sein Gesalbter, sein Christus. Es ist jene geheimnisvolle Gestalt, von der im Prophetenbuch die Rede ist, der mehr ist als ein neuer König für das Volk Israel. Er ist die Hoffnung aller Völker! Er bringt allen Völkern und Nationen das Recht. Und gerade nicht, indem er Massen aufpeitscht und hinter sich bringt; nicht mit Gewalt und Stärke, Lügen und Versprechungen, nicht durch Kampf. Sondern indem er das geknickte Rohr wieder aufrichtet, den glimmenden Doch nicht verlöschen lässt. Der Messias, der Heiland, den Gott sich erwählt, ist einer, der sich mitfühlend, sensibel gerade den Schwachen, den Verletzten, den an den Rand Gedrängten zuwendet. Der ein Ohr hat und ein Herz für sie. Dem es nicht darum geht, der Größte, der Fantastischste, der Großartigste zu sein, sondern der sich klein macht, um den Kleinen und Schwachen nahe zu sein. Nein, größer kann der Kontrast nicht sein zwischen dem, was die Welt erschüttert diese Woche erleben musste und dem, was uns heute verkündet wird und was wir an diesem Festtag feiern.
- Denn das Fest der Taufe des Herrn ist, wie es die Theologen sagen, ein „Epiphanie-Ereignis“. Das heißt: hier, in der Taufe Jesu, offenbart Gott der ganzen Welt, wer sein Messias, wer der wahre Gottesknecht ist. „Du bist mein geliebter Sohn; an dir habe ich Gefallen gefunden!“ Dieser Jesus aus Nazareth, der, der als unscheinbares Kind in einer Krippe in Betlehem geboren wurde: er ist es, der Recht und Gerechtigkeit aufrichtet.
- Man muss sich die Szene bildlich vorstellen: Johannes tauft weit draußen in der judäischen Wüste. Die Stelle am Jordan, die lange in vermintem, umkämpftem Gebiet lag, ist erst seit einigen Jahren wieder zugänglich. Nicht weit von Jericho, etwa 30 km von Jerusalem, tief unten im Jordangraben, nur wenige Kilometer bevor der Jordan in das Salzmeer, das Tote Meer fließt. Hier ist wirklich nichts als lebensfeindliche Wüste, 400 Meter unter dem Meeresspiegel gelegen, die meiste Zeit des Jahres unerträgliche Hitze. Nur unmittelbar am Jordanufer wächst etwas Grün. Hier steht Johannes und tauft. Und Hunderte, ja Tausende kommen von Jerusalem hinab und aus dem ganzen Land, in dieses unwirtliche Land, um sich von Johannes taufen zu lassen. Sie sehnen sich nach einem Neuanfang, sie wollen ihr Leben einer großen, guten Sache weihen, ohne genau zu wissen, was es eigentlich ist. Johannes spricht rätselhaft, wie die alten Propheten, von einem, der kommen wird. Und mitten unter diesen Menschenmassen, ohne selbst recht zu wissen, ja ohne auch nur eine Ahnung zu haben, dass er gemeint sein könnte, kommt auch Jesus vom fernen Nazareth, gute 150 Kilometer. Weder Johannes noch Jesus ahnen etwas. Jesus lässt sich taufen wie tausende andere auch. Und dann, in dem Augenblick, als er aus dem Wasser steigt, geschieht die Offenbarung: der Geist in Gestalt einer Taube und eine Stimme vom Himmel: „Du bist mein geliebter Sohn! Du bist der Christus, der Gesalbte“ Der, von dem einst schon der Prophet Jesaja gesprochen hat: der nicht lärmt, der das geknickte Rohr nicht bricht und den glimmenden Docht nicht auslöscht.
- Die Welt wird nicht von denen verändert, die auf der Straße schreien, die meinen, mit Gewalt und Kampf die Verhältnisse ändern zu müssen, die vor allem sich selbst Recht verschaffen wollen; sondern das, was wirklich die Welt verändert, ist die Macht der Liebe. „Das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube, dass Gott uns liebt!“ So wird es uns im 1. Johannesbrief verkündet. Die Liebe kann die Welt wirklich verändern und heilen, zu einem Ort von Recht und Gerechtigkeit machen. Die Liebe, mit der Gott uns Menschen liebt. Die Liebe, die in Jesus Christus, dem Kind in der Krippe, Mensch geworden ist. Wer sich im Glauben zu dieser Liebe bekennt, der wird selbst zum Kind Gottes. „Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter!“ So sagt Gott auch zu jedem von uns in der Taufe. Was da bei der Taufe Jesu geschieht, ist also nichts anderes als das, was in jeder Taufe geschieht. In der Taufe werden wir von Gott erwählt und Beauftragt, mit heiligem Geist gesalbt. Wir werden selbst zum „Christus“, zu einem Gesalbten Gottes, zu einem Kind Gottes.
- Und wir werden damit zugleich beauftragt, in seinem Namen und Auftrag für Recht und Gerechtigkeit einzutreten, einzutreten für die Schwachen, die Kleinen, die Gedemütigten. Wer Kind Gottes ist, wer in der Taufe zum Gesalbten, zum Christ geworden ist, der setzt nicht länger auf Kampf und Gewalt, auf Lautstärke und Lärm, um etwas zu ändern in der Welt; der setzt auf die stille Macht der Liebe, der Zuwendung zu den Armen, Schwachen, Kleinen, die Macht der Hingabe. Das ist die Macht, die wirklich etwas ändern kann, die eine neue Welt begründet. Mit der Taufe im Jordan beginnt für Jesus der Weg, die Verkündigung der Frohen Botschaft vom Reich Gottes. Mit unserer Taufe, mit jeder Taufe wächst dieses neue Reich der Gerechtigkeit und des Friedens. Dafür allein lohnt es sich aufzustehen und sich einzusetzen: für die Liebe, die von Gott kommt und die alles verändern kann.