Vor dem Bischof liegen vier Männer. Michael liegt auf der linken Seite. ‚Ein Glück, dass es einen Teppich vor dem Altar gibt, sonst wäre der Boden ganz schön kalt.'
Der Gedanke geht ihm durch den Kopf. Er denkt auch an seine Entscheidung, Priester zu werden.
„Du bist bescheuert", sagte sein bester Freund Ralf. „Komplett bescheuert!"
Das war noch die netteste Reaktion gewesen. Auch seine Eltern und Geschwister hatten ihn nicht verstanden. Inzwischen hatte er seine Diakonenweihe hinter sich, sein Studium, seine Zeit im Priesterseminar. Seine Freunde und seine Familien akzeptierten seine Entscheidung, aber verstanden sie nach wie vor nicht.
Der Tag der Priesterweihe. Der Dom ist schön geschmückt, viele Menschen sind gekommen, der Domchor wird singen, der Domorganist ist an der Orgel. Am Altar steht der Bischof, aber nicht alleine. Der Weihbischof ist dabei, einige Mitglieder des Domkapitels. Und viele Priester aus dem Bistum. Michael schaut kurz nach oben. ‚Wenn ich zum Priester geweiht bin, könnte ich auch Weihbischof oder Bischof werden.' Das geht ihm kurz durch den Kopf. Ob das der richtige Tag für solche Gedanken ist. Er senkt seinen Kopf wieder. ‚Hoffentlich kann niemand Gedanken lesen:'
Als er zusammen mit den drei anderen Priesteramtskandidaten, seinem Mentor, dem Bischof und dem Regens eingezogen ist, hat er auch seine Familie gesehen. ‚Eigentlich sehen sie doch ganz stolz aus', hat Michael gedacht.
Er hört dem Gebet der Heiligenlitanei zu, während er lang ausgestreckt auf dem Boden liegt.
Endlich darf er wieder aufstehen. Der Bischof spendet ihm und den drei anderen mit der Handauflegung das Weihesakrament. Dann legen die anderen Priester ihm ihre Hände auf. Jetzt ist er ein Mitglied in der Gemeinschaft der Priester. Michael schaut in den Dom, auf seine Eltern, seine beiden Geschwister, seine Freunde. Er ist glücklich.
Sein Heimatpfarrer, der ihn auf seinem Weg begleitet hat, kommt lächelnd auf ihn zu. Michael zieht sein Priestergewand und die Stola an, der Bischof salbt ihm die Hände mit Chrisam und er bekommt endlich seine Hostienschale und den Kelch. Jetzt kann er ganz entspannt mit den Priestern und dem Bischof den Gottesdienst feiern. Er wird jetzt für immer Priester sein.
Martin und Lena blicken ganz ehrfürchtig.
„Für immer Priester?", fragt Martin.
„Habe ich laut gesprochen?", wundert sich Michael.
„Nein, aber denken Sie nicht so viel darüber nach. Keine Ahnung, was der Schmetterling dauernd macht. Aber der macht das", sagt Lena wieder.
Da sagt Michael: „Ja, für immer Priester. Als Sarah und Leonard geheiratet haben, haben sie auch für immer Ja zueinander gesagt."
„Und wenn Sie Krach bekommen, sich streiten und sich scheiden lassen?", fragt Lena.
„Das ist dann eine andere Geschichte", meint die alte Katharina. „Eine ganz andere Geschichte."
‚Da haben wir dann ja noch einiges zu klären', sagt der Schmetterling in den Raum hinein.
„Ja, auch, warum nur Männer Priester werden können, und Frauen eben nur Nonne", sagt Lena.
„Und die ganzen Feste und Feiertage, die es gibt", meldet sich Martin
„Oh wei", meint Miriam lächelnd, „das müssen wir an einem anderen Tag bereden."
‚Genau!', sagt der Schmetterling und verschwindet schnell. Für heute hat er genug gearbeitet, findet er.
‚Die sieben Sakramente sind erklärt. Morgen ist ein neuer Tag.'
Und weg ist er.
Autor(en): Theresia Bongarth