Schmuckband Kreuzgang

Das Wort zum Sonntag

Woran sollen wir uns erinnern?

Pfarrer Karl Zirmer (c) Markus Schenk, Büttelborn
Pfarrer Karl Zirmer
Datum:
Sa. 8. Nov. 2025
Von:
Pfarrer Karl Zirmer

Heute feiert die katholische Kirche das Kirchweihfest der römischen Lateranbasilika. Auf den ersten Blick ein seltsames Fest. Auf der ganzen Welt feiern wir die Weihe einer römischen Kirche, der ersten großen Basilika der Christen im Römischen Reich, die Kaiser Konstantin errichten ließ und am 9. November 324 von Papst Silvester I. Christus dem Erlöser („Salvator “) geweiht wurde. Später wurde zusätzlich dem Patronat des heiligen Johannes des Täufers unterstellt. Die Inschrift am Eingang benennt bis heute die besondere Bedeutung dieser Kirche: „Omnium urbis et orbis ecclesiarum mater et caput“- „Mutter und Haupt aller Kirchen der Stadt (Rom) und des Erdkreises“. 

Dass wir heute den Weihetag dieser Basilika feiern hängt eigentlich mit dem Grundverständnis von Kirche, von katholischer Kirche zusammen. Das heutige Fest erinnert uns daran, was Kirche ausmacht: Zunächst natürlich die Ortskirche, die Kirche vor Ort, für uns die Kirche von Gustavsburg bzw. Ginsheim und Bischofsheim. Hier lebt die Kirche, hier sind es die konkreten Menschen, Sie und ich, die diese Kirche bilden und dazu beitragen sollen, dass Kirche glaubwürdig und auch attraktiv wird. Deshalb müssen wir auch zunächst unseren eigenen Tempel reinigen und zusehen, dass hier unsere Grundhaltung stimmt. 

Alle Ortskirchen auf der ganzen Welt sind darüber hinaus untereinander verbunden im gemeinsamen Glauben an Jesus Christus, an „Christus, den Erlöser“- wie der Titel dieser römischen Basilika ursprünglich lautete. 

Dass wir römisch- katholische Christinnen und Christen sind, kommt in der Verbundenheit mit der Kirche von Rom zum Ausdruck. „Kirche auf katholisch“ heißt auch die Einbindung in eine weltumfassende Glaubens- Gemeinschaft. Wir sind Teil eines Bistums (wir gehören zum Bistum Mainz) und dieses ist wiederum eingebunden in die Weltkirche. 

Es ist nicht nur eine alte ehrwürdige liturgische Tradition, dass im Hochgebet der Name des jeweiligen Ortsbischofs und des Papstes genannt werden. Sondern damit kommt genau dieses Glaubens -verständnis zum Ausdruck: „Kirche vor Ort“ ist ein Glied des Bistums und dieses wiederum Teil der Weltkirche.

Das wirkt sich aus bis in den Alltag unserer Kirchengemeinden hinein: Es gibt innerkirchliche Fragen und Probleme, die wir nicht vor Ort lösen können, die auf einer größeren Ebene, entweder auf der Ebene eines Bistums, einer Bischofskonferenz oder eben auf der Ebene der Weltkirche gelöst werden müssen. 

Wir können als katholische Christen nicht einfach sagen, „uns ist es egal, was der Bischof oder der Papst dazu sagen!“ Natürlich ist damit nicht gesagt, dass wir zu einem blinden Gehorsam, der nur noch „Ja“ und „Amen“ sagt verpflichtet wären. Aber bei einer Meinungsbildung, bzw. bei unserer Gewissensbildung, müssen wir die Position unseres Bischofs oder auch des Papstes ernst nehmen, uns damit auseinandersetzen und erst danach zu einer verantwortungs-bewussten Entscheidung kommen. 

Der 9. November ist aber nicht nur der Weihetag der Lateranbasilika. In Deutschland erinnert der 9. November vor allem an zwei Ereignisse, die unterschiedlicher nicht sein könnten: der 9.November 1938 und der 9. November 1989.

Vor 87 Jahren, am 9. November 1938, fand die Reichspogromnacht statt. Das nationalsozialistische Regime hat schlimme Gewaltmaßnahmen gegen Juden im ganzen Deutschen Reich organisiert und durchführen lassen. 

Viele Synagogen brannten, tausende jüdische Geschäfte, Wohnungen und Friedhöfe wurden geplündert und zerstört. Mehr als 30.000 Juden wurden verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt.  

Heute fanden an vielen Orten in Deutschland Gedenkfeiern an die Reichspogromnacht statt, In Bischofsheim haben wir in der evangelischen Kirche einen beeindruckenden Ökumenischen Gottesdienst zum Pogrom-Gedenken gefeiert. Solche Gedenkfeiern sind wichtig. Nie wieder darf so etwas passieren! Das ist heute aktueller denn je. Die Gewalt gegen Juden hat leider in unserer Gesellschaft wieder zugenommen. Wir alle sind gefordert und sollen mithelfen, damit Juden in unserem Land wieder in Sicherheit leben können. 

Heute ist auch der Jahrestag des Falls der Berliner Mauer. Unglaubliches ist am 9. November 1989 geschehen, als die Mauer fiel. Auch das darf niemals vergessen werden. Damals glaubten viele, auch ich, nun wird die Freiheit und die Demokratie in der ganzen Welt triumphieren. Heute wissen wir: Es gibt keine Garantie dafür, dass Freiheit und Demokratie uns auf immer erhalten bleiben. Demokratie funktioniert nicht automatisch. Seit 76 Jahren ist das Grundgesetz in Kraft. Das sind auch 76 Jahre Leben in Freiheit. Wir dürfen diese Freiheit nicht verspielen. 

Das ist ja die Errungenschaft der Demokratie. Man wird nicht nur einfach von „denen da oben“ regiert, sondern man hat die Möglichkeit mitzureden und mitzubestimmen, von wem und wie man regiert wird. In der Demokratie kann man sich aus dem Geschehen gar nicht ganz heraushalten. Auch Nichtwähler beeinflussen den Ausgang der Wahlen. Nur sie handeln nicht mehr selbst und ihr passives Verhalten führt oft zu Ergebnissen, die sie gar nicht wollen. Darum ist so wichtig, dass wir in verantwortlicher Weise Gebrauch machen von unserem Wahlrecht. Und wenn Sie wählen gehen, wählen Sie immer eine Partei, die fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Bedenken wir auch dies: Der wichtigste Artikel im Grundgesetz ist der Erste: „Die Würde des Menschen ist unantastbar!“. Wenn sich alle Menschen in unserem Land an diesen Grundsatz halten, dann können alle bei uns – auch die Jüdinnen und Juden – in Sicherheit leben.

Die Freiheit und die Demokratie sind nicht selbstverständlich. Als Christen haben wir eine politische Verantwortung und wir können und sollen unseren Beitrag leisten, damit unsere freiheitliche Demokratie erhalten bleibt.

A m e n